Kein sinnvolles Telefonieren ohne Telefonbuch. Palettenweise stehen die neuen Telefonbücher im Postamt zur Abholung bereit. Wer keine Benachrichtigung erhalten hat, bekommt vom Postbeamten oder -angestellten auch keines. Oder er muß es kaufen. Hier hat zwischenzeitlich die Elektronik Einzug gehalten. Auf dem deutschen Markt sind derzeit mehrere elektronische Telefonbücher auf CD-ROM erhältlich, von denen hier zwei besprochen werden sollen: das "offizielle" der Telekom und das "kommerzielle" der Firma TopWare.
Die Telekom-Scheibe nennt sich Telefonbuch für Deutschland - "die eine für alle". Werbekräftige Texte der DeTeMedien zur Vermarktung der neuen CD-ROM-Ausgabe der offiziellen Telefonbuchausgabe. Welche Daten genau auf der CD sind, wird dem Käufer nicht erklärt, es ist ja ein Telekom-Produkt. Nach der Installation der CD-ROM muß der Benutzer den Kauf- und Nutzungsbedingungen der Telekom erst mal zustimmen, ehe er recherchieren kann. Ein Blick in die Nutzungsbedingungen informiert den Käufer nun, daß auf der CD-ROM eine Software namens Teleauskunft 1188, bestehend aus der Anwendungssoftware und den aufgezeichneten Telefon-Teilnehmerdaten, vorhanden ist. Neben allgemeinen urheberrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Hinweisen wird der Benutzer darauf aufmerksam gemacht, daß er Auswertungen der CD-ROM-Daten nicht an Dritte weiterleiten und die CD nicht in einem Netzwerk betreiben darf; vor allem darf er die CD-ROM-Anwendung nicht "zweckfremd" nutzen. Was dies ist, bestimmt die Telekom: es ist danach verboten, vollständige oder teilweise bzw. auszugsweise Daten zur gewerblichen Adressenverwertung weiterzugeben oder kommerzielle Auskünfte zu erteilen. Dementsprechend enthält die CD-ROM Einschränkungen in der Bedienungssoftware, die nachfolgend beschrieben werden.
Nach der Anerkennung der Lizenzvereinbarungen erscheint der Suchbildschirm. Es kann nach Ort, Namen, Vornamen, Straße, Postleitzahl und Vorwahl in einer Suchmaske recherchiert werden. Wer nun etwa auf die Idee kommt, nachzusehen, wer denn nun in einer Straße in einem bestimmten Haus wohnt (Hausnummer), wird enttäuscht: "Die Suche nach Straßen ist nur in Kombination mit einem Namen und einem Ort möglich" - Originalton Telekom-Auskunft. Wer ähnliche Anfragen nach Adressen verzweifelt schon einmal an die 1188 gestellt hat, kennt die Antwort bereits.
Möglich ist es aber, alle Namensformen bundesweit zu recherchieren und anzeigen zu lassen. Der Name des Rezensenten ist im Bundesgebiet danach 672 mal vorhanden; die Liste wird sehr schnell am Bildschirm aufgebaut. Wer nun diese Liste ausdrucken möchte, um alle seine vermeintlichen Verwandten anzurufen, wird wiederum enttäuscht: es können nur maximal 10 Teilnehmer mit Rufnummer ausgedruckt werden oder wahlweise 150 Teilnehmer ohne Rufnummer. Bei 672 Fundstellen müßten 5 Teillisten selektiert und aufgebaut werden, um diese 5 Listen dann ausdrucken zu können - wer tut dies schon?
Wer die 672 Namen von der CD-ROM exportieren und in eine eigene Datenbank integrieren will, steht ebenfalls vor derselben Einschränkung. Als Exportformate stehen "Ansi-Format, Textdatei, Semikolon Ansi-Format und Semikolon-ADR" zur Verfügung, aber immer nur für 10 bzw. 150 Einträge.
Namen können trunkiert gesucht werden, damit also auch Doppelnamen. Die Eingabe von Ort=Köln führt zu 441.593 Teilnehmern; in Köln gibt es 34.832 Teilnehmer die mit Nachnamen H beginnen; von diesen leben 2.007 Teilnehmer in einer Straße, die mit K beginnt. Dies sind Möglichkeiten, die zur Verfügung stehen, aber nur Statistiker befriedigen dürften.
