Neben dem Korantext selbst galt auch dem Leben und Wirken des Propheten die besondere Aufmerksamkeit der islamischen Gelehrten. Gilt doch sein Lebensweg als vorbildlich für die Muslime, so sind die Beispiele seiner Handlungsweisen sowie seine Reden und Aussprüche neben dem Koran die zweite Quelle für die Ausformung des islamischen Religionsgesetzes.
Das christliche Abendland setzte sich seit dem frühen Mittelalter mit der zunächst als Gegnerin angesehenen Schwesterreligion auseinander. Erste Belege dafür sind die antiislamischen Polemiken des Johannes Damaskenos (ca. 680 - 750), der als arabischer Christ den Koran im Original lesen konnte und des Niketas von Byzanz (9./10. Jh.), dem möglicherweise eine griechische Übersetzung vorlag. Im westlichen Abendland wurde die erste noch erhaltene lateinische Koranübersetzung, die von Robert von Ketton (Mittelengland) im Auftrag des Petrus Venerabilis von Cluny angefertigt wurde, im Jahre 1143 vollendet. Nach Jahrhunderten durch Feindschaft und Polemik gekennzeichneter Auseinandersetzung beschäftigt sich die orientalistische Forschung seit dem 19. Jh. in wissenschaftlich-objektiver Form mit dem Islam im allgemeinen und dem Koran im besonderen.
Das hier vorzustellende Werk will einen Einblick in das Schrifttum über den Koran, die Biographie des Propheten und über den Islam ganz allgemein gewähren. Sein Verfasser, ein Antiquar mit - wie der Firmen- und Verlagsname zeigen - orientalistischem Spezialinteresse, verfolgt dabei allerdings weniger das Ziel einer möglichst umfassenden Bibliographie der existierenden Literatur zur Koranwissenschaft und Islamkunde, vielmehr möchte er dem Interessierten durch die Auswahl und katalogmäßige Präsentation von 300 meist älteren oder in bibliophilen Ausgaben vorliegenden Publikationen, darunter auch einige Handschriften (z.B. Nr. 1, 215), in die Thematik einführen.
Die getroffene Auswahl erfolgte nach wissenschafts- und buchgeschichtlichen Kriterien. Sie ist sicherlich subjektiv, dies räumt der Verfasser in seiner Einleitung selbst ein, dennoch ist sie nicht zufällig. Auch wenn bei der Aufnahme der Titel in den Katalog die Belange des Antiquars und diejenigen des bibliophilen Sammlers eine Rolle gespielt haben dürften, so kann das dargebotene Material durchaus als repräsentativ angesehen werden, insbesondere, weil neben älteren Publikationen (insgesamt 107 Titel; der älteste stammt von 1550) in großer Zahl auch jüngere und neueste Veröffentlichungen (bis Erscheinungsjahr 1994) Berücksichtigung fanden.
Der eigentliche Katalog gliedert sich in vier Hauptteile: 1. Mohammed-Biographien, 2. Der Koran, 3. Koran-Studien und 4. Islam-Literatur; jedem Kapitel geht eine kurze Einführung voraus, die - wie auch die Einleitung zum Katalog dreisprachig (deutsch, englisch, arabisch) - abgefaßt ist. Alle Titel sind zweisprachig annotiert (deutsch und englisch); die Annotationen bringen neben der physischen Zustandsbeschreibung des zugrundeliegenden Exemplars häufig noch - z.T. sehr ausführliche - Informationen über Autor und Inhalt des Werks sowie über seine Entstehungsgeschichte.
Zu den einzelnen Teilen des Katalogs: Das Kapitel Mohammed-Biographien (S. 11 - 48) enthält 78 Einträge und beginnt (Nr. 1) mit einer in der Türkei oder in Persien angefertigten arabischen Handschrift aus dem Jahr 1775. Sie enthält den Text des Kitab as-Sifa, der Prophetenbiographie des Qadi `Iyad, der 1083 - 1149 in Nordafrika lebte und wirkte. Unter den weiteren Titeln finden sich wissenschaftliche Darstellungen, wie die Mohammed-Biographien von Frants Buhl (Nr. 18), Alois Sprenger (Nr. 68) und Maxime Rodinson (Nr. 65), um nur drei Beispiele zu nennen, wie auch literarische Bearbeitungen der Vita Mohammeds, so z.B. Goethes Trauerspiel Mahomet (Nr. 37), eine Übertragung von Voltaires Le Fanatisme ou Mahomet le ProphŠte ins Deutsche.
