Um Licht in dieses Dunkel zu bringen, entstand vor rund zehn Jahren am
Zentrum für Nordamerika-Forschung der Universität Frankfurt das
Projekt eines umfassenden USA-Lexikons, das sich sowohl an
Spezialisten als auch an allgemein Interessierte wenden soll. Das
dicke Nachschlagewerk mit seinen knapp 1000 Seiten schließt eine Lücke
in der deutschen Nordamerika-Forschung und löst den selbstgestellten
Anspruch, auf dem neuesten Stand der Forschung "eine informierte
Beschäftigung mit und vertieften Zugang zu den USA (zu) erleichtern",
auf überzeugende Weise ein. 108 zumeist deutsche Amerikanisten
behandeln in (lt. Waschzettel) mehr als 500 namentlich gezeichneten
Artikeln - als Lemmata dienen grundsätzlich englischsprachige Begriffe
und Namensformen - Schlüsselbegriffe aus "Politik, Wirtschaft,
Gesellschaft, Kultur, Geschichte und ... den deutsch-amerikanischen
Beziehungen" wie es im Zusatz zum Sachtitel heißt. Während das
englischsprachige Register lediglich einen Überblick über das
Vorkommen von Artikeln gibt sowie Verweisungen von nicht benutzten
Formen auf die benutzten enthält und das Namenregister die innerhalb
der Artikel behandelten Personen nachweist, bietet das Register der
deutschsprachigen Begriffe einen Eindruck von den sachlichen
Schwerpunkten: es dient nämlich nicht nur der Hinführung zu den
englischsprachigen Lemmata, sondern führt unter weiten Schlagwörtern
auch zugehörige weitere Lemmata auf. So wird von Kalter Krieg (außer
auf das Lemma Cold war) auch auf Antikommunism, Marshall Plan, Truman
Doctrine, Vietnam War und Voice of America verwiesen. Auch am Schluß
der Artikel findet man Verweisungen auf verwandte Artikel, so z.B.
beim selben Artikel Cold war auf Central Intelligence Agency, High
tech industry, Intelligence, Strategic Arms Limitation Treaty und
Vietnam War.[3] Die beiden Beispiele lassen also eine mangelnde
Stringenz in der Verweisungspraxis erahnen, zumal sich im Text des
Artikels selbst noch Verweisungen auf Truman doctrine, Marshall plan,
Korean war, Monroe doctrine, Cuban missile crisis, Détente,
McCarthyism und Iran-Contra affair finden. Die Artikel schließen
häufig mit weiterführenden Literaturangaben und bei Artikeln über
Institutionen werden auch Adressen angegeben. Die Literaturangaben,
insbesondere auch die in der merkwürdigerweise überwiegend auf
deutschsprachige, zusammenfassende Werke beschränkten
Auswahlbibliographie am Schluß des Bandes, entsprechen jedoch nicht
immer dem neuesten Forschungsstand.[4]
Bemerkenswert sind vor allem die Bemühungen des USA-Lexikons, auf den
Erkenntnissen der US-Forschung aufbauend, bei der Betrachtung von
Vergangenheit und Gegenwart der USA den Reichtum an Quellen und
Methoden zu berücksichtigen. Dabei beschränkt es sich keineswegs auf
eine traditionell politiklastige Perspektive. Vielmehr finden sich
neben Informationen über ethnische Minderheiten, Frauen und die
Arbeiterbewegung auch Einträge über Coca Cola, Football, Hollywood und
Political correctness.[5] Im Anhang findet sich ein mit 117 Seiten etwas
zu üppig geratenes Verzeichnis gebräuchlicher Abkürzungen und
Kurzwörter von A für Adult bis ZS für Zoological Society, bei
Körperschaften immer mit Angabe der Adresse. Die allerwenigsten davon
sind auch mit Artikeln im Lexikon vertreten und dann mit einem
Asteriskus markiert. Außer diesen wichtigeren und anderen nützlichen,
finden sich auch modische Zeitgeistbezeichnungen wie DINKY (Double
income, no kids yet) für ein noch kinderloses Paar mit zwei Einkommen
oder SKIPPIES (School kids with income and purchasing power) für
Schulkinder mit Einkommen und Kaufkraft. Weitere Beigaben: Die Texte
der Unabhängigkeitserklärung und der amerikanischen Verfassung (in
deutscher Übersetzung); zwei Seiten mit zusammen vier Schaubildern und
Karten, die man sich in ihrer Dürftigkeit hätte sparen können; Maße
und Gewichte; aktuelle Anschriften (einschließlich der im Sommer 1995
geschlossenen Amerika-Häuser in Hannover und Stuttgart).
Nachteil des Nachschlagewerkes, das "den Wissensstand über den für uns
so wichtigen Partner USA wesentlich (zu) verbessern" vermag, ist das
weitgehende Fehlen von Artikeln über wichtige Persönlichkeiten, wenn
man von Henry Kissinger und Friedrich Wilhelm von Steuben einmal
absieht. Das hätte allerdings auch den Rahmen eines einbändigen
Kompendiums gesprengt. Zudem ist der Hinweis im Untertitel auf die
"deutsch-amerikanischen Beziehungen" nicht ganz zutreffend, fehlen
doch wichtige Beiträge zur deutschen Teilung und zu deren Überwindung,
an der die USA ja nicht ganz unbeteiligt waren, oder auch zur
symbolträchtigen Berlin-Frage.
Julius Redlings Kleines USA-Lexikon ist ein Nachschlagewerk mit einer
ganz anderen Funktion und für einen etwas anderen Benutzerkreis, was
sich allein schon an der wesentlich höheren Zahl der Artikel ablesen
läßt, die sich bei rund 250 Seiten Umfang im Taschenbuchformat auf ca.
2100 beläuft und die Fakten aus Geographie, Geschichte, Politik,
Wirtschaft und Kultur der USA erläutern. Wer hier vertiefende
Informationen, etwa auch weiterführende Literatur, wünscht, sucht
vergebens. Auch das Kleine USA-Lexikon verfügt über ein
Verweisungssystem, mit dessen Hilfe man themenverwandte Einträge
aufspüren kann. Neben der Glossar-Funktion, dem Leser typisch
amerikanische Begriffe wie Dixie, homesteader, Rip van Winkle oder
Tammany Hall zu erläutern, liegt eine besondere Stärke des Lexikons in
seiner Nähe zum Alltag. So kann sich ein USA-Reisender über
amerikanische Feiertage, Zeitzonen und Nationalparks ebenso kundig
machen wie über das Trinkgeld, American breakfast und das
Telephonieren. Daneben informieren aber auch Einträge wie etwa
Gewerkschaften, Religionen, Schulsystem oder Waffentragen kurz und
prägnant und geben Anregungen zu weiteren Nachforschungen. Fazit: Der
Student, Lehrer, Zeitungsleser, Journalist und Reisende findet hier
vor allem viel praktische Informationen über Amerika, die er sonst in
dieser Dichte wohl kaum irgendwo vorfindet.
Michael Weißenborn
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