Die CD-ROM wurde unter Windows 95 getestet (sie läuft nach Herstellerangaben unter Windows und auf Macintosh). Jeder gefundene Teilnehmer kann über ein Modem angewählt werden; dies - insbesondere die Modemkonfigurierung - geschieht bei Win 95 automatisch ohne großen Aufwand. Es ist nur ratsam, den Telefonapparat gleich neben dem PC stehen zu haben; beim ersten Versuch ertönte beim Telefonieren ein unangenehmer Pfeifton, der erst verschwand, als das Wählmenü am PC abgestellt wurde.
Suchanfragen können gespeichert und wiederaufgerufen werden. Die unter Windows 95 sehr angenehme Benutzerführung und Maskengestaltung bereitet keine Probleme. Der Bildschirmaufbau kann individuell eingestellt werden, Hilfetexte stehen zur Verfügung; die CD-ROM ist ohne großen Aufwand schnell zu bedienen. Dies ist allerdings auch kein Wunder bei dem geringen Nutzungsangebot. Eigentlich ist diese CD-ROM - wie ja auch der Nutzungsvertrag formuliert - nur eine PC-gestützte Telefonauskunft (1188). Der derzeitige Preis von DM 29.80 ist akzeptabel; was jedoch eher ärgerlich ist, wird aus dem Vergleich mit der Version 2.0 der D-Info-CD-ROM deutlich. Zudem sei der Telekom nicht vergessen, daß die früheren Ausgaben ihrer Telefon-CD vor gar nicht allzulanger Zeit über DM 3.000,00 gekostet haben! Konkurrenz belebt das Geschäft offensichtlich, denn der Kaufpreis der Telekom-CD ist kein Marktpreis mehr, sondern ein Kampfpreis gegen TopWare geworden.
Wohl war auch der Telekom ihr eigenes Angebot zu dürftig. Sie hat
deshalb die CD mit einem Virenschutzprogramm angereichert. An und für
sich nichts Bedeutendes; die Telekom weist jedoch darauf hin, daß
dieses Programm (PC-Safe) das erste und bisher einzige
Prüfsummenprogramm mit Sicherheitszertifikat des Bundesamtes für
Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ist. Da dieses Bundesamt
sonst eher im Geheimdienstmilieu arbeitet, ist dies eine wunderliche
Öffnung in den Zivilbereich und den Publikumsmarkt.[1] Das Programm ist
für die private Nutzung kostenlos.
Ganz anders präsentiert sich die D-Info-CD-ROM der Firma TopWare.
Bereits auf dem Cover der CD steht: "Über 34 Millionen Einträge!"
(genau sind es: 34.765.730) und "Adress- und Telefonauskunft
Deutschland 2.0 für DOS, Windows und Windows 95". Das
Leistungsverzeichnis ist sehr umfassend und sei hier zitiert:
- über 34 Millionen aktuelle Einträge aus den deutschen Telefonbüchern
(manuell erfaßt)
- annähernd 99,9% Übereinstimmung mit den Telefonbüchern
- mehr als 4 Millionen Einträge mit Branchen- und Berufsbezeichnung
- bundesweite Identifikation eines Festanschluß-Teilnehmers über die
Rufnummer
- Selektion nach Buchabschnitten oder Branchen/Beruf
- Teilnehmerliste pro Straße sortiert nach Namen oder Hausnummern
- direkte Anzeige von Straße, Ort und Telefonnummer
- Fehlertolerante Volltextsuche unter Berücksichtigung der
verschiedenen Schreibweisen (Meier, Maier)
- Verbesserte Gesamtnamensliste
- frei konfigurierbarer Listendruck
- Bundesweites Teilnehmerverzeichnis der Sonderdienste (D1/D2, FuR,
E-Plus, 0130,0180)
- Bearbeiten der Suchliste und Export der gesamten Suchliste
- Exportfunktion mailinggerechter Daten mit den jeweiligen Rufnummern
und ohne Mengenbeschränkung
- Export selektierter Adressen für zielgruppenspezifische
Werbemaßnahmen
- Export in der Gesamtnamensliste und Export nach Nachnamen
- Export von Teilnehmern einer Straße und Markieren von einzelnen
Einträgen
- Benutzeroberfläche für DOS, Windows und Windows 95
- Schnelle Bearbeitung und einfache Bedienung
