Die einzelnen Eintragungen sind nach einem fünfteiligen Schema gegliedert: 1. laufende Nummer; 2. das Zitat in Fettdruck als Lemma; 3. Übersetzung des Zitats; 4. die Textpassage, aus der das Zitat ursprünglich stammt, mit Stellenangabe, d. h. die Quelle; 5. Übersetzung von (4); eine erläuternde Bemerkung und weitere Stellenangaben können hinzutreten. Es ist an sich lobenswert, daß die Quellenstellen mehr oder weniger ausführlich zitiert werden, um den ursprünglichen Kontext der Zitate und die eventuellen späteren Veränderungen ihres Wortlauts und Sinns aufzuzeigen. Aber wegen der zu spärlichen Erläuterungen reicht das Schema in sehr vielen Fällen nicht aus, um die Herkunft und die genaue, evtl. wechselnde Bedeutung eines Zitats wirklich klar zu machen. Beispiel: Caesars bekannter Ausspruch Alea iacta est "Der Würfel ist geworfen" (Nr. 91). Bayer gibt ausführlich die Quelle bei Sueton wieder; aber auch durch seine Klammerbemerkung "Caesar beim Überschreiten des Rubico 49 v. Chr." dürfte der welthistorische Kontext des Dictums (Eröffnung des letzten Bürgerkriegs der römischen Republik) nicht allen Lesern klar genug werden; ferner erfährt man nicht, daß Caesar den Satz in griechischer Sprache sagte, weil er seinerseits zitierte, nämlich den griechischen Komiker Menander, dessen Text genau übersetzt lautet "Der Würfel soll hochgeworfen sein"; der Sinn ist nicht "Die Entscheidung ist gefallen", sondern "Das Wagnis ist eingegangen", was Bayer nicht deutlich genug macht.
Auch sonst gibt der Autor oft nicht alle und auch nicht immer die frühesten Belege, z. T. (aber nicht nur) deshalb, weil er Griechisches nicht oft genug anführt. Zu 1941 Quid tibi vis?, 1942 Quid verbis opus est? und 2580 Verba dare wird je eine Terenz-Stelle als Quelle angeführt; es sind dies aber Allerweltsausdrücke der Komödie schon bei (dem älteren) Plautus, die in einer Zitatesammlung kaum sinnvoll scheinen. 218 "Schlechter Umgang verdirbt gute Sitten" wird dem Tertullian zugeschrieben, dieser aber nennt es einen "durch den Apostel geheiligten Vers": Es handelt sich um ein griechisches geflügeltes Wort, das schon bei Menander belegt ist und von Paulus 1. Kor. 15,33 wörtlich zitiert wird. - In bizarrem Kontrast hierzu erscheint viermal Pontius Pilatus als Quelle von Worten, die ihm die Evangelisten in den Mund legen.
Schlimmer als die unzureichende Belegung und Kommentierung von Zitaten ist, daß bei etwa einem Zehntel der Nummern die Teile (4) und (5) überhaupt fehlen, d. h. diese Zitate sind völlig ohne Beleg und nicht verifizierbar! Nur ein Teil davon entfällt auf die formelhaften Wendungen wie eo ipso, ad hoc, mutatis mutandis.
Daß das Zitat im Lemma (= heutige Form) und im ursprünglichen Kontext
verschieden lautet, ist normal. Manchmal sind die Unterschiede aber so
irritierend, daß man gerne eine erklärende Bemerkung dazu hätte, und
nicht selten regt sich der Verdacht, die Unterschiede beruhten
lediglich auf Unbekümmertheit des Herausgebers oder dieser hätte gar
Lemma und Quellentext falsch zugeordnet. Beispiele: 2351 Suo regina
regi placet, Iuno Iovi; im Quellentext steht aber suos rex reginae
placet; woher kommen die Vertauschung von rex und regina und der
Zusatz Iuno Iovi? Bei 1009 haben Lemma und Quelle kein einziges Wort
gemeinsam. 376 di bene vertant, tene crumenam; im Kontext findet man
nur tene cruminam; die vordere Hälfte des Lemmas scheint aus 377 di
bene vortant! eingedrungen zu sein. Wieso der Rest "halte den
Geldbeutel" zitierwürdig sein soll, bleibt unklar. - Diese beiden
Positionen 376/377 wirken wie eine Dublette[2], und davon gibt es leider
noch mehr Fälle. Sapienti sat erscheint als Nr. 2157; dieselbe Quelle
wie hier wird 2590 unter dem Lemma Verbum sat sapienti (übersetzt als
"Dem Weisen genügt ein Wort") angegeben; die Quelle hat aber dictum
statt verbum, und die Bedeutung ist "Für den Klugen ist genug gesagt".
