3. Beobachtungen zum digitalisierten Wörterbuch : Versuch eines Fazits
Angesichts der zahlreichen getesteten digitalisierten Wörterbücher und des recht langen Zeitraums, in dem der Referent sich immer wieder auch mit den Unterschieden zwischen gedruckten und digitalisierten Wörterbüchern befaßt hat, sei hier ein kurzes Fazit erlaubt, das auch Erfahrungen mit anderen als den hier besprochenen Produkten einbezieht.
3.1 Unübersichtlichtlichkeit des Marktes
Der ohnehin unübersichtliche Wörterbuchmarkt ist durch die rasch wachsende Verbreitung digitalisierter Wörterbücher noch unüberschaubarer geworden. Ob sich die Anschaffung eines als neu gekennzeichneten Produktes wirklich lohnt, inwieweit man hinter Etikettierungen wie "new edition", "neubearbeitete Ausgabe", "Neubearb. Nachdr.", "revised edition" oder - noch verlockender - "completely revised edition" substantielle Veränderungen erwarten darf, diese Fragen, angesichts der Beurteilung von Print-Wörterbüchern schon schwierig genug, sind bei der Evaluation digitalisierter Wörterbücher noch schwerer zu beantworten. Neben der raschen Folge von Neuauflagen und -ausgaben, die diese Bezeichnung nur bei größtem Wohlwollen verdienen, schafft die Tendenz zur digitalisierten Zusammenführung mehrerer Wörterbücher auf einer CD-ROM zusätzliche Schwierigkeiten, wenn man die tatsächliche Aktualität des - oft hochgepriesenen - Produktes bewerten will.
3.2 Ungenügende Benutzer-Information
Die Unübersichtlichkeit wird noch durch den Umstand verstärkt, daß viele Wörterbuchverleger und -hersteller mit nutzerfreundlichen Instruktionstexten geizen. Es kommt vor, daß den Disketten keine Begleitbroschüren, den CD-ROMs keine Booklets beigegeben sind. Instruktionstexte liegen dann nur digitalisiert vor, etwa in Form von LIESMICH- oder README-Dateien. In einigen Fällen sind sie so schludrig redigiert, daß sich der groteske Gedanke aufdrängt, die Produzenten elektronischer Medien seien so sehr vom Primat des gedruckten Wortes überzeugt, daß sie an die Redaktion des digitalisierten Wortes nur wenig Mühe verschwenden sollten. In anderen Fällen sind die Informationen in hohem Maße disloziiert: Einige Informationen finden sich in einer Broschüre oder einem Booklet, andere in Hilfsdateien, zusätzliche gar noch auf dem CD-ROM-Behältnis. Der Nutzer muß sie zusammenführen und entdeckt dabei, daß die verschiedenen, ihm angebotenen Texte durchaus auch von verschiedenen Mentalitäten geprägt sein können: etwa denen der Programmierer, denen der Lexikonredakteure.
3.3 Unzureichende Informationsdidaktik
In den Begleittexten der digitalisierten Wörterbücher wurde bislang auch die informationsdidaktische Chance vertan, in einige grundlegende Probleme des Retrievals einzuführen und den Nutzer somit mit grundlegenden Konzepten der Informationsgewinnung und -wertung vertraut zu machen. Termini wie Boole'sche Operatoren oder Trefferquote, Nachweis-, Relevanz- oder Ballastquote fehlen in den Instruktionstexten fast vollständig.
