Der Ausstellungskatalog übernahm zur Einführung Windfred Kaminskis Aufsatz Kinderbücher im Exil, der bereits 1990 in der Geschichte der deutschen Kinder- und Jugendliteratur[1] erschienen war. Beigegeben ist eine aufschlußreiche Dokumentation Kinder im Exil - Situation des Exils und ein Beitrag über das Leben (Lesen) im Versteck, der vorrangig Anne Franks Tagebücher auswertet.
Die Bibliographische Zusammenstellung berücksichtigt 58 Autoren und 6
Illustratoren mit über 320 Titeln. Die Zusammenstellungen beginnen mit
den biographischen Angaben zur Person sowie deren Weg ins bzw. im
Exil. So findet man es bereits in der Bio-Bibliographie von
Sternfeld/Tiedemann,[2] dort allerdings noch mit Angaben über eventuelle
Rückkehr der Exilierten. Erfreulich ist aber, daß im
Ausstellungskatalog fast dreiviertel der Personen Porträts mit Angabe
der Bildvorlage beigegeben sind.
Absolute Vollständigkeit wird man bei der Schwierigkeit der Recherchen
in diesem Bereich kaum erreichen können. Dennoch verwundert es, daß
gerade ein nach dem Krieg so erfolgreicher Kinderbuchautor wie
Friedrich Rosenfeld (Ps. Friedrich Feld) nicht verzeichnet ist. Bei
Sternfeld/Tiedemann sind zwei seiner Titel als Kinderbücher
gekennzeichnet. Doch sind dort nicht alle Kinderbücher auch als solche
ausgewiesen. Einige fehlen ganz. Somit ist die erste separate
Bibliographische Zusammenstellung doch eine wertvolle Ergänzung. Nicht
nur, daß der Aspekt Kinder- und Jugendliteratur herausgehoben wurde
und die Werkbibliographien z.T. ergänzt werden, es kommen auch
Autorinnen hinzu, die bei Sternfeld/Tiedemann noch fehlten: Elsa
Margot Hinzelmann, Mira Lobe, Maria Osten, Ruth Rewald und Margarete
Steffin. Das bewegende Schicksal der letzten drei verdeutlicht die
tödlichen Gefahren des Exils: Maria Osten wurde 1942 als angebliche
Spionin in Moskau erschossen; Ruth Rewald wurde im selben Jahr von
Frankreich nach Auschwitz verschleppt und ist dort umgekommen;
Margarete Steffin starb auf der Flucht mit Bertolt Brecht von Finnland
in die USA in Moskau.
Bei der Kinderliteratur ist es wichtig, daß deren Illustratoren nicht
übergangen werden. Sternfeld/Tiedemann verzeichnet sie nur, wenn sie
auch geschrieben haben und dann nur mit diesen Werken. Gerade einigen
dieser Illustratoren wie Fritz Eichenberg, Fritz Kredel oder Walter
Trier[3] gelang es auch im Exil, zahlreiche Bücher für Kinder zu
illustrieren. Hier hätte auch Heinrich Vogeler Worpswede aufgenommen
werden müssen. Eine von ihm illustrierte Sammlung ist mit Erwähnung
seines Namens aufgeführt. Da es keine Register gibt, ist die
Entdeckung seiner Illustrationstätigkeit Zufall. Ebenso steht es mit
den Beiträgern dieser Sammlung. Diese sind zwar meist mit einer
eigenen Titelzusammenstellung im Katalog vertreten, ihr unter einem
Pseudonym veröffentlichter Beitrag ist dort aber nicht verzeichnet.
