Der Religion Index (RI) der American Theological Library Association (ATLA) gehört seit langem in seiner Papierausgabe zu den praktikabelsten umfassenden theologisch-religionswissenschaftlichen Bibliographien. Wie sowohl der Untertitel der CD-ROM als auch die Pluralform des Haupttitels anzeigen, ist er inzwischen ausdifferenziert in Religion index one (RIO)[1] mit der Zeitschriftenaufsatz-Verzeichnung, Religion index two (RIT)[2] mit der Auswertung von Sammelbänden sowie den Index to book reviews in religion (IBRR) mit der Verzeichnung der Rezensionen. Die gesamte ATLA religion database on CD-ROM enthält zusätzlich noch Research in ministry : an index to D.Min. theses and project reports (RIM). Mit dem Jahre 1995 soll sie zweimal jährlich als CD-ROM angeboten werden. Die folgende Analyse stützt sich allerdings auf die weniger umfangreiche Ausgabe RIO/RIT/IBRR 1975- on CD-ROM an Hand des update 1994. Die updates erfolgen jährlich.
Auf die Leistungsfähigkeit dieses Instrumentars und die Notwendigkeit
ergänzender Angebote ist später einzugehen. Die Umsetzung des Ganzen
in eine elektronische Datenbank und das Angebot der Online-Recherche
sind nicht neu. 1992 erschien eine entsprechende CD-ROM. Diese Version
für den Gebrauch "außer Haus" als CD-ROM liegt nun aber schon einige
Zeit in einer zweiten Fassung mit neuer Software (von DATAWARE) und
anderem Datenbestand vor - und dies bereits wiederum als Update -, so
daß es sinnvoll ist, sich damit erneut zu beschäftigen.[3]
2 Die bisherige CD-ROM-Version
Zunächst ein Rückblick auf die erste Ausgabe von 1992. Ein
Hauptunterschied zur Neuausgabe besteht darin, daß der Datenbestand
dieser ersten Ausgabe für den Benutzer unklar ist. Sie enthält Titel
ab 1949, aber nicht in durchgängiger Kontinuität. Deshalb hat man wohl
für die neue Version den klaren Schnitt beim Erscheinungsjahr 1975
gewählt. Dafür spricht, daß eine eindeutige Information über den
Inhalt eines Datenbestands für Recherchen wichtig ist, dagegen, daß
schon einmal Erschlossenes auch weiterhin angeboten werden sollte. Wer
mit beiden Versionen arbeiten kann, wird den Rückgriff auf die erste
Fassung gelegentlich benötigen.
Die Wilson-Software der alten Version erlaubt drei Suchmodi: 1. Browse
mit der Möglichkeit, Stich- und Schlagwörter einzugeben, den
Schlagwortkontext mit Alternativen zu recherchieren und sich
entsprechende Titel ausgeben zu lassen. - 2. Wilsonsearch als
komfortablere Suche über ein fest vorgegebenes Suchmenü, das bis zu
drei Schlagwörter, den Autor, den Code der Dezimalklassifikation usw.
suchen läßt und die Ausgabe der entsprechenden Daten ermöglicht. - 3.
Wilsonline als Expertenebene: Hier können qualifiziertere Suchanfragen
in einer einfachen Suchsprache formuliert werden. Suchbegriffe können
verkürzt eingegeben (truncation) oder auch mit Hilfe der Booleschen
Operatoren miteinander verbunden werden; darüber hinaus können sie
qualifiziert werden - Rahner, Karl(au) sucht z.B. diesen nicht als
Schlagwort sondern nur als Verfasser; ein besonderes Angebot ist die
gezielte Suche nach Bibelstellen.
