Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus: Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 3(1995) 2
[ Bestand in K10plus ]
Geschichte der Oper
- 95-2-228
-
Geschichte der Oper / Anna Amalie Abert. - Kassel :
Bärenreiter ; Stuttgart [u.a.] : Metzler, 1994. - 503 S. ;
25 cm. - ISBN 3-7618-1182-9 (Bärenreiter) - ISBN
3-476-01261-1 (Metzler) : DM 78.00
- [2475]
Nicht nur für den Kreis der Fachkollegen, sondern ebenso für eine
"weitere, operninteressierte Leserschaft" (Vorwort, S. 9) hat die
grande dame der deutschen Musikwissenschaft nach eigenen Worten ihre
Operngeschichte geschrieben: ein erzählendes Geschichtswerk, das
unbeirrt Licht und Schatten verteilt, also Urteile spricht, und das
unerschütterlich durch die Jahrhunderte an dem Entwicklungsgedanken
festhält, der die Oper im 19. Jahrhundert ihre Erfüllung in Wagners
Schaffen finden läßt.[1] Das ist nicht originell, aber entspricht der
gängigen Musikgeschichtsschreibung, wie sie die Autorin selbst bereits
Jahrzehnte zuvor in ihrer Einführung in dem der Oper gewidmeten Band
aus der Reihe Das Musikwerk[2] skizziert hatte. Das zeitgenössische
Opernschaffen ist dabei etwas summarisch abgehandelt, deutlich sind
ihre Wertungen hier nicht eigenständig, sondern entlehnt. Aberts
häufig zitierte Autorität in Fragen der Moderne ist Hans Heinz
Stuckenschmidt, Autor zahlreicher Veröffentlichungen zur Musik des 20.
Jahrhunderts. Sie ordnet ihr Material nach nationalen und
gattungstypischen Schwerpunkten, also: Die Oper in Italien (dort u.a.
die Kapitel: opera seria, opera buffa), Die Oper in Frankreich
(entsprechend: tragédie lyrique, opéra comique, grand opéra, etc.),
Die Oper in Spanien und Portugal, Die Oper in Deutschland, usf. Ein
Hauptkapitel nennt sie Deutsche Kosmopoliten, worunter die Autorin die
Komponisten Händel, Gluck und Mozart in Einzelportraits abhandelt.[3] Je
ein Personen- und Werkregister sowie eine Auswahlbibliographie
beschließen den Band. Zahlreiche Notenbeispiele dienen der
Anschaulichkeit.
Operngeschichten gibt es natürlich zahlreiche. Neben Werner Oehlmanns
sehr ausführlichem und deshalb auch umfangreichem Werk Oper in vier
Jahrhunderten[4] wäre etwa Die Oper von Oskar Bie[5] zu nennen, ein Buch,
das einer anderen als der Abertschen Konzeption folgt: Für Bie besteht
die Musikgeschichte nicht aus Entwicklungszügen, in denen man nach
einer inneren Logik suchen kann, sondern aus einzelnen Werken, die man
in ihrer Besonderheit und Unwiederholbarkeit verstehen muß (Wagners
Musikdrama ist hier nicht die Vollendung der Operngeschichte).
Ebenfalls originell und unter den nicht enzyklopädisch angelegten
Darstellungen[6] sicher die lesenswerteste ist Ulrich Schreibers
Opernführer für Fortgeschrittene,[7] eine mit sprachlicher Verve
geschriebene, engagierte, mal zu Applaus, mal zum Widerspruch reizende
Historie der "unmöglichsten aller Kunstgattungen". Neben solcher
Konkurrenz auf dem nicht fachwissenschaftlichen Markt nimmt sich
Aberts Buch deutlich betulicher aus, betont unaufgeregt und deshalb
vielleicht auch weniger aufregend. Zu sehr schreibt die Autorin nach
dem Prinzip "und ..., und dann ..., und dann noch ...". Die
beindruckende Summe der genannten Werke aus vier Jahrhunderten ermüdet
mit der Zeit den Blick für die großen Zusammenhänge. Mehr Mut zur
exemplarischen Auswahl wäre dienlicher gewesen. Wenn die Autorin über
Händels Ariodante nach wenigen Zeilen und zwei Notenbeispielen
abschließend feststellt: "All diese Beispiele und viele mehr lassen
das dramatische Leben erkennen, das die ganze Oper durchpulst" (S.
