Der etwas ungelenk klingende Titel von Andreas Roloffs Dissertation
Der Verlagseinband unter dem Jugendstil bestätigt sich - auf 146
Seiten Text, einem 113-seitigen Verzeichnis mit 308 Einträgen der
künstlerischen Bucheinbände der Verlage Insel, Diederichs und S.
Fischer aus den Jahren 1895 bis 1907 sowie seinen 330 abschließenden,
qualitativ minderwertigen Abbildungen - mit ebenso sprachlich
unbeholfenen wie wenig informativen Ausführungen.[2] Die Arbeit ist
leitmotivisch von dem Wunsch durchdrungen, den Wandel bibliophiler und
gestalterischer Normen von der Spätromantik bis zum Ende des
Jugendstils nachzuzeichnen. Der besondere Stellenwert des englischen
Druckwesens wird dabei zwar erkannt, der von William Morris
inaugurierte soziale Impetus wird jedoch fälschlich in diesem statt im
politischen Bereich gesehen - und darüberhinaus dann (zur Potenzierung
der Fehlleistung) auf die Entwicklung in Deutschland übertragen.
Die Würdigung und Bewertung des künstlerisch gestalteten
Verlagseinbandes der kurzen Zeitspanne von 1895 bis 1907 ist dagegen
das zentrale Anliegen Roloffs. Kernstück der Arbeit bildet damit auch
das erwähnte 113-seitige Verzeichnis. In der vorgelegten Form, nämlich
ohne ausführliche Aufarbeitung im Haupttext, bleibt es jedoch reine
Fleißarbeit, bibliothekarische l'art pour l'art. Lediglich auf S. 186
findet eine Auswertung der Gestaltungsmerkmale in Prozentangaben[3]
statt und ringt wohl nicht nur dem Rezensenten ein mitleidiges Lächeln
ab.
Aufschlußreicher gewesen wäre eine Typologie der Einbände etwa nach:
erzählendem Charakter, plakativer Ausrichtung, Betonung floraler
Elemente, rein ornamentaler Buchschmuck, rein typographische
Gestaltung. Auch spielt die Farbe im Jugendstil eine besondere Rolle,
gerade bei den Einbänden wirkte sie stilbildend. Vernachlässigt wird
darüberhinaus das Zusammenspiel von Einband, Text und weiterer
typographischer Ausstattung, deren Integration, wie Roloff selbst
immerhin in einem Nebensatz bemerkt, zentrales Anliegen der Zeit war.
Kurzum, hier wird alter Wein in einen PETER LANGen Schlauch gefüllt,
angereichert durch eine wenig schmackhafte Prise populärmarxistischer
Sozialkritik, die den Sprung hin zu einer Flektion des Sujets dann
doch nicht schafft.
Der von Beate Nagel vorgelegte Katalog zur Ausstellung aus dem Bestand
der Universitätsbibliothek Braunschweig zur Buchkunst des Jugenstils
dagegen bildet mehr als nur einen gelungenen Führer zu den Exponaten,
die jeweils neben der Beschreibung in sauberem Abdruck beispielhaft
wiedergegeben sind. Die Anmerkungen zu den Ausstellungsstücken, die
sämtlich aus dem Altbestand und der Kinderbuchsammlung der Bibliothek
selbst stammen, sind ebenso kenntnisreich wie nachvollziehbar. Sie
bilden damit einen willkommenen Vorrat für Bibliotheken, die ihre
eigenen Bestände der Zeit einmal im Hinblick auf buchkünstlerische
Gestaltung durchforsten und präsentieren möchten.
Rudolf Nink
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