Es kann nach folgenden Kriterien recherchiert werden: Abstract,
Artikelinhalt, Autor, Bibelstelle, Datenbankauswahl (z.B. nur
Rezensionsteil der Indexes), Dezimalklassifikation, ISBN, ISSN,
Publikationsjahr, Schlagwort, Sprache, Titel, Verlegername (gekürzt),
Zeitschriftentitel. Die Suchstrategie kann auch gespeichert werden,
was freilich nur bei komplizierten und immer wieder vorkommenden
Recherchen sinnvoll ist. Eine Ausgabe der Ergebnisse ist auf Drucker
möglich oder auf Diskette in Form einer ASCII-Datei, wie sie von allen
Textverarbeitungsprogrammen für PCs weiterverarbeitet werden kann.
Eine üble Schwachstelle des Programms sind die Umlaute: Die Suche nach
Müller führt unweigerlich zum Absturz. Es geht nur über Muller. Soweit
zur alten Version.[4]
3 Die aktuelle CD-ROM-Version
Um zur neuen Version zu kommen: Sie hat die eben genannte
Schwachstelle ausgemerzt. Ansonsten ist für den geübten
Wilson-Rechercheur eine völlige Umstellung nötig.
3.1 Installation
Positiv ist die Installations-Routine. Die Software ist auf der CD-ROM
untergebracht. Die Installation wird nach Anwählen des CD-Laufwerks
mit install in Gang gebracht, verlangt im Bildschirmdialog die
üblichen Angaben (Festplatte, Verzeichnis, Graphik-Karte, Drucker,
Drucker-Auflösung) und legt eine Batch-Datei an, mit der das Programm
dann aufgerufen werden kann.
3.2 Recherche und Anzeige
3.2.1 Standard search format
Der Eingangsbildschirm (Standard search format) bietet ein
komfortables und relativ umfangreiches Auswahlmenü: Keyword (Stichwort
über alle Textfelder), Titel, Verfassser/Herausgeber, behandelte
Person (Person as subject), Schlagwort, Schriftstelle,
Zeitschriftentitel - dass. mit bibliographischen Daten, Verleger,
Sprache, Gattung (Zeitschriftenaufsatz, Buch, Buchbeitrag, Rezension),
ISSN, ISBN, Book/essay-link, LC. Die meisten Kategorien erklären sich
von selbst. Über die Kategorie Book/essay-link läßt sich von einem
recherchierten einzelnen Buchbeitrag die Brücke zu allen indexierten
Beiträgen des Buches schlagen. Weniger nützlich dürfte hierzulande die
ebenfalls noch angebotene Suche eines Buches mit der Card number der
Library of Congress sein (LC). Alles in allem sind das relativ
zahlreiche Suchmöglichkeiten, die bei Einarbeitung in diese Datenbank
vielfältige Recherchen ermöglichen, im Normalfall freilich kaum
ausgenützt werden dürften. Das spricht aber natürlich nicht gegen
diese Möglichkeiten!
Boolesche Operatoren lassen sich auch weitgehend in den Suchfeldern
verwenden. Wenn die Befehlswörter (AND, OR, NOT) vorkommen, aber nicht
als solche angesehen werden sollen, ist der gesuchte Text in
Anführungszeichen zu setzen. Das ist wichtig, da der Operator OR auch
durch Komma darstellbar ist. Eine Suche von Personennamen ohne
Anführungszeichen kann zu Überraschungen führen. Rahner, Karl als
Keyword sucht alle Rahner und alle Karl (5.843 Treffer), wogen
"Rahner, Karl" einzig den berühmten Theologen heraussucht, aber Titel
von ihm und über ihn (414 Treffer)! Bei Person as subject erbringt
erstere Fragestellung keinen Treffer (was nur überraschend ist,
solange man diese Logik nicht kennt), letztere 111. Mit dem Operator
ADJ (adjust) lassen sich Worte in direktem Bezug suchen (was ohnehin
voreingestellt ist, solange keine Operatoren vorkommen). Trunkierung
mit ? bzw. * ist möglich. Hilfe über F1 kann kontextbezogen
angefordert werden. Die Möglichkeiten der Suche mit Booleschen
Operatoren sind recht weitgehend: Klammerausdrücke, Differenzierung
zwischen den Suchfeldern (statt der Standardeinstellung AND) usw.
