Daß eine einbändige Literaturgeschichte nicht ohne Mut zur Lücke bzw. deutliche Akzentsetzungen auskommt, bedarf kaum eines Kommentares. Im vorliegenden Fall hat sich der Herausgeber für die Darstellung "wichtiger Entwicklungslinien" und gegen "Theorien", eine ausführliche Bibliographie und die Berücksichtigung der katalanischen Literatur entschieden. Die Gliederung folgt dem etablierten Epochenschema vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert und setzt aufgrund der vorgenommenen Gewichtungen bestimmte Akzente. Das Mittelalter wird in drei Kapiteln dargestellt, die neben Lyrik, Epik, Roman und Drama des 12. - 15. Jahrhunderts auch die mittelalterliche Fachprosa betrachten. Entsprechend dem literarhistorischen Kanon nimmt die anschließende Darstellung des siglo de oro besonders breiten Raum ein, in fünf Kapiteln werden hier neben Entwicklungslinien der klassischen Gattungstrias auch die Bedeutung von "religiöser Literatur" sowie "Grammatikern, Humanisten und Moralisten" beleuchtet. Auf je ein Kapitel zur spanischen Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts folgt erneut eine separate Betrachtung der Entwicklung von Roman, Lyrik und Drama im 20. Jahrhundert. Den einzelnen Epochen ist jeweils ein knapper historischer Überblick vorangestellt, der es Laien und Studenten erlaubt, die Verknüpfung von literarhistorischen und sozio-politischen Ereignissen nachzuvollziehen. Wohl ebenfalls mit Blick auf diese Zielgruppe beschränken sich die Autoren bis auf wenige Ausnahmen auf den etablierten Kanon der spanischen Literaturgeschichte, dessen Darstellung aber leider nur bei Kohut mit kurzen Hinweisen zu Werkausgaben und einer gut ausgewählten Bibliographie sinnvoll ergänzt wird. Auch der Hinweis des Herausgebers im Vorwort auf die Romanische Bibliographie[1] und die Bibliographie der Hispanistik[2] kann diese Lücke nicht schließen. Eine von Studierenden immer wieder angebrachte Klage gilt dem ausschließlich auf Autoren beschränkten Register, da ihnen somit die einfache Lokalisierung von deutschen wie spanischen Fachtermini verwehrt ist.
Trotz der zu vermutenden unterschiedlichen literaturtheoretischen Ansätze der einzelnen Verfasser entsteht eine erstaunlich kohärente Darstellung der spanischen Literatur, was den Koordinationsbemühungen des Herausgebers zuzuschreiben sein dürfte. Vereinzelte Doppelspurigkeit, wie z.B. die Analyse der Celestina im dritten und sechsten Kapitel, oder jene zur generación del 98 mindern diesen Eindruck nicht. Aber gerade deshalb ist es bedauerlich, daß der Herausgeber im Vorwort nicht einige methodentheoretische Überlegungen ausgeführt hat. So wäre der offensichtlich weitestgehende Verzicht auf thematologische und intertextuelle Querbezüge zumindest einer kurzen Erläuterung würdig gewesen.
Zusammenfassend ist festzustellen, daß Strosetzkis Werk zu jedem
Zeitpunkt seinen Anspruch einlöst, ein Abriß der spanischen Literatur,
d.h. ein einführendes Arbeitsinstrument für Studenten und Laien zu
sein.[3] Es füllt somit eine wichtige Lücke im deutschen Sprachraum, die
aufgrund der rapiden Entwicklung des Faches immer deutlicher wurde.
Auch der studentenfreundliche Preis erlaubt es, die Geschichte der
spanischen Literatur Studierenden der Hispanistik als unverzichtbares
Instrument zur Anschaffung zu empfehlen.
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