Hervorgegangen ist das Buch aus einem Kapitel der Geschichte des
deutschen Films,[2] in dem Prinzler auf 40 Seiten bereits Ereignisse,
Personen und Filme chronologisch kurz notiert hatte. Die dort sehr
knappen Angaben werden jetzt um ein Vielfaches erweitert und
ausführlicher dargestellt. Prinzler bittet im Vorwort alle Leser um
Hinweise auf Auslassungen, Fehler und Irrtümer für eine zweite Auflage
des Werkes, das dann leicht um vieles umfangreicher als die jetzigen
464 Seiten werden dürfte, falls der Autor tatsächlich solche
Vorschläge übernehmen wollte. Prinzler ist als langjähriger Leiter der
Stiftung Deutsche Kinemathek und der dortigen Fachbibliothek durch
filmhistorische, bibliographische und filmographische Arbeiten (z.B.
für die Reihe Film des Hanser-Verlags) fachlich untadelig ausgewiesen;
ihm Fehler nachzuweisen, wird sicherlich in Einzelfällen möglich sein,
aber eher dürfte ihm - wie schon erwähnt - die Konzentration auf nur
deutsche Fakten und Personen und die zu sehr faktisch betonte
Darstellung zum Vorwurf gereichen. So sind - um nur ein Beispiel zu
nennen - die Notizen zur Gründung der Ufa am 14.Februar und zur
Aufhebung der Filmzensur am 12. November 1918 trotz der beigefügten
historischen Notiz (leider ohne genaue Daten) zu vordergründig und
gehen nicht auf das jeweilige und so stark sich verändernde
politisch-historische Umfeld und die Motivation hinter den Ereignissen
ein. Man mag dem entgegen halten, daß eine Chronik keine historische
Darstellung bieten soll, sondern nur die Fakten und Daten, die eine
solche Darstellung zu berücksichtigen hätte; trotzdem wünschte man
sich etwas mehr Argumentation und Wertung: diese werden nur zu selten
und dann in der Regel nur durch zeitgenössische Zitate vermittelt.
95-3-607 Reclams Lexikon des deutschen Films / hrsg. von Thomas
Kramer. - Stuttgart : Reclam, 1995. - 476 S. : Ill. ; 22
cm. - ISBN 3-15-010410-6 : DM 49.80
[2700]
Wieder lexikalisch angelegt ist die Sammlung von über 600
Filmkritiken, die im Filmteil von Reclams Lexikon des deutschen Films
vorgestellt werden. Die Auswahl ist hier internationaler und
berücksichtigt alle deutschsprachigen Produktionen und internationale
Coproduktionen mit deutscher bzw. deutschsprachiger Beteiligung. Die
relativ umfangreiche Auswahl berücksichtigt erfreulicherweise auch
viele Filme, die nicht unbedingt in den engeren Kreis der bekannten
deutschen Filme gehören. Der Blick von "außen" (die Autoren leben in
Bristol, Zürich, Wien, Berlin und wieder Wien) und die - nicht nur
photographische - Fundierung durch das Filmdokumentationszentrum Wien
befähigen offenbar zu einem unkonventionelleren Blick auf das
Material: Ausgewählt wurden Filme, "die für das Filmschaffen ihrer
Zeit in einer besonderen Weise charakteristisch sind - oder auf
prägnante Weise von der Norm abweichen" (Einleitung, S. 14), Epochen
und Länder wurden in etwa entsprechend den mengenmäßigen Anteilen
berücksichtigt. Dokumentarfilme und Fernsehfilme sind nicht enthalten,
resp. TV-Produktionen nur, wenn sie im Kino gezeigt wurden. Die
Filmeintragungen umfassen jeweils etwa eine Spalte im zweispaltigen
Satz und geben relativ detailliert den Inhalt eines Films wieder, sie
schließen immer mit einer kurzen, zwei Sätze umfassenden formalen und
historischen Kritik. Die Artikel sind durch Kürzel den 5 Autoren
zugeordnet und wirken sehr aufeinander abgestimmt, eine Übersicht der
Besprechungen je Autor fehlt. Die filmographischen Angaben sind leider
wieder unzureichend knapp (keine Produktionsfirmen, keine Filmlängen,
lediglich Produktionsland und Jahr sind angegeben, die Rollen der
angegebenen Schauspieler werden in den Filmbesprechungen zugetragen).
Aufgelockert wird der Band durch Schwarz-weiß-Photos, die
- begrüßenswert - unbekanntere Motive bevorzugen.
Der filmlexikalische Teil wird ergänzt durch ein Lexikon der
Regisseure, das auf die entsprechenden Artikel des inzwischen
vergriffenenen Reclams deutsches Filmlexikon[3] zurückgreift, unter
ihnen auswählt, sie neu bearbeitet (i.d.R. kürzt) und um einige
Neueintragungen erweitert. Die 74 biographischen Artikel
berücksichtigen auch die Lebensabschnitte im nicht-deutschen Ausland
und nennen alle Filme, an denen die Regisseure beteiligt waren. Leider
ist die Auswahl bei weitem nicht vollständig, so fehlen wichtige
Regisseure wie Herbert Achternbusch, Axel von Ambesser, Josef von
Baky, Slatan Dudow, Peter Fleischmann, Hans W. Geissendörfer, Kurt
Gerron, Werner Jacobs, Mihaly Kertesz, Klaus Lemke, Joe May, Rosa von
Praunheim, Rudolf Thome, Billie Wilder oder Christian Ziewer. Diese
- unvollständige und mit Absicht - sehr inhomogene Fehl-Liste ist bis
auf eine Ausnahme der Vorlage Reclams deutsches Filmlexikon entnommen
und wäre vor allem noch um Dokumentarfilmer und Fernsehregisseure,[4]
die nur in zweiter Linie für Kinofilme gearbeitet haben, zu ergänzen.
Da die Auswahl nicht weiter begründet wird, müssen wir annehmen, daß
die Biographien entweder als Unterscheidungsmerkmal gegenüber den
anderen neuen Filmlexika hinzugefügt wurden oder aber, daß aus
Platzgründen nicht mehr Biographien aufgenommen werden durften. Beide
Begründungen sprechen gegen den biographischen Teil des Lexikons in
seiner jetzigen Form. Da hilft es auch nicht, daß die dort erwähnten
Filme und Regisseure mit in das Register aufgenommen wurden: sie
können nicht als repräsentative biographische Information für die dort
registrierten fast 400 Namen gelten.
Man wünschte sich eine Neuausgabe von Reclams deutsches Filmlexikon,
denn es ist kaum vorstellbar, daß der Markt für biographische
Nachschlagewerke zum deutschsprachigen Film völlig vom CineGraph[5]
abgedeckt wird, das für biographische Informationen über
Filmschauspieler und Regisseure zwar unübertroffen und unersetzlich
ist, aber von seiner Preisklasse und seinem Umfang her nur für wenige
Filmliebhaber - hoffentlich aber für alle Bibliotheken - erschwinglich
ist.
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