348), so ist dies nicht mehr als eine papierne Behauptung. Da hätte
man sich doch mehr Vermittlung gewünscht, und ferner, daß das
Behauptete gerade über den Text der Autorin Funken der Begeisterung
schlägt.
Reiner Nägele
- [1]
- So ist die Zeit zwischen Weber und Wagner selbstverständlich eine
"Zeit des Übergangs" (S. 266), bewegen sich die Bühnenwerke der
Komponisten dieser Zeit auf "Durchschnittsniveau" (S. 263). Merkwürdig
ist die Ausnahme, die sie behauptet: Franz Schubert. Dabei ist unter
wirkungsgeschichtlichen Gesichtspunkten Marschners Schaffen
hinsichtlich Wagner einflußreicher zu bewerten. Nicht zuletzt stehen
Werke Marschners, anders als diejenigen Schuberts, heute wieder auf
den Opernprogrammen.
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- [2]
- Das Musikwerk : eine Beispielsammlung zur Musikgeschichte / hrsg.
von Karl Gustav Fellerer. - Bd. 5. Die Oper von den Anfängen bis zum
Beginn des 19. Jahrhunderts / von A. A. Abert. - Koeln : Volk, [1953],
S. 5 - 15.
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- [3]
- Hier wäre die Frage zu stellen, ob denn nicht, wenn schon, auch
andere Nationen Kosmopoliten aufzuweisen haben (Jommelli etwa)? Oder
sollte dies möglicherweise der Versuch sein, bei einer vorrangig
territorial geordneten Geschichtsschreibung den Engländer Händel, den
Franzosen Gluck und den für die italienischen Operngattungen
bedeutenden Mozart für die deutsche Nation zu retten?
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- [4]
- Oper in vier Jahrhunderten / Werner Oehlmann. - Stuttgart [u.a.] :
Belser, 1984. - 864 S. - ISBN 3-7630-9029-0 : DM 98.00
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- [5]
- Die Oper / Oskar Bie. - München : Piper, 1988. - 571 S. Das Buch
erschien erstmals 1913 im Verlag S.Fischer, Berlin. Für das 20.
Jahrhundert ist es also nicht mehr tauglich.
- Das wichtigste Werk in deutscher Sprache ist sicher Pipers
Enzyklopädie des Musiktheaters : Oper, Operette, Musical, Ballett /
hrsg. von Carl Dahlhaus und dem Forschungsinstitut für Musiktheater
der Universität Bayreuth unter der Leitung von Sieghart Döhring.
- München ; Zürich : Piper. - 26 cm. [0244]. - Bd. 1. Werke Abbatini
- Donizetti. - 1986. - XXII, 776 S. - ISBN 3-492-02411-4 : DM 368.00
(Subskr.-Pr.). - Vgl. ABUN in ZfBB 34 (1987),3, S. 230 - 235. - Das
auf 8 Bd. geplante Werk schreitet nur langsam voran; zuletzt erschien
Bd. 5. Werke Piccini - Spontini. - 1994.
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- [6]
- Informativ bezüglich englischsprachiger Nachschlagewerke ist der
folgende Aufsatz: Everything you ever wanted to know about opera :
review-essay of recent reference works / David Littlejohn. // In:
Notes. - 51 (1994/95),3, S. 843 - 864.
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- [7]
- Opernführer für Fortgeschrittene : eine Geschichte des
Musiktheaters. - Kassel [u.a.] : Bärenreiter. - Bd. 1. Eine Geschichte
des Musiktheaters von den Anfängen bis zur Französischen Revolution.
- 1988. - 572 S. - ISBN 3-7618-0899-2 : DM 68.00. - Bd. 2. Das 19.
Jahrhundert. - 1991. - 974 S. - ISBN 3-7618-1028-8 : DM 92.00. - Der
3. Bd. ist noch nicht erschienen. - Eine Lizenzausgabe unter
abweichendem Titel ist: Die Kunst der Oper : Geschichte des
Musiktheaters / Ulrich Schreiber. - Frankfurt a. M. : Büchergilde
Gutenberg, 1988. - Bd. 1 - 2.
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