3.4 Problematik der Paratexte
Schon immer haben die Paratexte der Wörterbücher (Vorwort, Abkürzungsverzeichnis, kurze Einführung in die Grammatik der jeweiligen Sprache etc.) dem Wörterbuchnutzer besondere Probleme bereitet, da sie oft genug eher beliebige Zusätze dargestellt haben. In den digitalisierten Wörterbüchern drohen diese Paratexte - aufgrund der hierbei im Unterschied zum Hauptteil des Wörterbuchs leider nur allzu oft geringeren (redaktionellen) Mühewaltung - eher noch problematischer zu werden. 3.5 Primäres Bewertungskriterium ist die Qualität des Wörterbuches
Gerne rühmen Hersteller digitalisierter Wörterbücher kommode Funktionen ihrer Produkte wie die Zwischenablage oder Extras wie Reisewörterbücher oder Vokabeltrainer, mit denen auch die Lust am Bild oder der Spieltrieb angesprochen werden. Für die bibliothekarische Kaufentscheidung hingegen muß die Qualität des jeweils vorliegenden Standardwörterbuchtextes den Ausschlag geben.
3.6 Unbefriedigender Zustand der Wörterbuchkritik
Unübersichtlichkeit des Marktes, Vielfalt des Angebots, fragwürdige
verlegerische Strategien und Profitstreben der Anbieter, Ratlosigkeit
vieler Kunden, eine fehlende informationsdidaktische Diskussion:
Angesichts dieser negativen Rahmenbedingungen ist eine Evaluation von
Wörterbüchern dringend vonnöten; leider wird sie vielerorts
verweigert. Vertreter der professionellen Metalexikographie scheuen
häufig die geduldige, der eigenen Karriere kaum förderliche
Kleinarbeit
der detaillierten Wörterbuchbesprechung. Lexikographen, die eigene
Wörterbücher erstellen, finden wohl nur in Ausnahmefällen Zeit, die
Wörterbücher der Kollegen zu bewerten. Überdies werden digitalisierte
Wörterbücher in den Besprechungsteilen einschlägiger Zeitschriften
weit weniger rezensiert als die meist noch vertrauteren
Print-Wörterbücher.[1] Bibliothekare, einer tradierten Affinität zum
Bibliographischen folgend, kümmern sich auch heute noch eher um die
Beurteilung bibliographischer Nachschlagewerke und vernachlässigen
darüber u.a. weiterhin die Auseinandersetzung mit dem Wörterbuch als
einem der wichtigsten Typen von Nachschlagewerken. Die einschlägigen
PC-Zeitschriften, die oft ihre primär kommerziellen Interessen kaum zu
verstecken trachten, stellen digitalisierte Wörterbücher nur selten
und nur unzureichend vor: Die Besprechungen, die häufig jegliche
lexikographische und lexikologische Kompetenz vermissen lassen,
schenken formalen Rahmenbedingungen wie dem Speicherplatz oder der
- oftmals geradezu fetischisierten - Antwortzeit ungebührlich große
Aufmerksamkeit, ignorieren weitgehend die inhaltlichen Aspekte der
jeweiligen Wörterbücher.
3.7 Bewertungskriterien
Bei der Evaluation von Wörterbüchern sind stets ebenso inhaltliche wie
formale Kriterien zu berücksichtigen. Zu den inhaltlichen Kriterien
zählen beispielsweise die Adressatenadäquatheit, die Inklusivität des
Wörterbuchs, die Aktualität der Lemmata, die Verständlichkeit der
Definitionen oder das Ausmaß, in dem zusätzliche Informationen (zur
Grammatik, Etymologie, stilistischen Markierung u. a.) bereitgestellt
werden. Die Konsequenz der Ordnungsmerkmale, die Existenz von
Konsultationshilfen wie z. B. Kolumnentitel oder die Eindeutigkeit,
visuelle Stringenz, Verläßlichkeit und Verständlichkeit
typographischer Markierungen stellen wichtige formale Kriterien dar.
Mit der Digitalisierung von Wörterbüchern wächst noch die Bedeutung
des Informationsdesigns (Übersichtlichkeit des Einzelartikels,
Bildschirmaufbau), kommen weitere formale Kriterien erstmals ins
Spiel: Schwierigkeitsgrad der Installation, Transparenz der Menüs,
Motiviertheit der Icons u.a.
