Zuerst zum gedruckten Katalog: Die inzwischen über 2200 Einträge zu
den Beständen an europäischer Malerei vom 13. bis zum frühen 20.
Jahrhundert sind nach wie vor in einem Alphabet der Künstler- und der
Notnamen (Master of ...) sowie von Schul-Attributionen wie Florentine
präsentiert; waren die in der Mehrzahl kleinformatigen (kleines bis
großes Briefmarkenformat) und nur ausnahmsweise eine viertel Seite
einnehmenden Abbildungen in der Vorauflage nur schwarz-weiß, so sind
sie in der neuen Ausgabe überwiegend farbig und trotz insgesamt etwas
größerem Format und damit besserer Lesbarkeit durchaus unbefriedigend.
Das ist der Nachteil aller vergleichbaren Kataloge großer
Gemäldesammlungen - ob Berlin, Dresden, München oder Paris -, in denen
die Masse des Abzubildenden das kleine Format der Bildchen bedingt.[2]
Das Layout ist allerdings gegenüber der Vorauflage wesentlich
übersichtlicher geworden, und zwar dank der Einteilung jeder Seite in
drei Spalten: die Kopfzeile nennt den Künstlernamen (er wird in jeder
Spalte wiederholt), auf neuer Zeile folgen der Titel des Bildes und
die Datierung, dann die Abbildung mit der Inventarnummer, Angaben zu
technischer Ausführung und Malgrund sowie Maßen in cm[3] als
Bildlegende. Darauf schließt sich ein werkbezogener Textteil an, der
gegenüber den dürftigen Angaben der Vorauflage wesentlich erweitert
wurde: Hinweis auf Signatur und Datierung; kurze Charakterisierung des
Werks; Stellenwert im Werk des Künstlers bzw. in der Sammlung. Dann
folgen Angaben zur Provenienz und - gleichfalls neu gegenüber der
Vorauflage - in knappster Form ein bis drei bibliographische Hinweise,
zumeist auf die neuesten Oeuvre-Kataloge und ähnliche Verzeichnisse.
Wie Stichproben zeigen, läßt die Aktualität der bibliographischen
Angaben gelegentlich zu wünschen übrig: so stammen etwa die neuesten
Literaturhinweise zu den Bildern Memlings von 1991 bzw. 1993, während
die gewichtigen Publikationen, die aus Anlaß des 500. Todestages 1994
erschienen sind, noch fehlen.[4] Der verbleibende Platz bis zum Fuß der
Spalte bleibt frei, außer in der Spalte mit dem ersten Bild eines
Künstlers, in der dann dessen Name, Lebensjahre und eine Vita auf
knappstem Raum abgedruckt sind. Nur ausnahmsweise dient der untere
Teil der Spalte zur Aufnahme einer weiteren Abbildung (etwa der
Rückseite einer doppelseitig bemalten Tafel).
Als Beigaben sind zu erwähnen: ein Grußwort des Sponsors, eine kurze
Geschichte des Museums und der Sammlungen, eine Benutzungsanleitung,
sowie, am Schluß, eine Bibliographie, die allein der Auflösung der im
Katalog nur mit Verfasser und Jahr zitierten Titel dient. Register: 1.
der Inventarnummern in aufsteigender Folge mit Bezeichnung des
betreffenden Gemäldes; 2. ein unglücklich als subject index
bezeichnetes Verzeichnis der vertretenen Künstler (Name in Fettdruck)
mit ihren Werken, sonstiger erwähnter Personen (unverständlicherweise
fehlen die Namen von Vorbesitzern) und Orte sowie von Themen u.ä.
Auch wenn die Begleittexte zu den einzelnen Gemälden gegenüber der
Vorauflage beträchtlich erweitert und auf den neuesten Stand gebracht
worden sind, muß an dieser Stelle daran erinnert werden, daß die
National Gallery neben ihren hier besprochenen illustrierten
Gesamtkatalogen bereits seit 1945 detaillierte Hauptkataloge für
einzelne Schulen und Epochen publiziert hat. So erfolgt - um beim
Beispiel Memling zu bleiben - die ausführliche Verzeichnung seiner in
der National Gallery vorhandenen Werke im Katalog Early Netherlandish
school.[5] Obwohl dieser Katalog natürlich nicht mit der gleichen
Aktualität aufwarten kann, wie der neue Gesamtkatalog, und dadurch im
Einzelfall nicht mehr den Stand der Forschung widerspiegelt, vermag
ein Vergleich der Einträge die Unterschiede zwischen beiden
Katalogtypen zu verdeutlichen, die verschiedene Ansprüche befriedigen.
