die nach Aussage der beiden Autorinnen angeblich das erste
Lexikon seiner Art in deutscher Sprache und in Europa war. Das stimmt
natürlich nicht, da es gerade in Deutschland ein frühes Beispiel für
ein Spezialverzeichnis von Komponistinnen gibt, nämlich das oben
erwähnte von Alfred Michaelis aus dem Jahre 1888. Die Autorinnen
nahmen
sich vor, die "Lücken innerhalb der Musikgeschichtsschreibung zu
füllen" (S. 4). Die oben zitierte, ein Jahr zuvor erschienene
International encyclopedia of women composers war den Autorinnen wohl
noch nicht bekannt, obwohl sich die biographischen Angaben des
deutschen Lexikons wie Abstracts der entsprechenden Teile des
amerikanischen Werkes lesen, das, gleichfalls nach Stichproben zu
schließen, reichere Bibliographien mit detaillierteren Angaben
enthält. Vermutlich haben beide dieselben Quellen ausgewertet. Die
Autorinnen kündigten "für Anfang der neunziger Jahre nicht nur die
englischsprachige Bearbeitung des Lexikons ..., sondern (einen)
Ergänzungsband mit weiteren 250 Komponistinnen aus aller Welt ..." (S.
4) an. Diese sind nicht erschienen. Dafür erfuhr der Rezensent während
der Drucklegung der vorstehenden Texte von dem bevorstehenden
Erscheinen eines ganz neuen Werkes, nämlich Komponistinnen aus 800
Jahren, weshalb er die Veröffentlichung der Rezensionen bis zu dessen
Erscheinen zurückstellte.
Obwohl an diesem Werk fast alles neu ist - eine neue Mitverfasserin,
ein neuer Verlag, ein wesentlich besseres Layout, sogar ein lesbares
Titelblatt, Register, von den gleich zu erwähnenden inhaltlichen
Verbesserungen ganz zu schweigen - befremdet es, daß das alte Lexikon
im Vorwort völlig übergangen wird; lediglich in der "Bibliographie"
mit wichtigeren Werken, aus denen die Autorinnen geschöpft haben, ist
das Lexikon von 1988 ohne weitere Annotation verzeichnet (daneben
jetzt auch die beiden eingangs besprochenen Lexika sowie das Werk von
Cohen; das von Michaelis fehlt weiterhin.)
Im Prinzip werden Komponistinnen aller Länder und Epochen verzeichnet;
der Schwerpunkt liegt beim 20. Jahrhundert. Über die Auswahlkriterien
erfährt man leider nichts Präzises. Eine Auszählung des Registers nach
Herkunftsland ergibt 326 Namen; die am besten vertretenen Nationen
sind: Deutschland 65, (nimmt man die deutschsprachigen Länder
insgesamt, so würde sich die Zahl um 13 für Österreich und um ca. 4
für die Schweiz erhöhen), USA 49, Frankreich 35, Großbritannien 26 und
Italien 19; zahlreiche Länder von Äthiopien über Hawaii und Korea bis
Venezuela sind nur mit einem einzigen Namen vertreten. Bei einem
Stichprobenvergleich mit dem ersten Buchstaben des Alphabets stellt
man verwundert fest, daß das alte Lexikon mit 23 Eintragungen nicht
nur reichhaltiger ist als das neue, das nur 21 Namen kennt, sondern
daß 6 Namen ganz weggefallen sind. Das bedeutet, daß man trotz der
nicht übersehbaren Verbesserungen im neuen Werk auf das alte nicht
völlig verzichten kann. Die Artikel für Komponistinnen, die in beiden
Lexika vorkommen, sind im neueren wesentlich überarbeitet,
Präzisierungen sind allenthalben unübersehbar, nicht zuletzt auch bei
den nach Gattungen gegliederten Werklisten und vor allem bei dem im
alten Lexikon meist fehlenden und jetzt ganz überwiegend vorhandenen
Abschnitt Bibliographie; auch der Abschnitt Diskographie wurde ergänzt
und aktualisiert, nur dürfte es hier erhebliche Probleme bei der
Identifizierung der Tonträger geben, da nur die Plattenfirmen genannt
sind. Die Zahl der Schwarzweiß-Abbildungen wurde gegenüber dem alten
Lexikon etwas verringert, die Porträtphotos häufig durch neue ersetzt
und die Zahl der Notenbeispiele ohne Verlust drastisch reduziert.
