Insgesamt 901 Positionen verzeichnet dieser Katalog. Unter den Nummern
1 - 195 sind die Autographen (insgesamt zehn, darunter Briefe an Franz
Blei und Bernard von Brentano), Erstausgaben (die Sammlung enthält
alle fünf zu Lebzeiten gedruckten und auch in den Handel gelangten
Buchpublikationen),[2] posthumen Ausgaben (insgesamt 37 und damit
annähernd vollzählig in der Sammlung enthalten), Erstdrucke (133
Veröffentlichungen vorwiegend in Zeitungen und Zeitschriften) sowie
Übersetzungsarbeiten Benjamins (insgesamt zehn) aufgeführt. Zu den
darüber hinaus nennenswerten Raritäten gehören einige wenige Dokumente
und Publikationen von Familienangehörigen Benjamins (insbesondere
solche seines Großvaters mütterlicherseits, Georg Schoenflies). Bei
den restlichen ca. 700 "Stücken" dieser Sammlung handelt es sich um
das vollständige Exemplar der Zeitschrift für Sozialforschung (aus dem
Besitz des Soziologen Heinz Maus), um Bücher, die von Benjamin
rezensiert wurden (insgesamt 87, darunter Erstausgaben von Georg
Lukács' Geschichte und Klassenbewußtsein, Pierre Mac Orlans Sous la
lumière froide und Anna Seghers' Roman Die Rettung), um Autographen
(u.a. von Louis Aragon, Bertolt Brecht, Marieluise Fleißer und Franz
Hessel), Schriften u.ä.m. von zeitgenössischen Autoren, die Benjamin
mehr oder minder nahe standen, deren Werke er gelesen oder gar eigenen
Veröffentlichungen eingearbeitet hat sowie nicht zuletzt zahlreiche
Dokumente und Materialien von Persönlichkeiten, deren Werk und Leben
in wenigstens mittelbarem Zusammenhang mit der intellektuellen
Biographie Benjamins stehen (u.a. Erstausgaben von Goethes
Wahlverwandtschaften, 1809, Carl Gustav Jochmanns Ueber die Sprache,
1828, Fouriers Le nouveau monde industriel et sociétaire, 1829,
Baudelaires Fleurs du Mal, 1857, und Franz von Baaders Sämmtlichen
Werken, 1851 - 1860).
Bereits 1982 hatte Leinweber in einem Katalog[3] insgesamt 320 Stücke
seiner Benjamin-Sammlung einzeln angeboten, die jedoch annähernd
vollzählig in diesem Verzeichnis des Jahres 1996 wiederzufinden sind.
Nunmehr sei das Ganze, so heißt es auf der Innenseite des Einbandes,
lediglich "geschlossen zu verkaufen". Mit dieser durchaus legitimen
Verkaufsstrategie verbindet der Antiquar die Hoffnung, seine Sammlung
möge den "Grundstock für ein künftiges Walter-Benjamin-Institut"
bilden, das "der Forschung und interessierten Öffentlichkeit" - man
möchte hinzufügen: auch tatsächlich - "zugänglich" sei. Das sind zwar
die meisten kleinen und großen Benjamin-Sammlungen rund um den Erdball
(im New Yorker Leo Baeck Institute, in der Pariser Bibliothèque
Nationale, in der Berliner Akademie der Wissenschaften sowie vor allem
- Sammlung Scholem! - in der Jerusalemer Jewish National Library),
aber eben nicht die bedeutendste im Frankfurter
Theodor-W.-Adorno-Archiv. Sie wird von ihrem Direktor, Rolf Tiedemann
(ohne daß er irgendwelche Besitzansprüche anmelden könnte) wie ein
Privateigentum verwaltet. Einsicht in die dort verwahrten
Benjamin-Dokumente und -Materialien bekommt nur eine auserlesene,
freilich alles andere als "wirkliche", d.h. in gewissem Sinne auch
repräsentative Öffentlichkeit. Insofern möchte man sich nur wünschen,
des Sammlers (und Antiquars) Zuversicht erfülle sich ...
Entstanden ist diese Sammlung in der Absicht, Benjamins Wirken, die
Quellen seines Schaffens sowie sein "wissenschaftsgeschichtlich[es]
Umfeld" möglichst umfassend zu dokumentieren. Das leistet sie im
Rahmen des einem privaten Sammler Möglichen, der nicht über
unbeschränkte finanzielle Mittel verfügt, in ausreichendem Maße.
Gleichwohl enthält sie durchaus Stücke, die selbst bei großzügigster
Auslegung des Begriffs "wissenschaftsgeschichtliches Umfeld" nicht
hierher gehören - beispielsweise zwei Briefe rein privaten Inhalts von
Hugo von Hofmannsthal (Nr. 389 aus dem Jahre 1908) und Karl Kraus (Nr.
436/1904!). Glücklicherweise bildet solche "Schmuggelware" die
Ausnahme im Kontext einer Sammlung, die vor allem zu einem anregt:
eben auch das ganze intellektuelle Umfeld, in dem Benjamin lebte und
wirkte, auszuforschen. Und welch weite Horizonte dabei zu beschreiten
sind, davon vermitteln schon die zahllosen Namen all der Autoren,
Illustratoren, Übersetzer sowie der Zeitschriften eine erste
Vorstellung, die die zahlreichen Indizes im Anhang dieses Katalogs
aufführen.
Momme Brodersen
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