Von diesen Mängeln abgesehen, die zugegebenermaßen z.T. auch wohl nur
Quengeleien des Rezensenten sind, stellen beide Bände einen
beachtlichen Fortschritt gegenüber ihren Vorgängern dar. Der
Kunstführer Florenz ersetzt den alten, von Georg Kauffmann
bearbeiteten Band 3 (bzw. 3,1) von Reclams Kunstführer. Italien.[3]
Neuer Autor ist der Herausgeber dieser Reihe, der inzwischen
emeritierte Professor für Kunstgeschichte an der Universität Bochum,
Wolfgang Wundram. Da es wegen der völligen Neubearbeitung, die auch
die laufenden Veränderungen - "die beweglichen Kunstwerke der Stadt
sind seit Jahrzehnten zwischen Museen und Kirchen[4] auf der
Wanderschaft" (Vorwort, S. 5) - nach dem neuesten Stand
berücksichtigt, müßig ist, hier einen Vergleich zwischen beiden
Bearbeitungen anzustellen, sei lediglich darauf hingewiesen, daß der
neue Kunstführer Florenz nicht nur - wie sein Vorgänger - im Anhang
separat auch Fiesole behandelt, sondern zusätzlich im selben Anhang
einige weitere, wegen ihrer zahlenmäßig wenigen, z.T. aber
herausragenden Kunstdenkmäler häufig besuchte Orte der näheren
Umgebung berücksichtigt, nämlich Arcetri, Campi Bisenzio, Careggi,
Castello, Galuzzo und Poggio Imperiale (mit der Villa Medicea). Das
ist jedoch keine freundliche Dreingabe, sondern ein Zugeständnis
daran, daß der Band für die Toskana (ohne Florenz) nicht in gleicher
Ausstattung zur Verfügung steht. Da der Florenz-Band in seiner Anlage
weitestgehend dem Kunstführer Rom entspricht, der im folgenden
eingehender beschrieben wird, sei für die Formalia darauf verwiesen.
Der Kunstführer Rom stellt eine Neubearbeitung von Reclams
Kunstführer. Italien Bd. 5, Rom und Latium[5] dar. Dabei wurden die
Texte des 1983 verstorbenen Anton Henze von den an zweiter und dritter
Stelle genannten Autoren überarbeitet,[6] durchgehend aktualisiert,
partiell erweitert und durch neue Texte vermehrt; die Artikel, die von
den beiden als Mitarbeiter genannten Autoren stammen, wurden, soweit
sie sich auf die Antike beziehen, durch das Verlags-Lektorat
revidiert. Die Überarbeitung ist unterschiedlich tiefgreifend, jedoch
überall spürbar. Nur drei Beispiele seien herausgegriffen. S. Giuseppe
dei Falegnami: in der 4. Aufl. durch die Verwendung einer kleineren
Type als Denkmal minderer Bedeutung ausgewiesen, wurde der Artikel mit
minimalen Änderungen im Text beibehalten, doch durch die Verwendung
der normalen Type, die jetzt durchgehend gilt, den anderen Denkmälern
gleichgestellt. - Es folgt der Artikel S. Gregorio Magno al Celio mit
einem stärker veränderten Beitrag, gleichwohl unter Übernahme von
Textpassagen aus der Vorauflage. Neu hinzugekommen ist hier der
begrüßenswerte Passus über die nähere Umgebung auf dem Caelius
zwischen S. Gregorio Magno und SS. Giovanni e Paolo, die "als eine der
wenigen Zonen Roms noch zusammenhängende
spätantik-frühmittelalterliche Züge (bewahrt)". Wie in den Vorauflagen
(und in den anderen Bänden der alten und neuen Reihe) folgt ein in
kleinerer Type und kursiv gesetzter Passus zur Geschichte und
Baugeschichte, sodann ein Photo der von G. B. Soria stammenden Fassade
(bei dem Photo kommt durch die gewählte Position die Steilheit der
vorgelagerten Freitreppe nicht zur Geltung; die Verschandelung der
eindrucksvollen Situation durch ständig davor parkende Autos
entspricht dagegen der traurigen Realität). Die Beschreibung des
Inneren ist z.T. präzisiert, teils ergänzt (Erwähnung einer
Altarmensa mit Darstellungen aus der Gregorius-Legende in der rechten
Apsis); auch die Informationen zu den umliegenden Oratorien sind neu
strukturiert und ergänzt; die beiden jetzt als "leider stark
beeinträchtigt" charakterisierten, bedeutenden Malereien von
Domenichino und G. Reni werden (ebenso wie die bereits erwähnte
Fassade) durch einen fetten schwarzen Punkt am Rande als besondere
Sehenswürdigkeit markiert. - Das Oratorio del Gonfalone, das heute als
Konzertsaal dient und daher bei den gewöhnlich am Sonntagvormittag
stattfindenden Veranstaltungen zugänglich, sonst dagegen verschlossen
ist, wird jetzt wegen seiner eindrucksvollen Wanddekoration aus der
zweiten Hälfte des Cinquecento erfreulicherweise berücksichtigt,
während es in den Vorauflagen fehlte.
