Die bibliographische Kontrolle der Dante-Literatur ist durch ihre unkoordinierte Verzettelung charakterisiert. Ein wesentlicher Grund für diese unbefriedigende Situation liegt darin, daß nicht nur die bedeutenderen Dante-Gesellschaften, sondern auch einzelne Dante-Forscher ohne Abstimmung untereinander laufende Bibliographien bzw. Fortschrittsberichte herausgeben, die zumeist in den jeweiligen Zeitschriften bzw. Jahrbüchern der Gesellschaften erscheinen; da es sich dabei um nationale Dante-Gesellschaften handelt, sind deren Bibliographien entsprechend eingeschränkt, was zu zahlreichen Überschneidungen führt, da etwa ein italienisch abgefaßter, in einer italienischen Zeitschrift publizierter Beitrag eines amerikanischen Danteforschers sowohl in den allgemeinen Dantebibliographien als auch in derjenigen der amerikanischen Dante-Gesellschaft verzeichnet wird. Dazu kommt nachteilig, daß die parallel erscheinenden laufenden Bibliographien besonders empfindlich auf Bearbeiterwechsel reagieren, so daß es leicht zu Unterbrechungen der Berichterstattung ebenso wie zu Änderungen in der Konzeption kommt.
Glücklicherweise gibt es jedoch auch mehrere retrospektiv erarbeitete
Mehrjahresbibliographien, die eine relativ bequeme, wenngleich alles
andere als aktuelle bibliographische Kontrolle ermöglichen. In diese
Reihe gehört die 1990 erschienene Bibliografia analitica degli scritti
su Dante von Enzo Esposito, eine umfassende Bibliographie der
Sekundärliteratur für die Jahre 1950 - 1970, die an frühere
Mehrjahresbibliographien anschließt, so daß jetzt eine Folge von
Dante-Bibliographien für die fünfzig Jahre von 1920 - 1970 vorliegt.[3]
Esposito ist ein ausgewiesener Danteforscher und -bibliograph, dem wir
- was die Bibliographie betrifft - mehrere Beiträge verdanken, vor
allem aber sein Verzeichnis Gli studi danteschi dal 1950 al 1964,[4] das
bisher als Fortsetzung der langen Reihe der Dante-Bibliographien zu
benutzen war, und dessen Inhalt in seine vorliegende Bibliographie
eingearbeitet wurde.
Auch wenn die Bibliographie in der Folge der vorausgehenden steht, so
unterscheidet sie sich doch in einem Punkt ganz wesentlich von diesen:
waren jene reine Titelbibliographien, so handelt es sich bei der
vorliegenden - durch den Begriff analitica im Titel angedeutet - um
eine annotierte Bibliographie. Die Annotationen reichen von
Inhaltsangaben (mit genauen Umfangsangaben der Beiträge) bei
umfassenden Werken und Sammelbänden über kurze beschreibende oder auch
kritische Anmerkungen bis hin zu ausführlichen Würdigungen; zu den
Annotationen gehört auch die Aufführung von Rezensionen in
chronologischer Folge. Voraussetzung für die Annotierung war
selbstverständlich Autopsie, was sich auch positiv auf die Qualität
der Titelaufnahmen auswirkt, die ausführlich und zuverlässig sind,
auch bei den zahlreichen fremdsprachigen Publikationen.
Die 9180 Titel sind nach einer adäquaten Systematik in 14, weiter
untergliederten Kapiteln geordnet: Bd. 1 (Nr. 1 - 2283) versammelt die
allgemeine Literatur: 1. Nachschlagewerke (Bibliographien und
Kataloge, Konkordanzen, Lexika); 2. Sammelwerke (hier auch die
zahlreichen Sondernummern von Zeitschriften); 3. Gesamtdarstellungen;
4. Biographisches; 5. - 7. Studien zum kulturellen Umfeld, zu
einzelnen Aspekten von Dantes Gedankenwelt und Kunst. Den ganzen Bd. 2
(Nr. 2284 - 6051) nimmt das Kapitel 8 mit der Literatur über Dantes
Hauptwerk, die Divina commedia ein; seine Gliederung ist
logischerweise die nach Gesamtdarstellungen und dann nach den drei
Teilen Inferno, Purgatorio und Paradiso, letztere weiter unterteilt
nach Gesamtdarstellungen und Literatur zu den einzelnen Gesängen. Bd.
3 schließlich (Nr. 6052 - 9180) verzeichnet in Kapitel 9 die Literatur
zu den kleineren Werken; die weiteren Kapitel behandeln: 10.
Handschriften und Drucke; 11. Kommentare und Kommentatoren; 12.
Illustrationen und Illustratoren; 13. Übersetzungen und Übersetzer;
14. Dantes Nachwirken und die Geschichte der Dante-Philologie.
Bd. 4 (S. 1297 - 1473) ist ganz den von Sara Esposito bearbeiteten
Registern vorbehalten: 1. Verzeichnis der Abkürzungen von
Zeitschriftentiteln mit der aufgelösten Form: die Liste enthält ca.
1600 Titel, darunter nicht nur die zahlreichen Dante gewidmeten
Zeitschriften sowie die philologischen in weitem Sinne, sondern auch
ganz spezielle aus ganz anderen Gebieten, die wohl nur ausnahmsweise
einen Beitrag zu Dante enthalten, wie z.B. die Zahnärztliche
Rundschau. 2. Register der Verfasser und aller sonstigen beteiligten
Personen sowie der Rezensenten (die Fundstellen für Rezensionen sind
durch Kursive markiert). 3. Das Sachregister enthält nicht nur
Eintragungen unter behandelten Personen, literarischen Gestalten,
Orten und Sachbegriffen, sondern auch lange, sachlich untergliederte
Eintragungen unter Dante sowie unter den Titeln seiner Werke: allein
der Eintrag unter Commedia nimmt 29 Seiten ein. Berücksichtigt sind
aber anscheinend nur die in den Titeln der Sekundärliteratur genannten
Begriffe, nicht dagegen die in den Annotationen aufgeschlüsselten
Inhalte.[5] Auch scheint dieses Register nicht ganz zuverlässig zu sein,
wie eine Zufallsstichprobe ergab: Unter Eliot, Thomas Stearns fehlen
z.B. die Nr. 7683 und 7685 aus dem ersten Abschnitt über das
literarische Nachleben Dantes in Kapitel 14. Diese Lücken im Register
sind insofern gravierend, als der genannte Abschnitt (es gibt noch
weitere, auf die das zutrifft) die Titel nur nach dem
Verfasseralphabet ordnet, statt systematisch nach allgemeinen
Untersuchungen, solchen zu einzelnen Nationalliteraturen und innerhalb
nach rezipierenden Autoren.
Trotz dieser Mängel ist die Bibliografia analitica degli scritti su
Dante die maßgebliche Dante-Bibliographie für die Berichtszeit, so daß
zu hoffen bleibt, daß Esposito bald die Fortsetzung für die folgenden
beiden Dezennien 1971 - 1990 vorlegt. Bis dahin kann man sich u.a. der
folgenden Bibliographie bedienen.
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