Die mit den Namenskürzeln der elf ausschließlich aus Großbritannien stammenden Mitarbeiter gezeichneten Einträge sind durchwegs kurz, ein fünfseitiger Abriß der römischen Geschichte gehört bereits zu den längsten. In vielen, durchaus aber nicht allen Fällen werden Hinweise auf Literatur (nur englischsprachige Monographien) gegeben, die in einer fünfzigseitigen Bibliographie am Ende des Buches zusammengestellt wurde. Im Appendix findet man für die griechische Geschichte Stammtafeln zu den beiden spartanischen Königshäusern, die für den Benutzer freilich nicht mehr als bloße Namensreihen sind, da nirgendwo Erklärungen zum spartanischen Königtum gegeben werden, außerdem zu den Seleukiden und Ptolemäern. Die römische Geschichte ist mit einer Tafel über die Regierungszeiten der Kaiser vertreten. Enthalten sind ferner einige Übersichtskarten, sowie Stadtpläne von Rom und Athen.
Daß ein Nachschlagewerk wie das vorliegende keine erschöpfende
Auskunft geben kann, versteht sich von selbst. Man wird aber danach
fragen müssen, ob es seinem Anspruch gerecht wird, Sachwörterbuch für
breitere Interessentenkreise zu sein. Dafür ist das Dictionary leider
viel zu häufig nicht geeignet. Vergleicht man etwa allgemeine
Stichwörter (z.B. Römische Geschichte) oder auf Grund der Quellenlage
ergiebigeren Themen (z.B. Cicero) mit dem, was ein großes
Konversationslexikon zu bieten hat, dann ist nicht einzusehen, weshalb
ein Benutzer zum Dictionary greifen sollte. Erst bei spezifischeren
Anfragen kann dieses dann fachliche Qualitäten unter Beweis stellen,
vor allem, wenn es um Personennamen geht. Mehr als eine grobe
Orientierung wird man aber auch in solchen Fällen nicht erwarten
dürfen. Das Dictionary beschränkt sich überwiegend auf die Wiedergabe
von Rahmendaten (Jahreszahlen) und setzt dabei seinen Schwerpunkt in
der sogenannten politischen Geschichte. Die Problematik dieser
Konzeption kann man am Beispiel des athenischen Tyrannen Peisistratos
verdeutlichen: In sehr knapper Form wird das Gerüst der bei Herodot
und Aristoteles überlieferten Episode von Peisistratos' Weg zur Macht
referiert, ohne daß jedoch die Quellen selbst genannt, geschweige denn
kritisch interpretiert würden. Von einer derartigen Betrachtung hängt
aber unmittelbar das "Faktengerüst" ab; diese Zusammenhänge werden in
der Forschung diskutiert und sind z.B. von Michael Stahl in
mustergültiger Weise aufbereitet worden.[1] Man kann deshalb an der
Folgerung nicht vorbeikommen, daß der Benutzer hier falsch informiert
wird, was sich auch mit der Kürze des Eintrages nicht mehr
entschuldigen läßt. Zudem verzichtet das Dictionary an dieser Stelle
auf eine Querverweisung zum Stichwort tyranny, das immerhin doch noch
ein paar sinnvolle Zusatzinformationen enthielte. Völlig
unbefriedigend ist auch der Artikel zum Christentum, der lediglich
einige Daten zu einzelnen Phasen der Verfolgung bzw. Tolerierung durch
römische Kaiser gibt. Die Beispiele ließen sich vermehren.
Im übrigen fehlen zahlreiche wichtige Stichwörter zum antiken
Sozialsystem, und damit begibt sich das Dictionary der Chance, neben
Institutionen und Faktenmaterial auch Entwicklungen aufzuzeigen.
Unverständlich ist, weshalb z.B. ein kurzer Abriß über die Anlage des
griechischen Hauses enthalten ist, während ein Lemma oikos, also das
Haus als soziales System, fehlt. Ebenfalls bedenklich ist das Fehlen
des Stichwortes Familie. Der römische Senat taucht als politische
Institution auf, aber seine soziale Funktion, die Rolle und Bedeutung
von Senatoren in Republik und Kaiserzeit, wird nicht einmal
gestreift.
Bewegt man sich aus der Zeit der klassischen Antike in die Spätantike,
werden die Auskünfte des Dictionary noch dürftiger. Von wenigen
Ausnahmen abgesehen ist hier der Zugriff nur noch über Namen
(vorwiegend die der Kaiser) möglich. Selbst da, wo einzelne schon
vorhandene Stichwörter noch die Möglichkeit gegeben hätten, auf die
Spätantike einzugehen, bleibt sie ausgespart. So wird etwa im Beitrag
zu den Patriziern der konstantinische Patriziat verschwiegen.
Das Urteil kann am Ende wegen erheblicher konzeptioneller und
inhaltlicher Mängel nicht positiv ausfallen. Weder interessierte
Laien, die eigentliche Zielgruppe des Dictionary, noch gar mehr oder
weniger gründlich vorinformierte Fachleute werden mit diesem Buch
zufriedenstellend bedient. Fehlt für die einen der Zusammenhang und
die Hintergrundinformation, ohne die das Wissen althistorischer
Details letztlich sinnlos ist, müssen die anderen vor allem auf
kritische Bemerkungen zur Quellenlage, zu Forschungs- und
Interpretationsproblemen verzichten. Da gerade dem deutschsprachigen
Interessenten kein kleines Angebot an anderen Informationsmitteln[2] zur
Verfügung steht, kann man ihm vom Dictionary of ancient history
getrost abraten.
Joachim Migl
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