Unter dem Titel: Pfui ! ruft da ein jeder ..., dem bekannten Vers aus dem "truwwelpeter, zeugt nun ein aufwendig gestalteter Katalog von einer Ausstellung aus dieser Sammlung, die erstmals 1989 in Göttingen und dann an verschiedenen anderen Orten gezeigt wurde. Aus einem Bestand von 1500 Kinderbüchern, hauptsächlich vor 1914 erschienen, wurde eine Auswahl von rund 200 Büchern so getroffen, "daß Epochen, Gattungen und Strömungen möglichst vielfältig vertreten sind". Die zehn Gruppen, "aus ausstellungsdidaktischen nicht nur aus systematischen Erwägungen" gebildet, bieten einen Querschnitt durch die Geschichte der Kinderliteratur. Die Überschriften der Gruppen wie 3. Nützliches Vergnügen. Realienbücher, Abecedarien, Bildergalerien; 4. Sommerblumen für die Winterzeit. Erzählungen, Märchen und fremde Geschichten; 7. Deutsche Treue ... Patriotische Bücher; 8. Bücher für getreue kleine Mädchen und junge Frauenzimmer; 9. Pfui, ruft da ein jeder. Lustige Warn- und Strafgeschichten vermitteln zum Teil schon die Richtung der Auswahl. Mehrere Aufsätze, als Einführung gedacht, beschäftigen sich exemplarisch mit einzelnen Büchern oder mit zentralen Aspekten der Kinderliteratur. Hervorzuheben ist hier der Beitrag über "Kindheitsbilder in alten Kinderbüchern" von Wolfgang Wangerin, der auch für Ausstellung und Katalog verantwortlich zeichnet, sowie die Einführung zum geschichtlichen Jugendbuch "Herrliche Gemälde deutscher Größe" von Günter Lange.
Im Katalogteil sind dem größten Teil der Gruppen außerdem noch thematische Einführungen vorangestellt. Alle Titel sind inhaltlich kommentiert, so daß eine Fülle von Informationen geboten wird. Die Aufsätze, Einführungen und Kommentare vermitteln so ein anschauliches Bild von der Kinderliteratur zweier Jahrhunderte. Die Titel selbst sind exakt verzeichnet. Die Titelblätter vor 1800 erschienener Bücher sind buchstaben- und interpunktionsgetreu erfaßt und sogar der Zeilenbruch ist kenntlich gemacht. Die Titel sind mit Nachweisen auf andere Bibliographien versehen. Erwähnenswert sind das Verfasser-, Herausgeber-, Mitarbeiterregister und das Illustratorenregister, vermerken sie doch, wo ermittelbar, auch Lebensdaten und Berufe der Genannten. Ein Verzeichnis der Fachliteratur nennt ca. 200 Titel.
Besondere Aufmerksamkeit wurde den Illustrationen gewidmet. 100 Abbildungen, davon 62 in Farbe und zum Teil ganzseitig, schmücken den Katalog. Neben der Beschreibung der Ausstattung und der Kommentierung der Illustrationen bei einzelnen Titeln im Anschluß an die Titelwiedergabe werden noch zwei Hilfestellungen geboten. Es gibt einen "Knappen Abriß der bekanntesten Buchillustratoren in zwei Jahrhunderten" von Angelika Bochem und "Anmerkungen zu den wichtigsten Drucktechniken". Das ist eine wichtige Zutat, die noch mehr Verständnis für die in Katalogen oft nur als bunten Schmuck verwendeten Kinderbuchillustrationen wecken wird, haben doch namhafte Künstler auch für Kinder illustriert.
Der Katalog vermittelt eine gute Vorstellung von der Reichhaltigkeit der Vordemann-Sammlung. Alles was Rang und Namen hat in der Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur ist vertreten. Von Comenius über Campe, Pocci, Nieritz, Spyri, Kreidolf und Ury reicht die Palette. Diese Kinderbücher sind auch durch andere Publikationen bekannt. Interessanter sind vielleicht die Titel, für die kein bibliographischer Beleg gefunden werden konnte. Das betrifft rund ein Viertel der verzeichneten Titel; sie dürften in der Geschichte der Kinderliteratur bisher unbekannt geblieben sein. Es läßt sich vermuten, daß noch so manches seltene Kinderbuch in der Vordemann-Sammlung steckt. Man kann deshalb nur wünschen, daß die Arbeitsgruppe der Ausstellung ihr Ziel erreicht, "eine Bibliographie des Gesamtbestandes zu erstellen".
Wien