Die Beschäftigung mit jüdischer Kinder- und Jugendliteratur datiert
erst aus neuerer Zeit. Im vierbändigen Lexikon der Kinder- und
Jugendliteratur[4] fehlt selbst im Register des 1982 erschienenen
Ergänzungsbandes der Begriff Jüdische Kinderliteratur. Eine eigene
Buchproduktion für jüdische Kinder gab es zwar schon vor 1933 aber sie
war verhältnismäßig gering. Theodor Brüggemann schreibt, daß sie
eigentlich erst "unter den Sonderbedingungen jüdischer Existenz im
nationalsozialistischen Deutschland entstanden ist und eine
spezifische, von den politischen Umständen provozierte Funktion zu
erfüllen hatte. Jüdische Existenz in Deutschland nach 1933 aber
bedeutete in sich verstärkender Weise: Ausschluß aus dem allgemeinen
literarischen und kulturellen Leben in Deutschland, gewaltsame
Ausgrenzung und dadurch erzwungene Einengung mit Blick auf jüdische
Tradition, jüdische Kultur und auch auf eine jüdische Existenz
außerhalb Deutschlands." Die jüdische Kinder- und Jugendliteratur, die
von 1933 bis 1938 entstand, ist ganz auf diese Ziele ausgerichtet und
unterscheidet sich daher grundsätzlich von der gleichzeitigen
deutschen Kinder- und Jugendliteratur.
Der Ausstellungskatalog verzeichnet 121 jüdische Kinder- und
Jugendbücher von rund fünfzig Autoren. Alle Titel sind korrekt
verzeichnet. Diese Bibliographie ist besser angelegt als die der
Exilliteratur. Die Titel sind durchgezählt. Herausgeber, Bearbeiter,
Illustratoren und Pseudonyme sind im Autoren- und Sachtitelalphabet
eingeordnet, von ihnen wird verwiesen. Diese Verweisungen fehlen
leider bei der Bibliographie der Exilliteratur. Dort werden die
Pseudonyme nur bei den biographischen Angaben zur Person aufgeführt
bzw. aufgelöst. In den Fußnoten zu den einzelnen Titeln der jüdischen
Kinderliteratur werden die Fundstellen in der benutzten
Sekundärliteratur zitiert. Bei der Exilliteratur erfolgt nichts
dergleichen. Bei der jüdischen Kinderliteratur hätte man sich
lediglich noch biographische Angaben wie bei der Exilliteratur
gewünscht, um etwas über das Schicksal der Autoren zu erfahren.
Den Bearbeitern der Ausstellung erschien der Exkurs in die Thematik
der jüdischen Kinder- und Jugendliteratur in Deutschland "notwendig,
da diese bei der Vorbereitung auf die Emigration (wenn auch
ausschließlich auf Palästina bezogen) eine außerordentliche Rolle
gespielt hat." Es erstaunt deshalb, daß keine Querverbindung zur
Bibliographie der Exilliteratur gezogen wurde. Gab es Autoren
jüdischer Kinderliteratur, die auch noch im Exil Kinderbücher
publizieren konnten? Kurt Löwenstein taucht in beiden Bibliographien
auf. War er der einzige? Das fehlende Register der Exilliteratur
erschwert den Vergleich.
Die am Ende des Ausstellungskatalogs aufgeführte Sekundärliteratur
wirkt recht zufällig. Die profunde Arbeit von Theodor Brüggemann[5]
sowie der von Heinrich Pleticha bereits 1985 herausgebene einschlägige
Sammelband[6] fehlen und die Bio-Bibliographie von Sternfeld/Tiedemann
wird überhaupt nicht erwähnt.
Der Ausstellungskatalog ist mit zahlreichen Photos aus
Kinderbuchverfilmungen und Beispielen von Buchillustrationen,
Einbänden und Buchumschlägen gut ausgestattet. Es ist wichtig, daß die
Ausstellung mit ihren Texten und Bibliographien in einem Katalog
festgehalten wurde. Beide Bibliographien vermitteln einen Eindruck vom
Bemühen sowohl der jüdischen wie der ins Exil getriebenen Autoren, der
nazistischen oder indifferenten Kinderliteratur eine positive
Literatur entgegenzusetzen. Für die Erforschung der Geschichte der
Kinder- und Jugendliteratur der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts
sind die beiden Bibliographien wichtige Grundlagen.
Heinz Wegehaupt
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