Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus: Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 3(1995) 3
[ Bestand in K10plus ]
Germania Judaica
- 95-3-375
-
Germania Judaica . - Tübingen : Mohr. - 24 cm. - Parallelt.
in hebr. Sprache
- [2931]
- Bd. 3. 1350 - 1519 / hrsg. von Arye Maimon ... im Auftr.
der Hebräischen Universität in Jerusalem
- Teilbd. 1. Ortschaftsartikel Aach - Lychen. - 1987. - XXX,
769 S. - ISBN 3-16-745107-6 : DM 248.00
- Teilbd. 2. Ortschaftsartikel Mährisch-Budwitz - Zwolle.
- 1995. - VI S., S. 771 - 1752. - ISBN 3-16-146093-6 : DM
318.00
Das große topographische Handbuch Germania Judaica hat, anders als
sein französisches Seitenstück, Gallia Judaica,[1] nicht nur eine lange
und bewegte Geschichte hinter sich, sondern liegt auch nach fast einem
Jahrhundert noch immer nicht abgeschlossen vor. Es ist klar, daß diese
lange Entstehungszeit in erster Linie durch den Einschnitt der Jahre
1933 - 1945 bedingt ist. Der Plan zu einem topographischen Handbuch
der Niederlassungsgeschichte der Juden in Deutschland geht auf das
Jahr 1903 zurück, als die im Jahr zuvor gegründete Gesellschaft zur
Förderung der Wissenschaft des Judentums die Erarbeitung beschloß,
Richtlinien aufstellte und eine Epochengliederung[2] vorschlug. Der
erste Band für die Zeit bis 1238 erschien in zwei Lieferungen 1917 und
1934. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurden
zwar die Arbeiten am Bd. 2 begonnen und auch zahlreiche Artikel
zusammengetragen, jedoch gingen diese teilweise nach ihrer
Beschlagnahme verloren. Das gerettete Material gelangte schließlich an
das 1955 gegründete Leo-Baeck-Institut (Jerusalem),[3] das sich der
Fortführung annahm und dafür Fachleute gewinnen konnte, die sich
rechtzeitig aus Hitlerdeutschland nach Israel gerettet hatten.[4]
Zunächst wurde 1963 Bd. 1 in einem um Nachträge und Korrekturen
vermehrten Reprint im Mohr-Verlag wieder zugänglich gemacht und mit
Bd. 2 in zwei Halbbänden fortgeführt.[5] Ab Bd. 2 gilt eine gegenüber
der ursprünglichen Planung von 1903 geänderte Epochengliederung und
auch die territoriale Begrenzung änderte sich: berücksichtigt ist
jetzt jede "Ortschaft ..., die im relevanten Zeitraum dem Deutschen
Reich zugehörte und in der mindestens ein deutsch (judendeutsch,
altjiddisch) sprechender Jude lebte"; zusätzlich berücksichtigt wurden
Böhmen und Mähren sowie die deutschsprachige Schweiz.
Die meisten der mit Bearbeiternamen gezeichneten Ortsartikel[6] sind
kurz; die längeren und die sehr langen (z.B. Prag, Worms) sind nach
einer einheitlichen Gliederung aufgebaut (von der im folgenden nur die
Hauptpunkte aufgeführt sind; Punkt 1 und 2 betreffen den Ort
allgemein, 3 - 13 beziehen sich auf die Juden): 1. Name und Lage des
Ortes; 2. seine Geschichte; 3. Siedlung; 4. Bevölkerung; 5. Wirtschaft
und Gesellschaft; 6. Innerjüdische Verfassung und Verwaltung; 7.