Für intensivere Benutzung gibt es auch die Möglichkeit, das Programm
durch Befehlstasten-Kombinationen steuern.
Unter den Optionen taucht auch Sprache auf. Doch scheint derzeit nur
Englisch verfügbar zu sein.
Die Anzeige der Suchergebnisse ist zwischen Listen- und Vollanzeigen
umschaltbar. Einzelne Titel sind markierbar; das Springen zu einzelnen
Nummern ist möglich usw.
Besondere Aufmerksamkeit verdient noch die Suche nach Schriftstellen.
Hier wurde nach meinen Aufzeichnungen in der ersten Ausgabe mit der
neuen Software noch automatisch trunkiert: JN[5] 1 suchte auch JN 1,14.
Das ist jetzt geändert. Blättert man den Index auf, so ist man
wahrscheinlich verblüfft, daß das Johannes-Evangelium mit Kapitel 9
aufhören soll. Der Grund: Die Sortierung ist alphanumerisch, d.h. 10
folgt auf 1 vor 2, 20 auf 2 etc.[6] Daß JN 35 vorkommt, verweist auf
kein Apokryphon sondern ist schlicht ein Erfassungsfehler.
Die Beispiele zeigen, daß es wichtig ist, sehr genau mitzudenken,
welche Fragestellungen bei welcher CD welche Ergebnisse implizieren.
Das Problem elektronischer Medien ist oft, daß eine erfolgreiche Suche
ein vollkommenes Ergebnis suggeriert. Das ist aber mitnichten so.
3.2.2 Name search format
Neben dem bislang beschriebenen Standard search format gibt es noch
das Name search format, das eine reine Personen- oder
Körperschaftsnamen-Suche ermöglicht. Gerade hier sollte man unbedingt
über den Index (F2) die Einträge auswählen und mit Trunkierungen nicht
sparen, da Namensformen häufig uneinheitlich angesetzt sind (den
Standard von Normdateien erreicht man hier nicht; viele Personen sind
mehrfach in unterschiedlicher Form angesetzt). Den Vorteil dieses
Suchmodus gegenüber dem Standard search format sehe ich allerdings
nicht.
3.2.3 Thesaurus search format
Eine dritte Variante ist das Thesaurus search format. Es ermöglicht,
verwandte Begriffe ausfindig zu machen bzw. Zusammensetzungen mit dem
Suchbegriff. So führt eschatology auch zur Zusammensetzung mit
Personennamen (Calvin, Luther ...), wie mit Zeitabschnitten,
Religionen, Sachgebieten usw.: RSWK-mäßig gesagt, gewissermaßen eine
Kurzkettenanzeige. Daneben zeigt es die einzeln angesetzten Begriffe
der Eschatologie, also gewissermaßen eine Ober-/Unterbegriff-Suche,
wie sie allerdings von der Logik her in der Schlagwortnormdatei (SWD)
weit umfangreicher möglich wäre. Aber man soll das Gute nicht tadeln,
weil es Besseres gibt. - Schließlich sind Verweisungsformen (use for,
see also, see also from) ermittelbar. - Das Thesaurus search format
läßt sich im übrigen nicht nur zur Ermittlung des Vokabulars im
Thesaurus, sondern auch direkt zur Suche verwenden.
