Der Teilband Schlesien hat in der neuen Fassung nicht mehr 81, sondern mit Waldemar Grosch weithin nur einen Bearbeiter. Berücksichtigt man zudem, daß die 174 beschriebenen Städte gegenüber der Erstauflage sogar noch 27 Neuzugänge enthalten, fordert diese Leistung um so größeren Respekt. Wenigstens etwas erleichtert wurde die Aufgabe durch die umfangreiche Materialsammlung am Institut für Vergleichende Städtegeschichte sowie durch den weitgehenden Verzicht auf eine Fortschreibung der Artikel für heute nicht mehr zum deutschen Staatsgebiet gehörige Orte. Hier beschränkt sich die Neuauflage auf die Korrektur und Vervollständigung der Angaben bis 1945 und einige Nachrichten über neuere Quellen und Literatur, Bevölkerungszahlen, eingetretene Gebäudeverluste, deutsch-polnische Städtepartnerschaften u.ä. Sowohl bei den gründlich fortgesetzten Artikeln als auch bei den eben skizzierten ist jeweils der volle Wortlaut der Erstauflage von 1939 in die Neufassung integriert. Im Druckbild sind diese Zitate kursiv gesetzt. Welches Ausmaß die Ergänzung der Ursprungsversionen trotz der selbst auferlegten Bearbeitungsgrenzen angenommen hat, läßt sich an der Verdoppelung des Gesamttextumfangs ablesen - von Auras bis Zülz 474 Seiten. Das zugrundegelegte Territorium Schlesiens wurde gegenüber der Erstauflage nicht verändert. Es entspricht dem Gebietsstand vom 1. Januar 1939 und schließt demnach die Städte Ostoberschlesiens und Österreich-Schlesiens sowie die Orte der 1941 annektierten polnischen Grenzkreise aus. Die alphabetisch geordneten Städteartikel werden durch eine instruktive Einführung Winfried Irgangs über "Land und Städte in Schlesien" ergänzt. Beigegeben sind ferner eine Übersicht über das Gliederungsschema der Beschreibungen, ein Verzeichnis der erfaßten Orte, eine Städtenamen-Konkordanz (polnisch-deutsch), eine Schlesien-Karte sowie ein allgemeines Quellen- und Literaturverzeichnis.
Von der Erstauflage hat die Neubearbeitung nicht nur den Text, sondern auch das Gliederungsprinzip übernommen. Damit ist ein entscheidender Vorzug des Deutschen Städtebuches - die gute Vergleichbarkeit der einzelnen Städteprofile - auch weiterhin gewahrt. Erfreulicherweise ebenfalls beibehalten ist die detailreiche und sorgsame Berichterstattung, wie man sie heute nicht mehr oft findet. So lernen wir auf rund sieben, im Telegrammstil gehaltenen Seiten z.B. die Entwicklung der Görlitzer Stadterweiterung und die Baugeschichte der Görlitzer Kirchen kennen. Wir lesen von bedeutenden Handwerkeraufständen gegen Ende des 14. Jahrhunderts und ersten reformatorischen Bestrebungen in der Stadt (1525). Wir stoßen auf die wichtigsten Görlitzer Industriebetriebe um 1850 und das Gründungsjahr der elektrischen Straßenbahn (1897). Wir erfahren das exakte Ende des Zweiten Weltkriegs in Görlitz (8.5.1945) sowie das Ausmaß der dortigen Kriegszerstörungen (gering). Spezielle Literaturhinweise schließen viele Textblöcke ab. Gliederungspunkt 19 nennt zudem wie stets übergreifende Quellenwerke und Darstellungen der Stadtgeschichte, Punkt 20 führt Aufbewahrungsorte von stadtgeschichtlichen Quellen auf.
Das Schlesische Städtebuch ist folglich eine schier unerschöpfliche
Quelle für zahlreiche Wissenschaftsfächer, ein wertvolles
Nachschlagewerk für die kommunale Verwaltung und - ein Lesebuch für
alle Schlesienfreunde. Es sollte in keiner größeren Bibliothek fehlen.
Abgesehen von gelegentlichen Informationslücken und Redaktionsfehlern,
die angesichts des Umfangs des relevanten Materials gar nicht
ausbleiben können,[1] richten sich Einwände lediglich gegen die
technische Einrichtung des Werkes. Hier wäre zunächst zu raten, die
selten entbehrliche Kurzübersicht über das
20-Ziffern-Gliederungsschema in den Folgebänden so mitzuliefern, daß
sie stets während der Lektüre der Städteartikel benutzbar ist
(eventuell ähnlich der ausfaltbaren Schlesien-Karte). Sehr viel weiter
zielen Zweifel hinsichtlich der gewählten Veröffentlichungsform.