Verfügte das alte Lexikon über gar keine Register, so hat das neue
außer dem bereits erwähnten nach Herkunftsland noch ein alphabetisches
Register der Namen mit Angabe von Lebensjahren und Herkunftsland; ein
wünschenswertes chronologisches Register hätte nicht fehlen sollen.
- Trotz der relativ beschränkten Zahl von Komponistinnen stellen das
neue Lexikon - und für die nicht übernommenen Namen auch das alte
- wegen der umfangreichen subjektiven und objektiven
Personalbibliographien eine sinnvolle Ergänzung zu den beiden oben
zuerst besprochenen englischsprachigen Lexika dar. Das amerikanische
Werk von Cohen behält seinen Nutzen wegen der schieren Zahl der
verzeichneten Komponistinnen. Einen ganz anderen Rang als diese Lexika
wird eines Tages freilich das neue umfangreiche, durch lange Artikel
ausgezeichnete Nachschlagewerk Women composers einnehmen.
sh
- [1]
- The new Grove dictionary of music and musicians / ed. by Stanley
Sadie. - London : Macmillan, 1980. - Vol. 1 - 20 ; 26 cm. - ISBN
0-333-23111-2 : œ 850.00 [0599]. - Vgl. ABUN in ZfBB 28 (1981),4, S.
299 - 303. - Für Herbst 1996 ist eine preisgünstige broschierte
Ausgabe angekündigt, die in den deutschsprachigen Ländern über den
Akademischen Lexikadienst Münster, Rosenstr. 12 - 13, 48143 Münster zu
beziehen ist. - ISBN 1-56159-174-2 : DM 890.00, DM 780.00 (Subskr.-Pr.
bis 30.04.96).
(zurück)
- [2]
- Es ist dies nur ein Bruchteil der in folgendem Nachschlagewerk
verzeichneten 6196 Komponistinnen:
- International encyclopedia of women composers / Aaron I. Cohen. - 2.
ed., rev. and enl. - New York ; London : Books & Music. - 30 cm. -
ISBN 0-9617485-2-4 [3265]. - Vol. 1. A - Sai. - 1987. - [32], 608 S.
- Vol. 2. Sai - Zyb. Appendices. - 1987. - S. 609 - 1151 : Ill. - Das
Werk war nicht mehr in BiP 1995,Dez. verzeichnet, ist also vermutlich
vegriffen.
- Das Werk bietet Kurzbiographien, gefolgt von Listen 1. der
Kompositionen, untergliedert nach Gattungen, 2. sonstiger
Publikationen und 3. der Sekundärliteratur. Der Verfasser, der
Musikliebhaber und nicht Musikwissenschaftler ist, strebte nach
Vollständigkeit und wertete dazu nicht weniger als 653 Quellen
(Nachschlagewerke und sonstige Werke, die Komponistinnen in
nennenswertem Umfang enthalten) aus, die im Anhang in numerischer
Folge mit Verfasser- sowie Sachtitelregister verzeichnet sind; mit
diesen Nummern als Siglen werden die einschlägigen Quellen im Anschluß
an die Bibliographien der einzelnen Komponistinnen zitiert. Der
umfangreiche Anhang enthält außer der genannten Bibliographie: Photos
und sonstige Porträts auf 48 Tafeln; statistische Übersichten und
Register; Adressen einschlägiger Institutionen; eine Diskographie im
Alphabet der Komponistinnen mit Register nach Plattenfirmen. [sh]
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