- 2006 Quod bonum felix faustumque sit; im Quellentext heißt es quod
bonum faustum felix fortunatumque esset. Vgl. 2020 Quod fortunatum
felix faustumque sit; im zugehörigen Quellentext quod bonum faustum
felixque esset: Der Wortlaut der beiden Lemmata wirkt ebenso
willkürlich wie ihre Zuordnung zu den Quellen. Natürlich gehört beides
zu einer Eintragung zusammengefaßt. Dasselbe hätte z. B. bei 258/259,
1606/1851 und 1843/2394 (wo jedoch die Lemmata offenbar wenig oder gar
nichts mit dem beidemale als Quelle angegebenen Paulus-Text zu tun
haben) geschehen sollen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren,
Bayer habe im Lauf der Jahre teilweise den Überblick über seine
Tausende von Zetteln verloren.
Die deutschen Übersetzungen sind erfreulich in Ordnung. Bayer hat
meistens auf gute moderne Übersetzungen zurückgegriffen (aufgeführt S.
573 - 575); das übrige hat er anscheinend selbst übersetzt. Wenn er
auch die lateinischen Texte konsequent an modernen Ausgaben überprüft
hätte, wären die unmöglichen Quellentextfassungen bei 184 und 376
(s.o.) nicht stehengeblieben.
Zur sachlichen Erschließung der alphabetisch geordneten Zitate dienen
ein Stichwort- und ein Begriffs- (d. h. Schlagwort-) Register, beide
nur deutsch (S. 547 - 565). Besonders willkommen ist das
Quellenregister S. 567 - 571; es würde noch gewinnen, wenn die Stellen
genau, d. h. nicht nur mit Verfasser und Titel, sondern auch mit Vers,
Kapitel usw. angegeben würden.[3] Am Ende S. 576 steht ein knappes
Literaturverzeichnis mit Nachschlagewerken zu lateinischen
Redensarten, darunter die großen wissenschaftlichen Standardwerke.
Von den zu zahlreichen Druckfehlern sei nur der besonders tückische im
Lemma von 711 (confidentem statt confitentem) erwähnt.
Fazit: Das Buch macht den Eindruck des wahllos und unkritisch
Angehäuften, nur oberflächlich Aufbereiteten. Unklarheiten,
Ungereimtheiten und Stolpersteine begegnen auf Schritt und Tritt. Es
ist kein wissenschaftlichen Ansprüchen genügendes Nachschlagewerk für
Benutzer, die es genau wissen wollen, sondern eher eine Fundgrube für
Leute, die ihren Reden, Essays u. ä. lateinische Glanzlichter
aufstecken wollen, oder einfach ein Buch zum Schmökern. Jedoch kann es
wegen seiner Materialfülle in Bibliotheken für die Beantwortung von
Fragen wie "Von wem ist das Gedicht?" nützlich sein.
Ein vergleichender Blick auf Klaus Bartels' weitverbreitetes, bis zur
8. Aufl. 1990 im Artemis-Verlag erschienene Konkurrenzwerk Veni, vidi,
vici zeigt ein ganz anderes Bild. Bartels beschränkt sich auf "alle
die griechisch- und lateinischsprachigen Zitate ..., die heutzutage
allenfalls noch als 'Geflügelte Worte' gelten können", "das
einigermaßen Geläufige" (S. 5). Er bietet nur ca. 450[4] geflügelte
Worte, deren Belegung und Kommentierung nun aber verglichen mit Bayer
ungleich genauer und instruktiver und nicht nach einem starren Schema
angelegt, sondern frei und differenziert formuliert, dabei auch für
Nicht-Fachleute gut lesbar ist. In einem Anhang "Formeln und Floskeln"
sind ca. 250 Ausdrücke wie ad hoc, eo ipso, confer zusammengestellt
und übersetzt. Dies ist in seinem knappen Umfang ein solides,
ausgereiftes Informationsmittel, das auch als wissenschaftliches
Nachschlagewerk zitierbar ist. Einziges Desiderat: ein
Quellenregister.
Bernd Bader
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