Die Artikel sind nach folgendem Schema angelegt: (1) Lebensdaten,
stichwortartige Charakteristik ("Berufsbezeichnung"); (2) wichtigste
antike Quellen; (3) Grundriß des Mythos bzw. Kurzbiographie mit
Betonung der für das Nachleben wichtigen Züge und Episoden; (4)
Nachleben in der Antike; (5) Nachleben in Mittelalter und Neuzeit,
untergliedert nach[2] a) Dichtung (d.h. Belletristik; vereinzelt auch
Filme), b) Bildende Kunst, c) Musik, d.h. vor allem Opern; (6)
Literaturangaben.
Die Artikel haben hohen Informationsgehalt und informieren im
allgemeinen zuverlässig. Selbstverständlich muß ein Taschenbuch sich
auf eine Auswahl beschränken, so daß Fehllisten zwecklos wären; die
besonders berühmten und wichtigen Zeugnisse des Nachlebens sind, nach
Stichproben zu schließen, berücksichtigt. Bei den Kurzbiographien der
historischen Personen fehlt es aber nicht an Ungenauigkeiten, kleinen
Fehlern sowie schiefen Formulierungen und Akzentuierungen;[3] zu diesem
Bereich sollte man lieber die bewährten allgemeinen Lexika der Antike
konsultieren. Bei der Rezeption in der Antike sind Darstellungen auf
Münzen auffallend vernachlässigt.[4] Zum Fortleben in der Belletristik
wird im Vorwort S. XI ausdrücklich auf Frenzel[5] verwiesen, die zwar
weniger Antike-Artikel, darin aber mehr Material bietet und bei der
Literaturangaben regelmäßig erscheinen. Die Darstellungsweise im
rezeptionsgeschichtlichen Hauptteil der Artikel lehnt sich an Frenzel
an, indem die Aufzählung der einzelnen Werke in einen fortlaufenden
Text eingebettet ist (und nicht in Listen- oder Tabellenform erfolgt);
allerdings wird weniger erläuternder und verbindender Text geboten als
bei Frenzel, und die Form der gedrängten Aufzählung dominiert. Die
Aktualität läßt zu wünschen übrig: Der Rezensent hat kein
Rezeptionszeugnis nach 1983 gefunden; die deutsche Bearbeitung hat
hier offenbar nichts ergänzt.
Die Zahl der Artikel ist mit etwas über 200 nicht groß, da die Autoren
komplexe Artikel vorziehen. Die meisten der weiteren in den Artikeln
genannten Personen werden zwar durch Verweisungen erfaßt, doch fehlt
leider ein Register für die gezielte Recherche. Da die Verweisungen
- grundsätzlich ohne Seitenangabe - nur auf das Lemma zielen, ist die
Suche z.B. nach Pentheus, Omphale und den Sirenen in langen Artikeln
mühsam und zeitraubend: Pentheus s. Dionysos; Omphale s. Herakles,
oder gar auf mehrere Artikel, z.B. Sirenen s. Argonauten, s. Musen, s.
Odysseus. Sinnvoller wäre ein Register, das wie üblich auf Seiten und
nicht nur Artikel verweist und dafür eine Beschränkung der
Verweisungen auf glatte Fälle wie Venus s. Aphrodite, Alkmene s.
Amphitryon und Alkmene. Griechische Namen werden konsequent in
griechischer Schreibung geboten: Medeia, Oidipus, Narkissos; als
einzige Ausnahmen sind Alexander und Iphigenie aufgefallen.
Die Literaturangaben[6] werden stets in abgekürzter Form gegeben. Die
Auflösungen findet man in der umfangreichen Bibliographie S. 713 - 752
mit rund 1000 alphabetisch geordneten Titeln, von denen aber
vermutlich die meisten nur einmal zitiert werden. Günstiger wäre es
wohl, die Bibliographie auf eine übersichtliche Liste der häufig (und
abgekürzt) zitierten Standardwerke zu beschränken und alles Spezielle
in den einzelnen Artikeln voll zu zitieren. Die deutsche Bearbeitung
des Buchs weist hier eine beachtliche Aktualität auf: So sind die
Publikationen des Archäologen B. Andreae zu den Odyssee-Skulpturen und
zum Laokoon bis 1994 zitiert, und Arminius weist sogar eine
Literaturangabe von 1995 auf. Daß das noch im Erscheinen befindliche
Lexicon iconographicum mythologiae classicae : (LIMC) im
Literaturverzeichnis ebenfalls bis 1994 berücksichtigt ist, nützt
insofern wenig, als es in den einzelnen Artikeln nicht zitiert wird,
so daß es dem nicht fachkundigen Leser verborgen bleibt.
Der Vorspann enthält außer dem Vorwort zwei Abkürzungsverzeichnisse,
die in den Originalausgaben fehlen: S. XIII - XXI antike Autoren und
Werke[7]; S. XXII - XXVIII Museen.
Da im Literaturverzeichnis des Lexikons der neue, konkurrierende
Oxford guide to classical mythology in the arts, 1300-1990s[8]
unverständlicherweise fehlt, sei hier kurz an dieses monumentale Werk
erinnert. Da mit "arts" hier nicht nur "Kunst", sondern "fine arts,
music, dance, and literature" (S. XVII) gemeint sind, unterscheidet es
sich thematisch nur dadurch vom vorliegenden Werk, daß es erst mit dem
Spätmittelalter einsetzt und sich auf Artikel über mythologische
Figuren und Themen beschränkt; in diesem Rahmen bietet es aber
wesentlich mehr Material, vor allem präzisere formale Angaben zu den
einzelnen Werken. Diese werden jeweils in einer einzigen
chronologischen Folge aufgelistet, wobei jedoch größere Artikel wie
z.B. Aphrodite nach Teilbereichen untergliedert sind; es fehlen
dagegen die verbindenden und erläuternden Texte, mit denen Frenzel und
das vorliegende Lexikon Tendenzen und Schwerpunkte des Nachlebens
umreißen. Wie bei Frenzel gibt es im Oxford guide ein Register der
rezipierenden Werke, während das Künstler- und Autorenregister des
Lexikons in den niederländischen Originalausgaben in der deutschen
Fassung leider weggelassen worden ist.
Insgesamt überwiegen die positiven Eindrücke. Das Buch ist in seinem
begrenzten Rahmen sehr informationsreich und meistens zuverlässig,
wenn auch bezüglich der Genauigkeit und Zuverlässigkeit sowie in
formalen Dingen verbesserungsfähig. Es weist diverse Überschneidungen
mit anderen Nachschlagewerken auf, die auf ihren Gebieten ebenso gut
oder besser informieren; jedoch steht es als umfassendes, kompaktes
und zudem preisgünstiges Informationsmittel zur Antikerezeption z. Zt.
einzig da.
Bernd Bader
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