Im Kapitel Der Koran (S. 49 - 150; Nr. 79 - 193), das den
umfangreichsten Teil des Katalogs darstellt, sind insgesamt 115
Ausgaben und vor allem Übersetzungen des Hl. Buches der Muslime
zusammengetragen. Natürlich bildet dies nur einen Bruchteil der
bekannten Übersetzungen des Korans,[2] jedoch sind die wichtigen
Textausgaben im arabischen Original (43 Ausgaben) und Übersetzungen in
13 verschiedenen Sprachen verzeichnet, angefangen von der lateinischen
Übertragung Theodor Biblianders (Nr. 102) von 1550, der ersten
gedruckten Koranübersetzung überhaupt, über Versuche literarischer
Nachdichtungen, z.B. aus der Feder Friedrich Rückerts (Nr. 166), bis
hin zu modernen wissenschaftlichen Übersetzungen, beispielsweise
derjenigen Rudi Parets (Nr. 158). Die Anordnung der Titel erfolgt nach
dem Übersetzer, nicht nach der Sprache. Dem Kapitel geht deshalb ein
Register nach Sprachen voraus.
Im Kapitel Koran-Studien (S. 151 - 176; Nr. 194 - 246) sind einige
ältere, zumeist aber jüngere und neueste Studien zum Koran
zusammengestellt, einschließlich klassisch-arabischer Korankommentare
(z.B. Nr. 196, 215), Bibliographien (Nr. 205), Konkordanzen (Nr. 211)
und Wörterbüchern (Nr. 236). Auch hier sind die gängigeren Titel
erwähnt; allerdings fehlt Theodor Nöldekes dreibändige, 1860 zum
ersten Mal in Göttingen erschienene Geschichte des Qorƒns, die aus
wissenschaftshistorischen Gründen in dieses Kapitel gehört.
Im letzten Kapitel, unter der Überschrift Islam-Literatur (S. 177
- 203; Nr. 247 - 300), sind schließlich etwas mehr als fünfzig meist
neuere Abhandlungen über die Religion, Geschichte und Kultur des
Islams zusammengetragen.
Der Katalog schließt mit einem Register der Verfasser- und
Übersetzernamen, einem deutschen und einem englischen Sachregister,
einem Verzeichnis der Druck- und Verlagsorte bis 1860 sowie dem
Verzeichnis der benutzten Bibliographien.
Die bibliographischen Angaben sind genau und zuverlässig, wie
Stichproben gezeigt haben. Kritisch anzumerken ist nur der Umgang mit
der Umschrift arabischer Namen und Titel, hier wurden verschiedene
Systeme miteinander vermengt. Besonders deutlich zeigt sich dies bei
der Benutzung der Indizes; so findet man im englischen Index of
subjects z.B. den Eintrag Gihƒd (Hl. Krieg), obwohl die korrekte
englische Umschreibung Jihƒd lauten müßte; im Namensregister wiederum
findet man, englisch umschrieben, Rumi, Maulana Jalƒl al-DŒn, nach der
deutschen Umschrift müßte man aber R–mŒ, Maulƒnƒ Galal ad-DŒn
schreiben. Der gleiche Buchstabe J wird an anderer Stelle zur
Wiedergabe des arabischen Buchstabens Ya verwendet, wie in älteren
Publikationen, z.B. beim Namen el-Sen–si, Ab– Abd-allƒh J–suf. Nach
der korrekten deutschen Umschrift müßte es lauten: as-San–sŒ, Ab–
Abdallƒh Y–suf. Weitere Beispiele ließen sich finden. Zumindest für
die Indizes hätte man ein einheitliches System verwenden sollen. Es
erleichtert die Suche.
Von der Umschrift abgesehen, ist der Katalog sehr sorgfältig
bearbeitet und darüber hinaus auch in sehr ansprechender Typographie
und Aufmachung präsentiert. Für den interessierten Laien und den
Sammler alter, kostbarer Bücher stellt er mit Sicherheit eine
Fundgrube und ein wichtiges Informationsmittel dar. Hilfreich für ihn
sind nicht zuletzt auch die zahlreichen in die Beschreibungen
eingestreuten Faksimiles von Titelblättern der behandelten Werke. Für
den orientalistischen Fachmann dagegen dürfte dieser Katalog
allenfalls hinsichtlich der älteren Titel von Interesse sein; an ihnen
kann man in Ansätzen den Fortschritt der orientalischen und
orientalistischen Studien in Europa beobachten.
Walter Werkmeister
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