Die Verzeichnung im Hauptkatalog (S. 123 - 130) ist insgesamt
wesentlich umfassender und zugleich detaillierter: das betrifft den
biographischen und bibliographischen Apparat (wobei die Angaben des
letzteren nicht auf die neuesten Titel reduziert sind), die
Werkbeschreibungen (die bei strittigen Punkten, bei Datierungsfragen
usw. eine Diskussion des Forschungsstandes bieten) und ebenso die
bildtechnischen Angaben, die Provenienz sowie erforderlichenfalls die
Restaurierungsgeschichte etc. Es handelt sich dabei um Details, die
der illustrierte Gesamtkatalog entweder summarisch oder gar nicht
berücksichtigt. Vervollständigt werden die Einträge dieses - übrigens
nicht illustrierten - Teilkatalogs für die Bestände an frühen
niederländischen Gemälden um Abbildungsnachweise in anderen
Publikationen. Nicht nur in diesem Punkt mag daher der illustrierte
Gesamtkatalog somit nützliche Ergänzung sein. Wie bei den meisten
großen Museen, so liegen ausführliche Hauptkataloge auch im Fall der
National Gallery in London nur für ausgewählte Bestände vor, die dazu
in Abhängigkeit vom Erscheinen einen unterschiedlichen, jedenfalls
keinen aktuellen Forschungsstand spiegeln. Daher ist der illustrierte
Gesamtkatalog für dieses Museum nicht nur ein gerafftes und zugleich
die Bedürfnissen eines breiteren Publikums befriedigendes
Bestandsverzeichnis, sondern schließt darüber hinaus in ansprechender
und elementaren Katalogstandards genügender Form die vorhandenen
Lücken in der Reihe der Hauptkataloge.
Parallel zur gedruckten Ausgabe des neuen illustrierten Katalogs der
National Gallery erschien dieser auch in einer CD-ROM-Ausgabe. Die
CD-ROM beinhaltet den vollständigen Text- und auch den Bildteil der
gedruckten Ausgabe, bietet aber aufgrund der anderen
Zugriffsmöglichkeiten einiges mehr an Informationen und an
Suchkomfort. So sind bei den Abbildungen Vergrößerungen wie auch
Ausschnitte in sehr guter Bildqualität gerade im Vergleich zu den
"Briefmarken" der Buchausgabe von großem Visualisierungs- und
Informationswert, da Details erst dadurch erkennbar werden. Um diesen
Vorteil jedoch voll ausschöpfen zu können, ist eine sehr hochwertige
technische Ausstattung (insbes. bei Grafickarte und Monitor)
Voraussetzung.[6] Der Eröffnungsbildschirm bietet den Einstieg über das
Künstleralphabet an. Da keinerlei Möglichkeit der aktiven Eingabe des
Suchbegriffs besteht, sondern immer im Index markiert werden muß, wird
zur Abkürzung des Durchlaufs eine Voreinstellung nach Buchstabengruppe
angeboten. Markiert man etwa in der Buchstabengruppe V den Namen
Vermeer, Jan, werden zunächst die biographischen Daten und im
Kleinstformat die Abbildungen der in der National Gallery vorhandenen
Werke Vermeers aufgezeigt. Durch Anklicken eines dieser Bilder (z.B.
der "Sitzenden Virginalspielerin") erhält man neben einer etwas
vergrößerten Ansicht den Text und weitere Angaben zum betreffenden
Werk. Von dieser Ebene aus läßt sich das Bild weiter vergrößern oder
eine freie Auswahl von Detailansichten (in voreingestellter Größe)
vornehmen: so wird im genannten Beispiel erst die Malerei auf dem
Deckel des Spinetts deutlich erkennbar oder der Ausschnitt des
Wandbilds. Des weiteren ist der gesonderte Abruf der bibliographischen
Daten möglich. Über den Index Related terms kann man andere
thematisch, kompositorisch oder künstlerisch verwandte Gemälde der
Galerie ermitteln. So führt z.B. die Eingabe des Begriffs virginal zu
anderen Bildern der National Gallery, auf denen ein Spinett vorkommt
oder die des Begriffs painting in paintings zu weiteren
Bild-im-Bild-Darstellungen und somit eröffnet sich die Möglichkeit
einer thematischen und typisierenden Suche innerhalb des
Museumsbestandes. Selbstverständlich kann man auch über die
Verweisungen in den Begleittexten direkt andere Künstler oder Werke
aufrufen. Alles in allem nutzt diese CD-ROM die technischen
Möglichkeiten, die die Datenverarbeitung im Hinblick auf die
Verknüpfung von Informationen und die Erleichterung der Recherche
bietet voll aus; dabei ist die Benutzerführung bequem und ansprechend.
Die CD-ROM-Ausgabe des Katalogs der National Gallery ist nicht wie
manches andere derartige Produkt, popularisierendes, bebildertes
Beiwerk oder technische Spielerei, sondern ein der Buchausgabe
ebenbürtiges, in den Recherchemöglichkeiten diese sogar übertreffendes
und bequemer zu benutzendes Angebot. Da diese CD-ROM sicher noch weit
von ihrer Kapazitätsgrenze entfernt ist, wäre es natürlich von
unschätzbarem Vorteil, wenn sich die National Gallery entschließen
würde, auch die ausführlichen Informationen ihrer Hauptkataloge
- möglichst in aktualisierter Form - auf derselben CD-ROM anzubieten.
Wenn die technischen Voraussetzungen gegeben sind, sollten die
Bibliotheken nicht darauf verzichten, ihren Benutzern diese CD-ROM
- möglichst zusätzlich zur gedruckten Ausgabe - anzubieten.
Städelsches Kunstinstitut <Frankfurt am Main>
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