Insgesamt wurden 119 Telefonbücher Deutschlands (Ausgabe 95/96) mit
102.708 Seiten in 565.000 Arbeitsstunden in 4 Monaten erfaßt. So kamen
34.765.730 Einträge mit 1.183.949.150 Zeichen zustande. Man kann sich
des Eindruckes nicht erwehren, daß TopWare all das als werbeträchtige
Leistungen herausstellt, was die Telekom nicht bietet. Insbesondere
diejenigen Funktionalitäten im Export- und Druckbereich, die bei
Telekom verboten sind, werden bei D-Info herausgehoben. Kaum
verwunderlich, daß zwischen beiden Firmen ein Rechtsstreit herrscht.[2]
Da D-Info wesentlich mehr Funktionen anbietet, ist sie auch nicht so
leicht zu bedienen wie das Produkt der Telekom. Ein umfangreiches
Handbuch ist der CD-ROM beigefügt und fast unverzichtbar. Nach kurzer
Lektüre jedoch eröffnet sich dem Anwender die CD-ROM zu einer wahren
Fundgrube. Das Eingangsmenü bietet Recherchemöglichkeiten über
folgende Hauptsuchlisten:
- Postalische Ortsdatenbank sortiert nach dem Alphabet
- Postalische Ortsdatenbank sortiert nach Postleitzahlen
- Telefonbücher und Telefonbücher-Buchabschnitte
- Namen (eine Gesamtnamensliste enthält alle Nach- und Vornamen,
Firmennamen und Behörden usw.)
- Mobil (Funkrufnummern)
- 01x-Verzeichnis (alle Sonderrufnummern wie 0130, 0180 oder 0190)
- Orte-Vorwahl
- Vorwahl-Orte
- Auslandsvorwahlen.
Durch Kombinationsmöglichkeiten ist es nach einiger Übung sehr schnell
möglich, einfache Suchabfragen zu starten, auszudrucken und zu
exportieren (ASCII oder DBF-Dateien). Für den Profi gibt es weitere
Suchmasken, in denen die kompliziertesten Kombinationen abgefragt
werden können, sofern dies die Daten erlauben. Diese CD-ROM kann und
soll auch für Mailings eingesetzt werden. Hierfür gibt es noch einen
weiteren Filter bei der Export-Funktion: es können nur mailfähige
Adressen selektiert werden; da die Einträge in den Telefonbüchern
bekannterweise unterschiedliche Qualität und Vollständigkeit aufweisen
(manchmal fehlt z.B. die Straße), ist eine solche Selektion sinnvoll.
Über die Straßenliste kann man sich beispielsweise eine Liste von
Einwohnern eines bestimmten Hauses über die Hausnummer
zusammenstellen. Diese Funktion ist an sich sehr erfreulich und wird
auch gewünscht, eröffnet aber auch ungebetenen Gästen ungewollten
Zugang: Einbrecher, Terroristen, Makler, Vertreter, Telefonmarketing
grenzenlos ... offene Informationssysteme begünstigen eben nicht nur
wissensbegierige Benutzer. Im Übrigen hatten die o.a. Nutzerkreise
auch vor der D-Info-CD-ROM ihre Informationsquellen.
Eine kombinierte Ortssuche mit der Möglichkeit, bestimmte Branchen
(ca. 4 Millionen Berufsbezeichnungen sind vorhanden) in einem Ort zu
suchen, ersetzt gewissermaßen auch die gelben Seiten. Selektiert man
beispielsweise in München alle Einträge unter "Bibliothek =
Leihbücherei", so erhält man 117 Einträge und damit Münchner
Bibliotheken sowie Bibliothekare, soweit sie ihre Berufsbezeichnung
für das Telefonbuch gemeldet haben. Eingeschlossen sind damit auch
Berufsbezeichnungen wie Bibliotheksrat, Dipl-Bibliothekarin,
BibliotheksDir., OBibliotheksrat, ohne daß man sie bei der Recherche
explizit angegeben hätte. Die Bayerische Staatsbibliothek taucht in
der München-Liste mit einer Verweisung von Staatsbibliothek, siehe:
Bayerische Staatsbibliothek auf, jedoch ohne Eintrag unter Bayerische
Staatsbibliothek. Dafür ist die Generaldirektion der Bayerischen
Staatlichen Bibliotheken gleich zweimal vertreten. Sucht man die BSB
direkt unter dem Namen (ohne über "München" zu suchen) so findet man
sie auch direkt und vollständig; offensichtlich ein Datenfehler.