3.8 Abhängigkeit von der technischen Ausstattung
Wie jedes gedruckte Buch ist auch das Print-Wörterbuch ein mobiler,
ubiquitär nutzbarer Informationsspeicher, der, von gelegentlichen
druck- oder bindetechnischen Pannen abgesehen, in all seinen
Exemplaren identisch ist. Die Beurteilung von Print-Wörterbüchern
vollzieht sich gerätelos, im wesentlichen situationsneutral und
unabhängig vom jeweils genutzten Exemplar. Von Instruktionsdateien mit
unterschiedlichem Updating einmal abgesehen, sind wohl auch
digitalisierte Wörterbücher in ihren einzelnen Exemplaren (Diskette,
CD-ROM) tendenziell identisch. Deren Evaluation ist jedoch durchaus
geräteabhängig, insbesondere wenn PC- und speicherplatzabhängige
Parameter wie z. B. Antwortzeiten eine Rolle spielen.
3.9 Beachtung wörterbuchspezifischer und -typologischer Fragen
Die Bewertung digitalisierter Wörterbücher darf sich nicht allein an
den Universalien EDV-gestützter Informationsmittel wie nicht-linearen
Zugriffen, miniaturisiertem Speicher u.a. orientieren, sondern muß
sich stärker als bislang genrespezifischen Fragen widmen. Welche
Nachschlagehandlungen werden in Wörterbüchern vollzogen? Wie
unterscheiden sich diese Handlungen, je nachdem ob man
Print-Wörterbücher oder digitalisierte Wörterbücher konsultiert? Wenn
es gilt, Unterschiede zwischen Print-Wörterbüchern und digitalisierten
Wörterbüchern differenziert zu markieren, sind wörterbuchtypologische
Spezifizierungen dringend erforderlich. Bildwörterbuch,
Zitatenwörterbuch, etymologisches Wörterbuch, Fremdwörterbuch,
Stilwörterbuch, Rechtschreibungswörterbuch, einsprachiges Wörterbuch,
mehrsprachiges Wörterbuch: für all diese Wörterbuchtypen müssen
genrespezifische Differenzen bestimmt werden.
3.10 Offensichtliche Qualitätsunterschiede
Evaluation bedeutet im vorliegenden Fall für den Rezensenten aber
auch, daß ausnahmsweise mit seltener Eindeutigkeit Stellung bezogen
werden kann. Auf dem deutschen Markt stellt die PC-Bibliothek mit
ihren verschiedenen Einzelprodukten die zur Zeit ausgereiftesten
digitalisierten Wörterbücher bereit. Das Qualitätsgefälle zu den
anderen hier besprochenen Wörterbüchern von Bertelsmann und Klett ist
in der Tat ungewöhnlich groß.
3.11 Digitalisierung nur bei Großwörterbüchern sinnvoll
Die oft zu Recht genannten Vorteile der Digitalisierung des
Wörterbuchs - vor allem miniaturisierter Speicher und Möglichkeit der
Freitextsuche - kommen erst bei Wörterbüchern mit umfangreichem
Lemmabestand voll zum Tragen. Bei Wörterbüchern mittleren Umfangs
werden die Vorzüge des EDV-basierten Zugangs schnell in Frage
gestellt. Bei sehr kleinen Wörterbüchern, die vielleicht noch von
geringem Professionalisierungsgrad sind, mag die Digitalisierung im
schlimmsten Fall sogar lächerlich und allenfalls durch
kommerzielle Interessen oder technologische Versuche der Verleger
motiviert sein. Ohnehin gelangt manches primär zu
Demonstrationszwecken auf den Markt oder dient dazu, diesen zu
testen.