Kulturelle Leistungen; 8. Der Judenschutz der christlichen Obrigkeit;
9. Abgaben; 10. Wehrpflicht; 11. Die obrigkeitliche Gerichtsbarkeit
12. Gesellschaftliche und kulturelle Beziehungen zwischen Juden und
Christen; 13. Geschichte der lokalen Judenschaft. Im letzten Abschnitt
finden sich in einem Unterpunkt Biographien bedeutender Personen:
meist bestehen sie nur aus wenigen Zeilen, z.T. handelt es sich aber
um längere, faktenreiche Biographien, die z.T. von einem anderen
Bearbeiter als dem des Ortsartikels stammen. Jeder Artikel schließt
mit Angabe der Quellen, auf denen die Darstellung beruht und die zu
jedem Faktum angegeben sind; darauf folgt bei den längeren Artikeln
noch ein Literaturverzeichnis. Da die Angaben aus den genannten
Quellen gearbeitet sind, ergeben sich auch Korrekturen zu allgemeinen
topographischen Nachschlagewerken, so vor allem zu dem durchgängig
zitierten Deutschen Städtebuch und zu den Bänden des Handbuchs der
historischen Stätten Deutschlands,[7] die in nicht wenigen Fällen von
der Existenz jüdischer Bewohner berichten, ohne daß dies einer
Nachprüfung standhielte; d.h., daß hier Orte nicht berücksichtigt
werden, obwohl sie nach Angaben der beiden genannten Werke jüdische
Bewohner gehabt haben sollen. - Der 3. Teilband soll "Gebietsartikel"
(also solche für einzelne Territorien) sowie einen Artikel Deutsches
Reich enthalten, ferner Karten und Register. Letztere erst werden den
ganzen Reichtum dieses monumentalen Werkes erschließen, u.a. auch die
eingestreuten Biographien, die jetzt nur für den zugänglich sind, der
weiß, an welchem Ort eine bedeutende jüdische Persönlichkeit gewirkt
hat.
sh
- [1]
- Gallia Judaica : dictionnaire géographique de la France d'aprŠs les
sources rabbiniques / Henri Gross. [Traduit sur le manuscrit de
l'allemand par Moise Bloch.] - Réimpression de l'éd. originale, Paris
1897. Avec un suppl. bibliographique, additions et corrections / par
Simon Schwarzfuchs. - Amsterdam : Philo Press, 1969. - X, 766, 37 S. ;
23 cm. - ISBN 90-6022-023-4 (Hauptbd.) - ISBN 90-6022-901-0 (Supp.).
- Daß dieses Werk trotz der dem Reprint mit eigenem Titelblatt
angefügten Addenda und Corrigenda dringend unter Heranziehung aller
Quellen völlig neu bearbeitet werden müßte, kann man auch bei einem
Vergleich mit den Nachkriegsbänden der Germania Judaica ermessen.
(zurück)
- [2]
- Die ursprüngliche Gliederung sah folgende Epochen vor: 1. bis 1238;
2. 1238 - 1500; 3. 1500 - 1815.
(zurück)
- [3]
- Vgl. den Bericht über eine Tagung des Leo-Baeck-Instituts, in dem
über dessen Schwierigkeiten angesichts der demographischen und
forschungspolitischen Veränderungen in Israel berichtet, zugleich aber
ein in Deutschland festzustellendes "überraschendes Interesse an dem
Vermächtnis der deutschen Juden" konstatiert wird. Letzteres stellt
eine an sich nicht gerade neue Erkenntnis dar, wenn man die
zahlreichen Veröffentlichungen der letzten Jahre zu diesem Thema
bedenkt, die die hier besprochenen Bibliographien füllen: Neugier aufs
deutsche Judentum : das internationale Leo-Baeck-Institut erforscht in
Israel ein Tabuthema / Jörg Bremer. // In: Frankfurter Allgemeine. -
1995-04-06, S. 38.
(zurück)
- [4]
- Der Bearbeiter von Bd. 2, Zvi Avneri (1901 - 1967) arbeitete
bereits unter dem Namen Hans Lichtenstein am Jüdischen Lexikon (vgl.
IFB 95-1-052) mit, und der Bearbeiter von Bd. 3, Arye Maimon (1903
- 1988) wurde als Herbert Fischer in Breslau geboren.
(zurück)
- [5]
- Germania Judaica. - Tübingen : Mohr. - 24 cm
- Bd. 1. Von den ältesten Zeiten bis 1238. - 1963. - XLVIII, 559 S.
- ISBN 3-16-807412-8 : DM 128.00. - S. 541 - 559 Nachträge und
Verbesserungen zum photomechanischen Nachdruck.
- Bd. 2. Von 1238 bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts / hrsg. von Zvi
Avneri. - 1968. - Halbbd. 1 - 2. - XXXIV, 1000 S. - ISBN 3-16-828382-7
: DM 248.00
(zurück)
- [6]
- Orte, die bereits in Bd. 1 und/oder 2 vorkamen, sind
praktischerweise entsprechend markiert.
(zurück)
- [7]
- Vgl. IFB 95-3-473.
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