Die typographische Gliederung der Artikel in der Vorauflage (und in
den anderen Bänden der alten Reihe) in Äußeres und Inneres entfällt
durchweg, was nicht unbedingt von Vorteil ist, da sie der raschen
Orientierung dienlich und immer dann besonders erwünscht war, wenn man
wegen der drohenden, kurz bevorstehenden Mittagsschließung zunächst
das Innere und - nachdem der Küster die Besucher aus dem Tempel
vertrieben hatte - erst dann das Äußere besichtigte. Ansonsten ist
jedoch die Benutzbarkeit durchweg verbessert worden, so vor allem
durch Beseitigung von zwei seit eh und je als lästig empfundenen
Schwachpunkten der alten Reihe. So ersetzen jetzt die in die
Grundrisse bedeutender Gebäude eingezeichneten Nummern mit Verweisung
auf eine Legende die umständliche Wegbeschreibung im Text, dadurch
kann bei der Beschreibung der Ausstattungsstücke einfach auf die
Nummer verwiesen werden. Der andere Vorteil besteht darin, daß die
Bauwerke nicht nur mit ihrer Straßenadresse verzeichnet sind, sondern
daß jetzt zusätzlich ihre Lage auf den beigegebenen Karten durch
Angabe des Planquadrats bezeichnet wird. Auf den vorderen und hinteren
Innendeckeln und den Vorsätzen ist beide Male derselbe Stadtplan
abgedruckt: er reicht von der Moschee (diese ist, obwohl brandneu,
bereits berücksichtigt) im Norden der Stadt bis nach Casal Rotondo
ganz im Süden an der Via Appia und zeigt die Lage der wichtigeren
Denkmäler außerhalb der Innenstadt. Letztere ist in mehreren Karten
größeren Maßstabs dargestellt. Hier erweist sich ein Vorteil des
größeren Formats: zwar sind die Pläne der Innenstadt auf mehrere
Seiten verteilt, ersetzen jedoch den Faltplan der Vorauflage, dessen
Entfaltung nicht nur an windigen Tagen ausgesprochen lästig war. Die
Karten taugen zwar zur Orientierung, können aber bei der Begehung
keineswegs einen guten Stadtplan ersetzen.[7] Es würde jedoch die
Benutzung wesentlich erleichtern, wenn zu den auf diesen Karten farbig
eingezeichneten Objekten gleich die Seitenzahl genannt würde, auf
denen sie beschrieben sind, da man sich dann leicht an Hand der Karten
selbst einen Rundgang zusammenstellen könnte, ist doch die Anlage des
ganzen Bandes, von einer Ausnahme abgesehen, nicht topographisch,
sondern alphabetisch innerhalb von Objekten gleichen Typs.
Die Anlage entspricht weitgehend der der Vorauflagen: Rom selbst und
die Vatikanstadt werden getrennt behandelt, dazu, in einem kurzen
Kapitel, herausragende Ziele der Umgebung (Frascati, Olevano Romano,
Ostia, Palestrina und Tivoli). Der Rom gewidmete Hauptteil gliedert
sich in die Kapitel Antike Bauten; Sakralbauten; Profanbauten (mit
Plätzen, Brunnen und Stadthügeln); Museen und Sammlungen, und ordnet
innerhalb die Objekte im Alphabet, die sich auch über ein gut
organisiertes Objektregister gezielt ermitteln lassen, das außer
Einzeleintragungen auch Gruppierungen unter Bautypen enthält. Dazu
kommt ein Künstlerregister, dessen Benutzbarkeit dadurch verbessert
werden könnte, daß nicht nur die Seitenzahlen angegeben werden,
sondern - zumindest bei Künstlern mit vielen Nachweisen - auch die
sich dahinter verbergenden Objekte kurz bezeichnet werden.