3.12 Diskrepanz zwischen Aktualität des Mediums und potentieller
Veraltung des Lemmabestandes
Digitalisierte Wörterbücher profitieren von der Aura des neuen Mediums
und suggerieren Aktualität: ein Versprechen, das durch die Lemmata des
jeweiligen Wörterbuchs mitnichten eingehalten werden muß. In diesem
Zusammenhang mag es im übrigen erstaunen, daß angesichts der
zahlreichen online angebotenen bibliographischen Datenbanken kaum von
online anzubietenden Wörterbüchern die Rede ist.
3.13 Digitalisierte Wörterbücher unter Windows
Die meisten der zur Zeit in Deutschland gängigen digitalisierten
Wörterbücher laufen unter Windows, das, lange Zeit nur als Spielwiese
für Sekretärinnen belächelt, allerorts gewaltigen Zuwachs erzielt.
Digitalisierte Wörterbücher, die Windows-gängig sind, nutzen die
Vertrautheit vieler PC-Besitzer mit dieser weit verbreiteten Software,
die einige maßgebliche Vorteile aufweist: starke Affinität zum
vertrauten Schreibtisch (Konzept des "virtuellen Schreibtisches"),
Graphik-Komponente (für Bildwörterbücher und Bildanteile anderer
Wörterbuchgenres unverzichtbar), hoher Ikonisierungsgrad sowie
Multitasking-Eigenschaften.
3.14 CD-ROM statt Disketten
Noch werden viele digitalisierte Wörterbücher zugleich auf CD-ROM und
auf Diskette angeboten. Doch wird der Anteil der CD-ROM basierten
Wörterbücher weiter wachsen und entsprechend der Anteil der
diskettenbasierten Wörterbücher sinken. Diese Entwicklung wird
wesentlich begünstigt durch den günstigeren Speicherraum und die
sinkenden Herstellungskosten der CD-ROM.
3.15 Anpassung des Informationsdesigns an die Erfordernisse
digitalisierter Wörterbücher
Zu diskutieren wäre auch die Frage, ob die Hersteller digitalisierter
Wörterbücher die Eigengesetzlichkeiten des neuen Mediums bereits
vollends erkannt haben und ob nicht auch Struktur, Aufbau und
Informationsdesign des Wörterbuchs stärker dem neuen Medium angepaßt
werden sollten. Ein unscheinbares, vielleicht peripheres Beispiel: Wer
Sinti (Pl.) nachschlagen will, findet dieses Wort nur unter dem weit
seltener gehörten oder gelesenen Lemmawort Sinto (Sg.). Da im
herkömmlichen Lexikonartikel dem Lemmawort Sin³to der grammatische
Hinweis auf den entsprechenden Plural in verkürzter Form ...ti folgt,
ist eine Freitextsuche mittels Sinti nicht möglich. Selbstverständlich
gelangt man sowohl durch Trunkierung als auch mittels inkrementeller
Suche zu der gewünschten Information. Wäre aber eine Ausschreibung
grammatisch abhängiger Formen im Dienste einer voll nutzbaren
Freitextsuche nicht dem neuem Medium angemessener?
3.16 Variable Schriftgestaltung bei digitalisierten Wörterbüchern
Die Möglichkeit der flexiblen Einstellung von Schriftarten und
Schriftgraden bei der Konsultation von Wörterbucheintragungen stellt
einen zu selten erwähnten, aber nicht zu unterschätzenden Vorteil
digitalisierter Wörterbücher dar. So bietet beispielsweise eine
Einstellungsoption von bis zu 36-Punkt in der PC-Bibliothek
Sehbehinderten die Option einer weit komfortableren Nutzung, als sie
ihnen das übliche, gedruckte Wörterbuch gewährt. Überdies können
Textsegmente, auf größere Schriftgrade eingestellt, ausgedruckt weit
bequemer zu Lehr- und Präsentationszwecken genutzt werden als nicht
modifizierte Kopien aus gedruckten Wörterbüchern.
