Als Seitenstück zu dem genannten Wörterbuch für deutsch und englisch von Mary L. Apelt legte Werner Jost Ende 1995 im selben Verlag den ersten Teil seines Deutsch-französischen Wörterbuchs für Kunstgeschichte und Archäologie vor. Dem Vorwort ist zu entnehmen, daß die Anlehnung an die Konzeption der Wörterbücher von Apelt beabsichtigt ist. Hier erfährt man auch, daß "die französischen Begriffe ... aus den verschiedensten Quellen zusammengetragen werden (mußten)", ohne daß der Verfasser auch nur eine seiner Quellen nennt, nicht einmal das weiter unten erwähnte Wörterbuch von L. Réau. Die Anlage folgt dem Alphabet der ca. 10.000 deutschsprachigen Lemmata. Außer den Genus-Angaben bei Substantiva in beiden Sprachen verzichtet das Wörterbuch ebenso wie sein Vorbild auf jede Art von Definition oder Wortfeldzuordnung. Daß dies auch in knapper Form nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll wäre, zeigt das erwähnte Wörterbuch von Claude Ferment, in dem neben Kurzdefinitionen auch nützliche Hinweise zur Begriffsverwendung und Verweisungen auf verwandte Begriffe angeboten werden. Es ist offenkundig, daß dieses Verfahren zumindest in all jenen Fällen unerläßlich ist, in denen zwischen den Begriffen in den beiden Sprachen keine einfache Wortgleichung vorliegt. Wenn einem deutschen Ausgangsbegriff mehr als ein französischer Terminus zuzuordnen ist, beschränkt sich Jost auf eine reine Aufzählung möglicher französischer Entsprechungen ohne Hinweise auf Abgrenzung oder Differenzierung: Z.B. Fuß (Füße) m: 1. pied 2. piédouche m; base f. Das aber dürfte für eine aktive Verwendung des Fachwörterbuchs zu wenig sein und ist erst recht von einer systematischen und intensiven Wortfeldaufarbeitung, wie sie etwa das Glossarium artis für Teilbereiche des Faches bereits bietet, weit entfernt. Das Jostsche Wörterbuch leistet daher nicht mehr, als die Register des Glossarium artis, die zusätzlich zu ihrer Registerfunktion im Hinblick auf den systematisch geordneten Hauptteil eben auch als einfaches Wörterbuch genutzt werden können.
Selbst eines der älteren mehrsprachigen Wörterbücher zur Kunst, das
von Louis Réau,[2] bietet bereits in seiner Ausgabe von 1953 in
Einzelfällen für Begriffe der französischen Ausgangssprache knappe
definitorische Präzisierungen; für die Zielsprachen: italienisch,
spanisch, englisch, deutsch, teilw. auch niederländisch, russisch,
schwedisch usw. galt dies allerdings nicht. Aufgrund seines
polyglotten Anspruchs ist dieses Fachwörterbuch auch heute noch von
Interesse, zumal die erweiterte Auflage von 1977 zwar den Text der
Ausgabe von 1953 wieder abdruckt, aber ihn durch deutsch-französische,
englisch-französische und italienisch-französische Register ergänzt.[3]
Der deutsch-französische Teil des Wörterbuchs von Réau in der Ausgabe
von 1977 kann es in lexikographischer Hinsicht durchaus mit dem
Jostschen Wörterbuch von 1995 aufnehmen, unbeschadet der Tatsache, daß
bei Réau eine Reihe ungewöhnlicher Wortgleichungen begegnen, die der
deutsche Verlag hätte verbessern können.[4] Jost bewegt sich dagegen auf
der Höhe der Zeit bzw. - je nach Perspektive - des Zeitgeistes: Mit
Stolz verweist er im Vorwort darauf, mit zusätzlichen Eintragungen
unter weiblichen Berufsbezeichnungen - neben Kunsthistoriker auch
Kunsthistorikerin usw.[5] geradezu "Neuland betreten" zu haben, "selbst
um den Preis nicht immer zufriedenstellender Lösungen besonders auf
der französischen Seite" (S. 7). Doch bedarf es wohl keines
sonderlichen Talents, vorauszusagen, daß die hier gelegentlich
anzutreffende Überstrapazierung französischer Wortbildungsmuster weder
die in diesem Bereich eher restriktive französische Sprachnorm so bald
verändern noch gar die Académie Fran‡aise beeindrucken wird. Vielmehr
dürfte die Übernahme der angebotenen Wortbildungen und Wendungen
leicht als stilistisch-normative Abweichung im Französischen erkennbar
bleiben.
Da in den Fächern Kunst und Archäologie Englisch keineswegs
unangefochten den Rang einer lingua franca einnimmt, sondern auch dem
Französischen und nicht zuletzt dem Italienischen eine besondere
Bedeutung zukommt, wird man zumindest für den deutsch-französischen
Sprachbereich und mit Blick auf die noch vorhandenen thematischen
Einschränkungen des Glossarium artis nicht auf das Jostsche Wörterbuch
verzichten können; seine baldige Abrundung durch einen
französisch-deutschen Teil wäre daher in jedem Fall wünschenswert. In
Bereichen, für die bereits Bände des Glossarium artis vorliegen,
verdient dieses aus den oben genannten Gründen den Vorzug. Für andere
Sprachen, angefangen beim Italienischen, bleiben mehrsprachige
Fachwörterbücher zur Kunst, die über reine Listen mit Wortgleichungen
hinausgehen, ein ausgemachtes Desiderat.
Angela Karasch
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