An weiteren Beigaben sind zu nennen: Fachwort-Erläuterungen (vor den
Registern) und einleitend ein Geschichtlicher Überblick (S. 9 - 15),
beide bereits aus der Vorauflage bekannt, die auch eine Zeittafel
enthielt, doch wurde diese für die neue Auflage wesentlich erweitert
und dabei die politische und die Kulturgeschichte synoptisch
gegenübergestellt. Darauf folgt als Neuerung eine Liste der Könige und
Kaiser, während die Papstliste beiden Auflagen gemeinsam ist.
Völlig neu sind die Vorschläge für ein Rom-Besuchsprogramm mit einer
Liste der Hauptsehenswürdigkeiten, und zwar für ein Programm von drei,
fünf und acht Tagen, jeweils mit einleitender Lageskizze der zu
besuchenden Denkmäler; die Etappen für das achttägige Programm sind
sinnvoll und lassen sich nach Einschätzung des Rezensenten auch gut
bewältigen.[8] Es folgen systematische Übersichten unter den
Überschriften Römische Kunst nach Themengruppen bzw. nach Künstlern,
innerhalb chronologisch, bzw., bei den Künstlern zunächst nach
Kunstgattungen und sodann eine Chronologie der bedeutenden Kunstwerke
nach Gattungen. Es ist jeweils auch die Seite angegeben, so daß man
leicht zur Beschreibung des Objektes gelangt. Nicht eindeutig und,
soweit der Rezensent feststellen konnte, auch nicht erklärt ist die
Relation zwischen diesen in unterschiedlicher Weise herausgehobenen
Objekten und der Markierung mit dem schwarzen Punkt im Text. Während
die in der Liste der Hauptsehenswürdigkeiten aufgeführten Objekte
offensichtlich alle diese Markierung tragen, gibt es weitere, ebenso
markierte Objekte, ohne daß andererseits sämtliche in den
systematischen Übersichten erwähnten ebenso ausgezeichnet wären.
So begrüßenswert also die beiden neuen Bände inhaltlich sind, besteht
leider doch Grund zur Klage über den derzeitigen Zustand des
Gesamtkomplexes der Kunstführer aus dem Hause Reclam, die sich,
gemessen an den Verkaufszahlen, in der alten Form am Markt schwer tun.
Dem versucht der Verlag durch die neue Aufmachung entgegenzusteuern,
doch betrifft diese Neugestaltung bisher (und wohl grundsätzlich) nur
die großen Kunstzentren, während die anderen, in früheren Bänden
behandelten Regionen auf der Strecke bleiben. Das trifft z.B. im
vorliegenden Fall auf das in der Vorauflage im selben Band auf ca. 140
S. behandelte Latium zu, aus dem jetzt nur die wenigen genannten Orte
in den Anhang zum neuen Romführer übernommen wurden. Auch hat es der
Verlag leider nicht erreicht, bei den großen Ländern alle Regionen zu
bearbeiten. Lediglich die Länder der alten Bundesrepublik waren
sämtlich vertreten und es sieht nicht so aus, als ob die neuen
Bundesländer in den Gesamtplan einbezogen werden sollten. Nun kann man
sich bei aller Unterschiedlichkeit, die aber nicht zuletzt zur
Daseinsberechtigung von Reclams Kunstführer. Deutschland beitrug,
damit trösten, daß es für Deutschland und Österreich den Dehio gibt.
Das gilt jedoch weder für die Schweiz, noch gar für Frankreich,
Italien und Spanien, für die nichts Vergleichbares zur Verfügung
steht. Keines dieser zuletzt genannten Länder wurde von Reclams
Kunstführern in Gänze behandelt, und es steht zu befürchten, daß die
noch ausstehenden Bände nie erscheinen werden, so wie einzelne
Teilbände inzwischen nicht mehr lieferbar sind.[9] Einzelbände für
andere Länder (Dänemark, Finnland, Schweden)[10] sowie der exzellente
Band für Istanbul sind inzwischen im Ramsch gelandet und beim Verlag
nicht mehr lieferbar. Letzteres trifft auch für Reclams Kunstführer.
Österreich bzw. Reclams Kunstführer. Schweiz und Liechtenstein zu. Als
Ersatz für fehlende Handbücher vom Dehio-Typ hatten Reclams
Kunstführer für die nicht deutschsprachigen Länder eine nicht zu
ersetzende Funktion, die auch von Kunsthistorikern in den betroffenen
Ländern anerkannt wurde.
sh
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