3.17 Ungelöste bibliothekspolitische Fragen beim Angebot
digitalisierter Wörterbücher
Großwörterbücher wie das Oxford English dictionary oder Le Robert
électronique sprechen auch aufgrund ihres für viele Privatkunden
prohibitiven Preises vornehmlich den bibliothekarischen Erwerber an.
Die meisten digitalisierten Wörterbücher sind jedoch eindeutig auf die
Desktop-Landschaft des heimischen PCs abgestellt, in der die
Funktionen des Konsultierens und des Schreibens heute nahezu nahtlos
ineinander übergehen. So bieten beispielsweise Windows-gängige
Wörterbücher die Möglichkeit, Wörterbuchsegmente auszuwählen, in sog.
Zwischenablagen zu kopieren und sie in selbst verfaßte, mittels des
Textverarbeitungssystems Write hergestellte Texte einzufügen.
Selbstverständlich lassen sich auch in Bibliotheken unter Wahrung von
Copyright-Vorschriften Wörterbuchsegmente auf mitgebrachte Disketten
kopieren, gegebenenfalls sogar an Ort und Stelle mit Hilfe des eigenen
Laptops in eigene Textdateien eingeben und weiterverarbeiten, doch ist
die für die heimische EDV-basierte Desktopwerkstatt typische
Verflechtung der beiden Funktionsbereiche "Lesen / Informieren /
Konsultieren" sowie "Schreiben / Redigieren / Editieren" in
Bibliotheken kaum realisierbar. Auch andere Formen der individuellen
Nutzung digitalisierter Wörterbücher, die nicht unwesentlich deren
Attraktivität begründen, sind im öffentlichen Raum der Bibliothek nur
schwer vorstellbar: die Erstellung eigener speicherbarer
Vokabellisten; die Erweiterung des Wörterbuchs durch Notizen:
Lesefrüchte, Belegstellen, Korrekturen und Neologismen; die Arbeit mit
Programmen, die als Vokabeltrainer bezeichnet werden. Das von
denjenigen Bibliotheksbenutzern, denen zu Hause recht bequeme
Desktop-Landschaften zur Verfügung stehen, schon jetzt beklagte
Komfortabilitätsgefälle zwischen den recht kommoden Arbeitsbedingungen
am privaten Schreibtisch und den wenig genehmen Verhältnissen, wie sie
Arbeitsplätze in Bibliotheken gemeinhin bieten, droht deshalb mit der
Einführung elektronischer Medien, zumindest in Teilbereichen, eher
noch größer zu werden. Auch die mittels Multimedia-Wörterbüchern
erzielbaren Soundeffekte, die nicht so recht in das vertraute Ambiente
von Lesesälen und Informationszentren passen und nur in
schallgedämpften Kabinen oder mit Hilfe von Kopfhörern abrufbar sind,
bereiten den Bibliothekaren noch Probleme. Die seitens der
(Fremd-)Sprachendidaktiker erwünschten Synergieeffekte, die durch eine
Verknüpfung der Funktionen Lesen, Hören und Sehen angestrebt werden,
lassen sich in Bibliotheken derzeit nur schwer erzielen. All diese
Schwierigkeiten unterstreichen das - zumindest aus der Sicht
derjenigen, die an den neueren Technologien teilhaben - nicht
unerhebliche Gefälle zwischen privatem und öffentlichem Arbeitsplatz.
