Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus: Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 3(1995) 4
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Verbotene Druckschriften in Deutschland
- 95-4-503
-
Verbotene Druckschriften in Deutschland : eine
Dokumentation / hrsg. von Herbert Birett. - Vaduz :
Topos-Verlag. - 28 cm
- [3036]
- Bd. 1. Die Sozialistengesetze 1878 - 1918. - 1987. - XVI,
528 S. - ISBN 3-289-00332-2 : SFr. 150.00
- Bd. 2. Schmutz und Schund. - 1995. - Getr. Pag. - ISBN
3-289-00671-9 : SFr. 180.00
Um mit dem neuesten Band dieser bibliographischen Reihe über die
Bücherzensur in Deutschland zu beginnen: er besteht zum überwiegenden
Teil aus Reprints, und zwar von drei kurzen Erlassen, die die
Bekämpfung von "Schund- und Schmutzschriften" zum Gegenstand haben,
sowie des sog. Polunbi-Katalogs[1] in der 2. Aufl. von 1926 und seiner
beiden Nachträge von 1929 und 1936. Da diese Verzeichnisse als Geheim!
Nur für den amtlichen Gebrauch! deklariert waren, sind Originale nur
ausnahmsweise in öffentliche Bibliotheken gelangt, so in die Hessische
Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt (nicht:
Universitätsbibliothek, wie es auf S. 9 fälschlich heißt), doch
besitzen auch andere Bibliotheken Exemplare, wenngleich häufig als
Xerokopie. Daß diese drei Kataloge "hier zum ersten Mal öffentlich
zugänglich gemacht" werden (S. 9), stimmt so natürlich nicht, da für
die beiden Nachträge bereits Reprints mit neu erstellten Registern
vorliegen.[2] Außer dem Reprint des Grundwerks des Polunbi-Katalogs
liegt der Wert des vorliegenden Bandes vor allem in dem mit Hilfe der
EDV neu erstellten, für alle drei Teile gemeinsamen Register. Da die
"Titelaufnahmen" in den Katalogen diesen Namen nicht verdienen, ist
die Suche nach bestimmten Titeln äußerst schwierig; andererseits
bringt diese Situation auch viele Probleme für das Register mit sich,
die dieses nur zum Teil lösen kann. Das Register zitiert die einzelnen
Titel in folgender Form: Jahr der Indizierung, Grundwerk bzw. Nachtrag
1 oder 2, Seite und laufende Nummer (diese beginnt auf jeder Seite mit
1, doch muß sie der Benutzer selbst durch Auszählen ermitteln, da die
Titel in den Originalen nicht numeriert waren). Von den nicht weniger
als 14 (mit Unterformen sogar 17) Registern[3] seien nur die wichtigsten
erwähnt: Autoren, Verlage, Sachtitel (einschließlich Untertiteln
etc.), Orte (untergliedert nach Verlagsorten, sowie Orten der
verbietenden bzw. der freigebenden Behörde, erwähnte Orte).
Interessant, wenngleich wegen viel zu langer Listen nur schwer
benutzbar, sind das Register für spezielle Publikationsformen sowie
das Register der Verbotsgründe: letzteres bietet zwar keinen Nachweis
über die im allgemeinen Sinne "unzüchtigen" Schriften, sondern
berücksichtigt nur gewisse, aus dem Titel ableitbare Formen; auffällig
sind dagegen die langen Listen unter Schlagwörtern wie Abtreibung,
Familienplanung, Homosexualität, Lesbierin, Nacktheit,
Religion/Esoterik sowie Sexuelle Aufklärung. Die heutigen Nachfahren
der damaligen Deutschen Zentralstelle zur Bekämpfung unzüchtiger
Bilder, Schriften und Inserate bei dem Preußischen Polizeipräsidium in
Berlin würden sich freuen, wenn sie nur mit dergleichen zu tun hätten.
Ein Blick in die monatliche Liste der indizierten Medien zeigt den
"Fortschritt" auf diesem Gebiet.
Ein kurzer Rückblick auf Bd. 1 der Reihe sei angeschlossen, in der in
nicht vorhersehbarer Abfolge Komplexe verbotener Schriften
nachgewiesen werden sollen.[4] Er verzeichnet die im Deutschen
Reichsanzeiger, in anderen Amtsblättern bzw. in handschriftlichen
Listen festgehaltenen Verbote von Druckschriften sozialdemokratischen
und anarchistischen Inhalts, die auf Grund des "Gesetzes gegen die
gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie. Vom 21. Oktober
1878" (das "Sozialistengesetz" ist auf S. 521 - 528 reproduziert)
erlassen wurden. Die formalisierten Titelaufnahmen nennen: Fundstelle
in den amtlichen Quellen sowie in der einschlägigen Bibliographie von
Atzrott,[5] Namen (differenziert nach Autoren sowie Personen in anderer
Funktion); Titel aller Art; Zensurentscheidung; Orte
(Verlags-/Druckorte; erwähnte Orte; Ort der Zensurbehörde); Sprache;
Beruf; Verbotsgrund. Daß die Angaben nicht genauer sein können, als
sie in den ausgewerteten Quellen erscheinen, liegt auf der Hand. Die
zahlreichen Register basieren auf den genannten Angaben.
sh
- [1]
- Der volle Titel lautet: Verzeichnis der auf Grund des 184 des
Reichsstrafgesetzbuchs eingezogenen und unbrauchbar zu machenden sowie
der als unzüchtig verdächtigen Schriften : (Polunbi-Katalog).
(zurück)
- [2]
- Erotische Literatur in Deutschland, 1926 - 1929 : der 1. Nachtrag
zum Polunbi-Katalog ; mit einem Register / hrsg. von Walter v. Murat.
- Hamburg : Bell, 1992. - 104 S. - (Arcana bibliographica ; 11).
- ISBN 3-923308-68-X.
- Erotische Literatur in Deutschland, 1928 - 1936 : Ergänzungen zu
Hayn-Gotendorf / hrsg. von Walter v. Murat. - Hamburg : Bell, 1986.
- 158, XXXII S. - (Arcana bibliographica ; 7). - ISBN 3-923308-52-3.
- Die römisch paginierten Seiten enthalten ein auf dem Titelblatt
nicht
erwähntes, neu erstelltes "Personennamenregister zum Polunbi-Katalog,
2. Nachtrag 1936".
(zurück)
- [3]
- Leider scheinen die Register nicht ganz zuverlässig zu sein. Bei
einer ersten und einzigen Stichprobe mit dem Namen Aretino fanden sich
zwar die auf S. 175 des Grundwerks verzeichneten Titel im Register
wieder, nicht dagegen die auf S. 75 (Nr. 8 - 10) stehenden.
(zurück)
- [4]
- S. IX nennt: "Sachsen, Erster Weltkrieg, Weimarer Republik,
Polnische Literatur, Sonstige." Ein paar erklärende Worte für die
nicht mit der Materie Vertrauten hätte sich der Verfasser ruhig
abringen können.
(zurück)
- [5]
- Sozialdemokratische Druckschriften und Vereine / Otto Atzrott.
- 1886. - Nachtr. 1888. - Reprint 1971.
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