Der Problematik, die ein solches Unterfangen mit sich bringt, sind sich die Herausgeber stets bewußt gewesen. Und so wollten sie keine Musikgeschichte schreiben, "der alles in größter Leichtigkeit zu entnehmen wäre, und die gleichzeitig wie ein österreichisches Musiklexikon zu benutzen" ist (Vorwort, S. 13). Ein besonderes - speziell österreichisches - Problem ergab sich zusätzlich durch die sich in der Geschichte ständig ändernde territorialen Ausdehnung Österreichs. Daher versuchten die Autoren, keine musikalische National-, sondern eine Territorialgeschichte zu schreiben.
Mit der zusammenhängenden Darstellung des Wissensstandes wendet sich das Werk an den interessierten Laien, gibt aber auch dem Fachmann weiterführende Literatur an die Hand. Zur besseren Orientierung innerhalb der Kapitel werden gesellschaftliche Rahmenbedingungen berücksichtigt, dabei aber die Musik selbst nicht aus den Augen verloren, woran den Herausgebern besonders gelegen war, und was durch einige, den Text ergänzende Notenbeispiele erreicht wird. Die Kapiteleinteilung folgt meist der Chronologie, allerdings mit zwei Ausnahmen: das Mittelalter wird inhaltlich nach Trägerschichten dargestellt und die Volksmusik des 19. Jahrhunderts zusammengefaßt. Eine allgemeine Kompositions-, Gattungs- und Stilgeschichte wird nur insoweit angedeutet, als dies zum Verständnis der österreichischen Musik notwendig ist.
Der 1. Bd. entspricht, obwohl er zwei völlig neue Texte enthält, ganz dem der 1. Aufl. Er reicht in 10 Kapiteln vom Paläolithikum bis zum Ende des 17. Jahrhunderts. Abgehend von der üblichen musikgeschichtlichen Einteilung wird in den Titeln der einzelnen Kapitel auf die politische Geschichte Bezug genommen. Bd. 2 umfaßt in 5 Kapiteln die Zeit der "Vollendung des Barock" bis "Biedermeierzeit und Vormärz". In ihm ist der musikgeschichtlich interessanteste Bereich behandelt. Ungeschminkte Biographien von Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart zeigen in einer fundierten und sachlichen Betrachtung die Forschungsproblematik auf, ohne auf einen flüssigen Stil zu verzichten. Der 3. Bd. mit seinen 4 Kapiteln umfaßt die Zeit von 1848 bis zur Gegenwart und berücksichtigt in der Darstellung der Kultur ab 1945 unter anderem das österreichische Musikschulwesen, widmet sich der "Musik als Ware", der Popularmusik, dem Austropop und dem Jazz. Je ein Namen-, Sach- und Ortsregister erschließen die einzelnen Bände.
Überzeugen kann die Musikgeschichte Österreichs nicht nur durch die sehr übersichtliche Gliederung im Gesamtaufbau, die viele Unterpunkte umfaßt, was ein schnelles Auffinden von Informationen zuläßt, sondern auch durch die gefällige und schlüssige Darstellung der Musikgeschichte, die sich nicht manisch an Jahreszahlen orientiert. Die relativ sparsame Bebilderung unterstreicht den Anspruch wissenschaftlicher Sachlichkeit. Da es keine neueren vergleichbaren Werke gibt, ist die Musikgeschichte Österreichs auch in ihrer 2. Aufl. mit ihrem verbesserten Inhaltsverzeichnis konkurrenzlos; sie stellt eine bedeutende Leistung auf dem Gebiet umfassender Gesamtdarstellungen der Musikgeschichte dar.
Klaus Peter Leitner