Bibliographische Information ist natürlich nicht der Zweck des Buches, sondern lesbare Unterrichtung eines größeren literarisch interessierten Publikums. In schöner Abwechslung wird der Blick bald auf ein Werk, den Fröhlichen Weinberg oder den Schinderhannes etwa, bald auf eine Phase der Biographie, bald auf eine persönliche Begegnung gelenkt. Besonders lebendig die Passage, die das späte Zusammentreffen mit Oskar Kokoschka und die schwierigen Porträt-Sitzungen schildert.
So kann man z.B. den "Aufruf an die Partei der Nichtwähler", den Zuckmayer 1930 in Reclams Universum zusammen mit Rudolf G. Binding, Waldemar Bonsels, Gerhart Hauptmann, Max Planck, Max Slevogt, Eduard Spranger, Karl Voßler und anderen veröffentlichte, nachlesen. Es war das erste Mal, daß Zuckmayer sich an einer politischen Proklamation beteiligte: "Die Partei der Nichtwähler hat ... verhindert, daß die verantwortungsbewußten Parteien verstärkt und zu neuen, wirklichen Machtfaktoren wurden. Die Folge ist, daß unserer gesamten Politik das Rückgrat mangelt."
Es hatte nichts gefruchtet. 1932 beobachtete Zuckmayer mit seiner Frau und dem Verlegerehepaar Bermann-Fischer den Auftritt von Joseph Goebbels im Berliner Sportpalast, zu dem Emil Jannings die Eintrittskarten besorgt hatte: "Ganz allein, und gleichsam in der eisigsten Einsamkeit, so wie wenn man auf einem schwachen, zerbrechenden Floß dem Toben schrecklicher und erbarmungsloser Naturgewalten ausgesetzt wäre - so standen wir vier unter den zur blinden, dumpfen Gewalt gewordenen Tausenden, mit zusammengebissenen Zähnen und unsere Arme fest an den Körper gepreßt. Keiner von uns hätte auch nur dran gedacht, in diesem Augenblick anders zu handeln, unter den Augen des spöttischen Verfolgers, der von der Galerie herab jede unsrer Bewegungen beobachtete, feige zu werden. `Pfui! Arme hoch!! Verräter! Schweine! Juden! Saujuden! Bolschewisten!' klang es gellend überall um uns herum in den Gesang [des Horst-Wessel-Lieds] hinein, und eine alte Jungfer zwei Reihen hinter uns versuchte schon über ihre Vordermänner weg, mit dem Regenschirm nach uns zu schlagen. Wie lange hat das wohl gedauert? Ein paar Minuten? Es war eine böse Ewigkeit." - Es blieb nichts anderes als die Emigration - das Leben auf der Farm in Vermont, auch dem ist ein Kapitel gewidmet.
Auch Kritisches wird mitgeteilt. Der glühende Zorn etwa, den Adorno publizistisch über Zuckmayers Fastnachtsbeichte ausschüttete: "Leibhaftige Unesco-Dichter schießen ins Kraut, die etwa dafür sich begeistern, daß auch inmitten der unmenschlichsten Situationen das Menschliche blühe", hatte er 1960 im Merkur geschrieben, und wenig später an Joachim Günther, den Herausgeber der Neuen deutschen Hefte sehr viel direkter: "Es ist höchste Zeit, daß dieser Katze die Schelle angehängt wird ... Ich darf Ihnen ... verraten, daß die Stelle über Unesco-Dichter, die sich darin findet, durch den Herrn Zuckmayer inspiriert wurde. Mir ist im deutschen Geistesleben weniges so widerwärtig wie diese offizielle Volkesstimme." Ein rückgekehrter Emigrant über einen anderen!
Solche Hinführung zu den Dokumenten ist es, die den Katalog auch für die wissenschaftliche Beschäftigung mit Zuckmayer unentbehrlich macht.
Hans-Albrecht Koch