Eine gutgemeinte Zugabe sind die locker eingestreuten Schwarzweiß-Abbildungen mäßiger Qualität, leider häufig keine typischen, die Individualität des Designs betonenden Beispiele. Sinnvoller wären Faksimiles der Markenschriftzüge der verschiedenen Firmen, gerade wenn mehrere Label zu einer (Vertriebs-)Gesellschaft gehören. Die bibliographischen Hinweise enthalten Primär- und Sekundärliteratur, und zwar sowohl Bücher als auch Aufsätze. Anglo-amerikanische Publikationen dominieren. Die Erschließung des Hauptteils geschieht über ein Namenregister. Ein Nationalitäten-Index faßt die Eintragungen nach nicht immer durchschaubaren Kriterien im englischen Länderalphabet zusammen. So wird Kenzo mit Firmensitz in Paris unter Japan, der gebürtige Türke Rifat Ozbek mit Adresse in London unter England geführt. Auf Seitenangaben wurde hier verzichtet. Contemporary fashion ist ein Appetithappen, ansprechend präsentiert und konzipiert. Die klare Tendenz, die Modewelt aus US-amerikanischer Perspektive zu beurteilen, ist Stärke und Schwäche zugleich. Sie zeigt jedoch, daß Frankreich und Italien nicht das Maß aller modischen Dinge sind. Dennoch vermißt man Namen wie Toni Gard, Annex oder Marc Cain schmerzlich; sie seien zur Ergänzung empfohlen.
Ein äußerst breitgefächertes Angebot bietet das Dictionnaire de la mode au XXe siŠcle. Im Vorwort werden 40 Themenfelder genannt, was schon ahnen läßt, daß hier nicht nur - wie in Contemporary fashion - über Label definierte Designermode behandelt wird, sondern auch die Faktoren Berücksichtigung finden, die diese beeinflussen. Neben den Modeschöpfern wird anderen Berufssparten wie den Coiffeuren, den Schminkspezialisten oder auch den Photographen und Journalisten Raum gegeben. Es ist schließlich nicht ganz unwichtig, daß Mode zwar einerseits Kleidung bedeutet, ein "Look" jedoch nur durch die perfekte Abstimmung von Kleinigkeiten erreicht wird. Die Transporteure eines solchen Gesamtkunstwerks kommen dann nicht zuletzt aus der Medienbranche. Außer biographischen Artikeln beinhaltet das Dictionnaire auch Erläuterungen zu Fachorganisationen und -termini, sogar die Geschichte einzelner Modejournale wird aufgeblättert. Die Einträge sind alphabetisch sortiert, Buchstabe für Buchstabe, wobei z.B. vorangestellte Artikel nicht übergangen werden. Ebenso gelten reine Abkürzungen als vollwertige Wörter. Personennamen, die gleichzeitig als Marken- bzw. Firmenbezeichnung fungieren, ordnen unter dem Anfangsbuchstaben des Vornamens. Claude Montana und Christian Dior stehen demzufolge unter C. Wo von Calvin-Klein-Unterwäsche gesprochen wird, bereitet diese Regelung keine Probleme, wer jedoch von einem Armani-Anzug träumt, sollte wissen, daß er unter Giorgio Armani suchen muß. Weder Namensverweisungen, noch ein adäquates Register schaffen hier Klarheit. Ganz auf Verweisungen, wenn auch anderer Qualität, verzichtet das Werk indes nicht. Soweit inhaltliche Bezüge zwischen einzelnen Artikeln bestehen, werden diese am Ende der Eintragungen aufgeführt. Das ersetzt - zumindest teilweise - den fehlenden systematischen Überblick, denn das Vorwort zählt zwar die behandelten Themenkreise auf, füllt sie aber nicht mit Substanz. Positiv fällt die Ausstattung des Werks mit Bildmaterial auf. Modephotos und -zeichnungen, Abbildungen einzelner Accessoires, Titelseiten von Magazinen und Portraits illustrieren schwarzweiß oder farbig die Begriffe. Besonders reizvoll sind die ganzseitigen Darstellungen. Die strenge Trennung von Nachschlagewerk und Bildband ist beinahe aufgehoben. Auf Erschließungshilfen in Form von Indizes wurde verzichtet; stattdessen beenden Literaturhinweise mit überwiegend französischen Titeln das Dictionnaire.
Im Grunde ist ein wirklicher Vergleich zwischen Contemporary fashion und dem Dictionnaire de la mode au XXe siŠcle kaum möglich, obwohl sie thematisch in dieselbe Richtung zielen. Auch der zeitliche Rahmen (zeitgenössisch bzw. 20. Jahrhundert) ist ähnlich gesteckt, doch greift das Dictionnaire etwas stärker in das 19. Jahrhundert zurück. Contemporary fashion ist jedoch völlig an den Modemacher und -marken orientiert, beschreibt und bewertet ihren Stil. Eine weitere Spezialisierung ist durch die sehr amerikanische Sichtweise des Sujets bedingt. Das Dictionnaire hingegen vermittelt einen umfassenden Eindruck von den verschiedenen Aspekten der Mode und enthält sowohl personen- als auch sachbezogene Informationen. Was die Bebilderung betrifft, so ist das Dictionnaire eindeutig überlegen. Ungeachtet der Tatsache, der höheren Sprachbarriere bei der Benutzung des Dictionnaire ist dieses das vielseitigere Werk, während Contemporary fashion in seiner jetzigen Form eher zur Abrundung des Bestandes geeignet scheint.
Diana Gersch