Daß in Anbetracht der Weite des Gebietes nicht der Anspruch auf
vollständige Verzeichnung der relevanten Literatur erhoben wird, ist
klug. Versprochen wird nur "die systematische Durchsicht der
Spezialzeitschriften der Geschichte der Naturwissenschaften, der
Medizin und der Technik (bis 1980) und anderer Quellen". Da Beiträge
zur Geschichte der einzelnen Naturwissenschaften aber natürlich an den
unterschiedlichsten Stellen, nicht zuletzt auch in den
regionalhistorischen Zeitschriften publiziert werden, hängt viel von
der Auswertung der "anderen Quellen" ab; so vermißt man im
Quellenverzeichnis z.B. die Regionalbibliographien der deutschen
Länder (deren Auswertung unter den bekannten Namen von Chemikern,
Firmen und Sachbegriffen) sicherlich zahlreiche zusätzliche Titel
erbracht hätte. Dies gilt um so mehr, als man bedenken muß, daß unter
chemischer Technologie hier z.B. auch das Brauwesen,[2] die
Salzgewinnung,[3] die Glasherstellung[4] oder auch Porzellanmanufakturen[5]
behandelt werden, bei denen die Abgrenzung zwischen "rein"
wissenschaftshistorischen Darstellungen einerseits und
kulturhistorischen andererseits schwer zu ziehen ist. Gerade die
Durchsicht des Kapitels Firmen mit nur ca. 500 Eintragungen läßt auf
große Lückenhaftigkeit schließen.
Wenn man die Eintragungen im Personenteil prüft, so fällt auf, daß
diese in sehr vielen Fällen nur aus der Aufführung von Fundstellen in
den biobibliographischen Nachschlagewerken zur Geschichte der
Naturwissenschaften allgemein und der der Chemie speziell bestehen, so
daß dieser Teil nicht zuletzt auch die Funktion eines Index zu diesen
Nachschlagewerken übernimmt. Die Namen der behandelten Personen sind
zumeist mit ganz knappen biographischen Angaben versehen; längere
Eintragungen (Bsp. Faraday) sind etwa wie folgt gegliedert: Fundstelle
im Poggendorff, Additional bibliographies, Collected works, Reprints
and translations of publications, Correspondence, Manuscripts,
Biography and criticism. Auch an den Sachstellen werden Bibliographien
zusätzlich verzeichnet, z.T. auch allein anstatt von Titeln: so ist
z.B. unter Paper technology nur eine Bibliographie zitiert, aber als
Monographie ohne Umfangsangabe, der man entnehmen könnte, daß auch
diese Bibliographie mit ihren bloß 160 S. das Thema kaum erschöpfend
behandeln kann. Macht man dann Stichproben allein mit einschlägigen,
selbständig erschienenen Bibliographien, so fehlen gleichfalls
wichtige Titel: für die Pyrotechnik das Werk von Lotz;[6] für die
Geschichte der chemischen Technologie in der Tschechei die maßgebliche
Bibliographie von Steinerová;[7] im Abschnitt Chemical technology / Iron
and steel bzw. / metallurgy fehlt gleichfalls für die Tschechei eine
weitere Bibliographie von Steinerová[8] sowie für Lateinamerika eine
sehr umfangreiche, 1992 zur Fünfhundertjahrfeier der Entdeckung
Amerikas erschienene Bibliographie;[9] zur Chemie in Spanien fehlt eine
wichtige Biobibliographie,[10] die für den Personenteil hätte ausgewertet
werden müssen; ja selbst eine Bibliographie zur Geschichte der
chemischen Technologie[11] ist dem Berarbeiter entgangen. Nicht nur im
Hinblick darauf, daß im Vorwort die Verzeichnung von "Bibliographien
der Primärliteratur" eigens angekündigt wird, zeichnet sich der
Abschnitt Chemistry / Bibliographies (Bd. 1., S. 7 - 8) mit seinen
gerade 7 Titeln durch schreiende Lücken aus.[12]
Weicht bei genauerem Hinsehen der anfängliche Zustand des
Beeindrucktseins einer zunehmenden Skepsis, was die Solidität der
Auswahlkriterien betrifft, so kann man auch nicht umhin, über die
Erscheinungsform der Bibliographie zu klagen: es handelt sich um die
Reproduktion von Titelkarten, je 20 auf einer Seite zu zwei Spalten,
wobei auch die Gliederungsüberschriften, die optisch überhaupt nicht
hervortreten (glücklicherweise hat der Verlag, anders als bei seinen
GVs für einen Kolumnentitel gesorgt) sowie die Verweisungen auf andere
Sachstellen einbezogen sind; hätte man die Kärtchen entsprechend ihrer
Textmenge geschuppt und dann reproduziert, hätten alle Titel in
höchstens zwei Bänden Platz gehabt; und wären die Titel in einem
PC-gängigen Datenbanksystem erfaßt worden, hätten sie sogar in einem
Band Platz gefunden, zu dem dann noch ein zweiter mit Registern hätte
treten können. Letztere fehlen völlig, was zwar in Anbetracht des
händigen Verfahrens verständlich, für die Benutzung aber inakzeptabel
ist. Wenn man schon auf ein Verfasserregister verzichten muß, so ist
das Fehlen eines separaten Sachregisters eine Zumutung, genügen doch
die in der Bibliographie enthaltenen Verweisungen keineswegs zum
(leichten) Auffinden einer Sache, ganz abgesehen davon, daß man erst
den passenden englischsprachigen Ausdruck kennen muß.
Daß diese Bibliographie viel Material enthält, das man sonst nicht
ohne weiteres findet, ist unbestritten; verläßlich, was die
Auswahlkriterien betrifft, ist sie nicht und leicht zu benutzen schon
gar nicht. Sie ist in erster Linie ein Produkt des Sammelfleißes, über
dem die Konzeption und die Präsentation zu kurz gekommen sind.
sh
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