Wie der Herausgeber im Vorwort präzisiert, ist "oeuvres littéraires"
hier in einem weiten Sinne zu verstehen, d.h. das Lexikon
berücksichtigt nicht nur alle literarischen Gattungen, sondern zudem
Werke der Literaturwissenschaft bzw. der Humanwissenschaften, wenn
diese durch ihre "écriture", durch Schreibweise, Stil, Intention etc.,
mit dem "Literarischen" in Verbindung stehen und nicht ausschließlich
oder primär der Vermittlung irgendwelchen Wissens dienen[1] (in diesem
Falle erhalten sie keinen eigenen Eintrag, sondern finden allenfalls
Aufnahme in die Überblicksartikel). Die Bezeichnung Werke "de langue
fran‡aise" schließt Werke von Autoren aus Frankreich, Belgien und der
Schweiz ebenso ein wie die von Autoren aus Québec, dem Maghreb,
Schwarzafrika, dem Libanon etc., und Werke "du XXe siŠcle" ist rein
chronologisch in dem Sinne zu verstehen, daß sämtliche analysierten
Werke zwischen dem 1. Januar 1901 und 1994 veröffentlicht wurden, also
beispielsweise frühe Werke von Claudel oder Gide nicht mehr
aufgenommen sind, dagegen aber späte Werke etwa von Zola, den der
Leser, anders als die beiden zuvor genannten Autoren, üblicherweise
eher dem 19. als dem 20. Jahrhundert zurechnet - ein gewiß
diskutierbares Kriterium, das jedoch zum einen den Vorteil klarer
Abgrenzung bietet, zum anderen zumindest teilweise dadurch
ausgeglichen wird, daß frühere Werke gelegentlich Eingang in die
Besprechung späterer finden, daß also etwa die Analyse von Gides
Faux-monnayeurs nicht umhin kann, die Paludes von 1895 zumindest noch
zu erwähnen.
Dieselben Grenzen besitzt die sich an das Werkalphabet anschließende
Chronologie, die ebenfalls von 1901 bis 1994 führt, indem sie jeweils
zunächst einzelne Zeitabschnitte summarisch darstellt und dann nach
Jahren geordnet sowohl die wichtigsten Ereignisse der "politique
fran‡aise et étrangŠre" als auch die wichtigsten Titel der
französisch- und, in geringerem Ausmaß, fremdsprachigen Literatur
aufzählt, ebenso wie eine Auswahl bedeutender Werke aus den Bereichen
Architektur, Bildhauerei, Malerei, Musik und Film sowie epochemachende
Erfindungen oder Ereignisse aus Wissenschaft und Technik.
Daneben wird das Lexikon ergänzt durch je ein Autoren- und
Titelregister, die beide nicht nur die im Hauptteil mit einem eigenen
Eintrag berücksichtigten Werke bzw. deren Verfasser aufnehmen, sondern
darüber hinaus zahlreiche lediglich erwähnte Autoren und Titel. Bei
den Schriftstellern, die mit mindestens einem Werkeintrag im Alphabet
vertreten sind, fügt das Register knappe biographische Angaben hinzu
und verweist nicht allein auf die besprochenen Titel, sondern wiederum
auch auf oft zahlreiche andere Stellen, an denen ein Bezug zum
betreffenden Autor hergestellt wird.
Die Werkartikel selbst geben nach dem Titel des zu besprechenden
Werkes zunächst dessen Verfasser, die Gattung sowie Verlag, Ort und
Jahr der Erstveröffentlichung an, bei Theatertexten zusätzlich Ort und
Jahr der Uraufführung, falls diese von denen der Erstveröffentlichung
abweichen. Diesen Informationen folgt, sofern der Text es erlaubt, als
erstes eine kurze Inhaltsangabe und anschließend eine - in Anbetracht
der Vielzahl der berücksichtigten Titel und der Beschränkung des
Werkalphabets auf gut 500 Seiten - zwangsläufig ebenfalls kurze, aber
oft erstaunlich prägnante und treffende Analyse des Textes, die sowohl
auf dessen Struktur, Verfahren und eventuelle Besonderheiten eingeht
als auch den Text im Kontext der übrigen Werke desselben Autors und
allgemein der jeweiligen Zeit oder literarischen Strömung situiert.
Die abschließende Bibliographie nennt regelmäßig eine Auswahl derzeit
lieferbarer Ausgaben und häufig eine Auswahl von Titeln aus der
Sekundärliteratur, wobei in seltenen Fällen auch unselbständig
Erschienenes aufgenommen ist. Um Wiederholungen möglichst zu
vermeiden, werden die Artikel ergänzt durch Verweisungen auf andere im
Lexikon besprochene Texte, auf Begriffe, die mit einem Autor oder Werk
in Zusammenhang stehen oder auf Bereiche, die in Überblicksartikeln
dargestellt werden.
Diese Überblicksartikel sind zwar in das Alphabet der Titel mit
aufgenommen, zugleich jedoch von diesem durch grau umrahmte Kästchen
abgesetzt. Fast immer, außer bei sehr kurzen Einträgen wie denen zu
Populisme oder Postmodernisme, weisen diese Artikel weitere
Untergliederungen auf, indem zunächst eine Art Definition oder
Kurzbeschreibung des jeweiligen Begriffs, Bereichs etc. gegeben wird,
der detailliertere Informationen zur Entwicklung, zu Untergebieten,
speziellen Ausformungen, Hauptvertretern o.ä. sowie in der Regel recht
aktuelle Literaturhinweise folgen (im Artikel Nouveau roman
beispielsweise noch ein Aufsatz von 1993; an anderen Stellen, etwa
unter Structuralisme, werden nicht Sekundärtitel aufgezählt, sondern
die gleichsam kanonisch gewordenen Texte des Strukturalismus von
Saussure und Jakobson, Lévi-Strauss, Foucault, Barthes und anderen),
so daß diese über die engen Grenzen einzelner Texte hinausgehenden
Sachartikel eine schnelle erste Information und zugleich die in der
gebotenen Kürze mögliche Detailgenauigkeit bieten.
Ein weiteres Werklexikon zum 20. Jahrhundert, allerdings beschränkt
auf die französischsprachige Literatur Schwarzafrikas, stammt von dem
zairischen Schriftsteller und Literaturwissenschaftler Pius Ngandu
Nkashama und erschien bereits ein Jahr vor dem von Mitterand
herausgegebenen Werk, das weit umfassender ist, dafür aber natürlich
längst nicht so viele schwarzafrikanische Texte aufnehmen kann wie
Ngandu Nkashama:
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