Eine interessante Zusatzleistung der D-Info-CD-ROM ist die
"Rufnummernidentifikation". Über eine Telefonnummer kann hier der
Name, Anschrift und Wohnort ermittelt werden. An und für sich
selbstverständlich bei einer Datenbank; leider nicht bei Telekom. Die
D-Info-CD-ROM ermöglicht ebenfalls wie die Telekom-CD die Aktivierung
der Telefonwahlfunktion per Modem. Suchanfragen können bei beiden CDs
gespeichert werden.
Jedes Telefonbuch ist natürlich so gut wie die Qualität der Einträge.
Dies gilt für beide CD-ROMS. TopWare widmet sich jedoch diesem Thema
intensiver und analysiert die Daten im Beiheft. Demnach ziehen
jährlich 10% der Bundesbürger um. Pro Jahr ändern sich damit 5% der
Telefondaten (ca. ein Telefonanschluß auf 2 Einwohner). TopWare bietet
deshalb einen Update-Service mit monatlicher Datenaktualisierung an,
der allerdings DM 1200.00 kostet. Einmalig kostet er DM 10.00. Durch
eine Änderung der Lizenzpolitik sind Netzwerklizenzen der
D-Info-CD-ROM günstig zu erwerben. Für Kunden mit großen Netzen gibt
es Sonderpreise.
TopWare hatte mit der 1. Ausg. der D-Info-CD-ROM großen Wirbel
ausgelöst und wurde von der Telekom mit Erfolg verklagt. TopWare hatte
nämlich die Telefonbücher mit einem Lesegerät abphotographiert und
mußte den Vertrieb einstellen. Entscheidend waren sogenannte
fake-entries, also Scheineinträge der Telekom, die TopWare bei einem
Datenabgleich mit Telekomdaten mit übernommen hatte.[3] Die 2. Ausg.
wurde im Billiglohnland China von 631 Datentypisten in 565.000
Arbeitsstunden abgetippt. Waren von der 1. Ausg. bereits vor dem
Verbot mehrere Hunderttausend Exemplare verkauft, so sind nun von der
D-Info 2.0 bereits 960.000 Stück verkauft, insgesamt 1,6 Millionen
Stück - mehr, als von Michael Jacksons neuestem Album.[4] Wiederum läuft
ein Gerichtsverfahren, das in erster Instanz zugunsten von TopWare
ausging - das Verfahren wird sich wohl bis zum Bundesgerichtshof
ziehen, geht es doch um die Frage, ob und inwieweit Telefonbücher
urheberrechtlich geschützt sind. TopWare sieht dies gelassen, haben
sich doch lediglich 500 Kunden von 1,6 Millionen Käufern aus der Datei
austragen lassen.[5] Die Telekom reagiert mit Kampfpreisen - ein
interessanter und wohl bisher unvergleichlicher Preissturz ist zu
verzeichnen: von DM 3950.00 auf DM 29.80! Obwohl die Telekom
privatisiert ist und wirtschaftlich arbeiten soll, erhält sie
ausreichend Amtshilfe: das Baden-Württembergische Innenministerium hat
die Benutzung der TopWare-CD-ROM in Behörden untersagt[6] und weist
Betroffene darauf hin, daß sie Strafanzeige wegen illegaler
Veröffentlichung ihrer Daten stellen können.[7] Immerhin wurde die
D-Info-CD-ROM von der Zeitschrift CHIP nach Windows 95 und vor Corel
Draw 6.0 zum zweitbesten Software-Produkt des Jahres gewählt.[8]
Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte:
der Tele-Info-Verlag hat jetzt eine dritte
Telefonbuch-CD auf den Markt gebracht - mit 35 Millionen Adressen, 1
Million Faxnummern sowie Fax-Cartoons, PXC-Bildern und
Shareware-Programmen zum Ablesen von Telefongebühren sowie einen
Routenplaner. Sie kostet DM 35.00 und kann beim Tele-Info-Verlag in
Garbsen[9] bestellt werden. Die deutschen Gerichte werden wohl so
schnell nicht arbeitslos, zumal TopWare am 26.07.1996 mit einem
Überraschungscoup die 3. Ausg. von D-Info (DM 49.95, angeblich 500.000
Exemplare) an den Handel ausgeliefert hat.[10]
Bernhard Hefele
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