Wie werden die Bibliotheken auf diese Herausforderungen reagieren? Wie
sehen die Lesesäle und Informationszentren der Zukunft aus? Wer wird
die Kosten für den Umbau und den Gerätepark bezahlen? Bei alledem darf
aber nicht vergessen werden, daß selbstverständlich auch heute nicht
jeder Bibliotheksbenutzer über einen (komfortablen) häuslichen PC
verfügt und vielleicht in der Bibliothek die einzige Chance sieht,
sich mit neuerer Informationstechnologie vertraut zu machen. Welche
Möglichkeiten sollen für diesen Nutzerkreis geschaffen werden? Um für
die einen den Abstand zwischen privatem und öffentlichem Arbeitsplatz
nicht noch weiter zu vergrößern, wenn möglich sogar zu verringern, um
den anderen erst den Zutritt zu neuerer Informationstechnologie zu
ermöglichen, ist mehr gefragt als nur der
technizistisch-administrative Sachverstand von Architekten,
EDV-Experten und Ergonomen. Wissenschaftler wie
Informationsbibliothekare sind aufgerufen, ihre Erfahrungen aus
EDV-gestützten Informationsszenarios zu artikulieren. Wie wird sich
bei alledem der auskunftsbibliothekarische Arbeitsplatz verändern?
Werden Bibliothekare neben der Aufgabe des Informationsmanagements nun
auch die Funktionen des Programm- und des Dateimanagements wahrnehmen?
Wenn neben der Literaturversorgung und der Informationsvermittlung die
Vermittlung von information literacy in einem deutlich stärkeren Maße
als bislang als bibliothekarische Aufgabe begriffen wird, stellen sich
weitere Fragen. Wie werden künftig informationsdidaktische Aufgaben
verteilt? Wer erwirbt die entsprechenden Qualifikationen? Wird die
Einführung in Standardfunktionen eines digitalisierten Wörterbuchs
Aufgabe der Bibliothekare, die Einweisung in Extras wie sog.
Vokabeltrainer u.ä. Aufgabe des Fremdsprachenlehrers sein? Spätestens
hier zeigt sich, daß auch bibliothekstypologische Überlegungen eine
große Rolle spielen, da der Einsatz digitalisierter Wörterbücher in
verschiedenen Bibliothekstypen wie öffentlichen Bibliotheken,
wissenschaftlichen Bibliotheken oder Spezialbibliotheken durchaus
differenziert erfolgen muß.
3.18 Das digitalisierte Wörterbuch in einer sich wandelnden
Informations- und Medienlandschaft
Als neues Medium mit miniaturisierten nicht-linear abfragbaren
Informationen eignet dem digitalisierten Wörterbuch eine eigene Aura,
ein eigener Habitus, der von den Produzenten auch gewinnbringend
genutzt wird. Welche Bewandtnis es jenseits der alltäglichen Nutzung
mit diesem neuen Medium wirklich hat, kann man in einer rapide sich
wandelnden Informations- und Medienlandschaft wohl zum jetzigen
Zeitpunkt nur schwer bestimmen. Angesichts revolutionärer
Entwicklungen in der Informations- und Mediengesellschaft wird in den
nächsten Jahren neu auszuhandeln sein, was wir unter Bibliothek,
bibliothekarischem Sammelauftrag, bibliothekarischer Dienstleistung,
unter Information und Dokumentation, aber auch unter kultureller
Überlieferung, Publizität von Information und dergleichen mehr
verstehen wollen. Einen vergleichsweise bescheidenen, aber deshalb
nicht uninteressanten Diskussionspunkt wird dabei das digitalisierte
Wörterbuch darstellen.
3.19 Wie weit sind gedruckte und digitalisierte Wörterbücher wirklich
voneinander entfernt?
Zum Schluß sei noch eine persönliche Bemerkung gestattet, die eher die
affektive denn die kognitive Seite der Nutzung digitalisierter
Wörterbücher betrifft. Digitalisierte Wörterbücher stellen sich mir
als ein Vexierbild dar, das je nach Betrachtung zwei völlig
verschiedene Bilder bietet: zum einen das Bild eines im Vergleich zum
gedruckten Wörterbuch qualitativ neuen Produktes mit viel bequemeren
und raffinierteren Suchmöglichkeiten, zum anderen das Bild eines bei
allen Unterschieden zum gedruckten Wörterbuch diesem doch sehr
ähnlichen Produkt, das von dem "guten" alten Printmedium so weit gar
nicht entfernt ist.
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