Während die derzeit grassierende Umwandlung von Druckausgaben in
CD-ROMs durchaus nicht immer hilfreich scheint, liegen die Vorteile
einer maschinenlesbaren Version im Fall des Schlesischen Städtebuches
klar auf der Hand. Komplexere Fragestellungen (z.B. Genese der
schlesischen Städtelandschaft, Ausbreitung der Reformation in
Schlesien, Entwicklung des öffentlichen Nahverkehrs, Ausmaß der
Kriegsschäden in den schlesischen Städten) wären dann erheblich
leichter zu beantworten, ja der immense Materialreichtum des Werkes
würde in dieser Form wohl erst seinen vollen Wert erreichen.
Mit dem ersten Teilband des Deutschen Städtebuches verbindet das
zweite zu besprechende Werk, Das deutsche Städtelexikon, im Grunde nur
das Thema. Das Nachschlagewerk will "über rund 1850 Städte und größere
Gemeinden der Bundesrepublik Deutschland" informieren. Außer einer
etwa halbseitigen Vorbemerkung enthält es nur die Ortsbeschreibungen,
eingestreute kleine Schwarzweißphotos sowie einen schmalen
Farbbildteil in der Bandmitte. Register sind nicht vorhanden,
ebensowenig irgendwelche Literaturhinweise. Ein einheitliches
Beschreibungsschema ist stillschweigend angelegt, wird aber nicht
konsequent durchgehalten. Neben den größeren Städten berücksichtigt
das Städtelexikon willkürlich auch kleinere Orte, die den beiden
Herausgebern "aufgrund ihrer kulturellen oder wirtschaftlichen
Bedeutung (Heilbäder, Fremdenverkehr)" erwähnenswert schienen. Ob
solches für Gemeinden wie Kreuzau (Nordrhein-Westfalen), Künzell
(Hessen), Linkenheim-Hochstetten (Baden-Württemberg), Losheim
(Saarland) oder Niesky (Sachsen) zutrifft, möge der Leser
entscheiden.
Das Deutsche Städtelexikon gibt sich als "neue, völlig überarbeitete"
Fassung einer 1983 erschienen Ausgabe. Schon wenige Stichproben zeigen
indes, daß sowohl Texte wie Abbildungen vielfach nicht dem neuesten
Stand entsprechen. Falsche Angaben oder unglückliche Formulierungen
vermehren die Fehlerzahl. So besitzt etwa Freiburg im Breisgau seit
einigen Jahren ein Museum für Neue Kunst, das in der Aufzählung der
Museen bezeichnenderweise nicht vorkommt. Bei der Charakterisierung
des Freiburger Theaters ist das Tanztheater nicht erwähnt, in jüngster
Zeit oft die angesehenste Sparte. Daneben ist das "Wirtschaftsleben"
in dieser Stadt ganz gewiß nicht "von einer aufstrebenden Industrie
bestimmt", sondern von Universität und Fremdenverkehr. Eher banal
scheint im übrigen die langatmige Auflistung der Verkehrsverbindungen
und der vorhandenen Behörden oder der Hinweis, daß Freiburg über
Gymnasien, Realschulen und Berufsschulen verfügt. Die häufige
Banalität des Berichteten wirkt insbesondere bei den kleineren Orten
verheerend.[2] Das deutsche Städtelexikon wird somit seinem
ambitionierten Namen sicher nicht gerecht. In den meisten Fällen wird
es durch ein gewöhnliches Konversationslexikon voll ersetzt werden
können. Daß es zudem schlecht hergestellt ist (mangelhafte
Aufschlagfähigkeit, Auflösung der Bindung nach kurzem Gebrauch),
vervollständigt nur den ungünstigen Eindruck. Besonders ärgerlich ist
schließlich auch der Versuch des Verlages, die unverkaufte Restauflage
des Buches durch ein Täuschungsmanöver wieder in den Handel zu
bringen. Trägt der ursprüngliche Buchumschlag den Aufdruck "Ausgabe
93/94", so wurde das entsprechende Schriftband zwischenzeitlich
geschickt durch "Ausgabe 94/95" überklebt.[3]
Achim Bonte
Zurück an den Bildanfang