3.3 Ausgabe
Über das Ausgabe-Menü (Action) lassen sich Ausdrucke und file
transfers realisieren. Es besteht die Möglichkeit, einzelne Datensätze
durch Markierung auszuwählen oder die ganze Recherche bzw. bestimmte
laufende Nummern en bloc zu überspielen. Unsinnig ist die im Handbuch
nicht vermerkte Begrenzung der Ausgabequantität; sie liegt meiner
Erfahrung nach bei 100 Datensätzen. Da sich durch mehrmaliges
Recherchieren diese Schwelle leicht umgehen läßt, ist sie nur eine
unnötige Beigabe zum Kapitel Sisyphos. Das Ausgabeformat kann
differenziert bestimmt werden. So lassen sich Formate (ASCII, Trennung
der Kategorien durch Semikolon, DBase, WordPerfect ...) festlegen,
einzelne Kategorien ausschließen etc. Das gibt die Möglichkeit, die
Sätze relativ einfach in eine eigene Datenbank zu laden, wenn man sich
entsprechende "Filter" überlegt. Die etwas seltsame Kodierungen der
Jahrgangs-/Heft-/Seitenzahlen (in der Form: Freiburger Zeitschrift für
Theologie und Philosophie 35 no.3:507-526 1988) machen allerdings
immer eine Nachbearbeitung nötig, was eigentlich ein Unsinn ist, da
sich die Kategorien leicht auch so verteilen ließen, daß sie nach
entsprechenden Zitiernormen wie DIN 1505, T. 2 zusammengeführt werden
könnten.
4 Datenbankinhalt und vewandte Bibliographien
Neben der technischen Seite und der suchpraktischen ist bei einer
Datenbank letztlich natürlich der inhaltliche Umfang entscheidend. Was
die Verzeichnungsdichte anbelangt, so wurden 1990 in der Papierausgabe
des RIO ca. 500 Zeitschriften ganz und ca. 150 teilweise ausgewertet,
darunter auch wichtige deutschsprachige. Das Benutzerhandbuch der
Ausg. 1994 der CD-ROM spricht von 12.000 Artikeln aus 500
Zeitschriften jährlich. Bei den Mehrverfasserschriften sind Angaben
nach der Papierausgabe schwerer zu machen, es findet sich allerdings
inzwischen selbst aus dem deutschsprachigen Bereich Schrifttum wie
Rundfunksammelbände und Vortragspublikationen, so daß man wohl von
einer ständigen Erweiterung des Kreises des Erfaßten ausgehen kann.
Das Benutzerhandbuch spricht hier von 450 Publikationen, die in RIT
jährlich verarbeitet werden. Selbständig erschienene
Verfasserschriften werden allerdings grundsätzlich nicht
berücksichtigt, so daß man sie nur indirekt - sobald sie rezensiert
sind - über Besprechungen in den Religion indexes ermitteln kann, was
sowohl eine Verzögerung als möglicherweise auch eine Qualitätsauslese
bedeutet (ersteres sicher, letzteres vielleicht). Erfaßt werden laut
Handbuch jährlich mehr als 14.500 Rezensionen aus über 450
Zeitschriften.
Nach einer früheren Ankündigung der ATLA schien es, als ob der
Catholic periodicals index in den Datenpool der Religion indexes auf
CD-ROM aufgenommen würde. Nun wird von der ATLA eine eigene CD-ROM The
catholic periodical and literature index mit ca. 200.000 Einträgen ab
1981 auf CD-ROM für Ende 1995 angekündigt. Das wäre ein Schritt weiter
in Richtung auf eine vernünftige Erschließung theologischer Literatur,
aber leider auch wieder eine Zersplitterung der Suchmedien.
Nicht übelnehmen kann man der ATLA, daß die Ausrichtung des
Instrumentars von amerikanischen Interessen geprägt ist. Die deutsche
Literatur ist zwar nicht völlig ausgelassen, aber auch nicht genügend
erschlossen. Als Ergänzung scheint mir hier zum einen das Löwener
bibliographische System (Ephemerides theologicae Lovanienses und
Repertoire bibliographique de la philosophie) wichtig zu sein, dem man
auch eine baldige Digitalisierung wünschen möchte. Für die
französische Literatur liegt das Bulletin signalétique als FRANCIS auf
CD-ROM vor. Bleibt noch der Zeitschrifteninhaltsdienst Theologie der
Universitätsbibliothek Tübingen zu nennen, der jetzt in neuer und
verbesserter Form erscheint und inzwischen aufgrund einer eigenen
Datenbank erstellt wird. Die angekündigte[7] Zusammenarbeit mit der ATLA
wird hoffentlich einmal zur Möglichkeit führen, beider Daten in einem
Medium zu recherchieren.
Albert Raffelt
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