Das neue Lexikon der Musik erweitert den Honegger-Massenkeil um zahlreiche Artikel zu Personen und Musikgruppen hauptsächlich aus den Bereichen Pop, Rock und Jazz. Laut Vorwort "wurden lediglich die Artikel über lebende Musikwissenschaftler sowie die Angaben zur Sekundärliteratur [ausgeschieden]". Ersteres ist eine Behauptung, die nicht den Tatsachen entspricht, ergab doch eine Auswertung des Buchstaben A, daß - im Gegensatz zu Sachartikeln - eine ganze Reihe von Personenartikeln nicht übernommen wurden. Mit letzterem spart sich der Verlag dann gleich die Mühe, die bibliographischen Angaben auf den neuesten Stand bringen zu müssen, worauf der Benutzer eigentlich ein Anrecht hätte. Einige Artikel wurden überarbeitet bzw. neu geschrieben, die Illustrationen durch neue ersetzt, wobei unbekannteren der Vorzug gegeben wurde. Insgesamt umfaßt Das neue Lexikon der Musik[3] mehr als 10.000 Artikel, davon 6000 zu Personen, über 600 - wie bereits sein Vorgänger - zu Bühnenwerken (diese Artikel wurden unverändert übernommen), sowie 700 Abbildungen, darunter 200 farbige. Die Artikel sind, wie schon beim Vorgänger, nur teilweise gezeichnet.
Im Gegensatz zum Lexikon aus dem Metzler-Verlag kann das erstmals 1882 erschienene Riemann-Musiklexikon auf eine wesentlich längere Tradition zurückblicken. Sein zuletzt in der 12., völlig neubearb. Aufl. 1967 erschienener Sachteil liegt jetzt in einer unveränderten broschierten Sonderausgabe vor. Auch wenn deswegen neuere Entwicklungen der Musikgeschichte - nur ein Stichwort Minimal music sei genannt - gar nicht bzw. solche im Bereich der Popularmusik zu wenig berücksichtigt sind, so besitzt der Riemann doch einen Vorteil, der ihn unschlagbar macht, nämlich die Vielzahl der Artikel für Länder, Regionen und Orte, zu denen er Literatur - ggf. einschließlich Ausgaben von Musica practica - verzeichnet und damit die Funktion einer Bibliographie übernimmt. Kein anderes Musiklexikon bietet dies in derselben Ausführlichkeit, weshalb der Sachteil des Riemann trotz des dreißig Jahre zurückliegenden Bearbeitungsstandes keineswegs als überholt betrachtet werden darf. Stark vertreten sind übrigens auch kirchenmusikalische Begriffe, die Das neue Lexikon der Musik oft nicht kennt, z.B. Akathistos hymnos, Altslawischer Kirchengesang, Ananeanes, Asperges me, Auto (sacramental), Ave Maria, Ave maris stella, um nur einige wenige aus dem Buchstaben A zu nennen. Die Artikel sind bis auf die der engeren Mitarbeiter namentlich gezeichnet. Der Personenteil des Riemann ist demgegenüber viel stärker veraltet, was wohl auch der Grund dafür ist, daß ihn der Verlag nicht in unveränderter Form wieder vorgelegt hat. Daß gerade der Personenteil des Riemann noch vor dem New Grove (aber nach der neuen MGG, sobald deren Personenteil vorliegt) nach Ausschöpfung der allgemeinen Nachschlagewerke als maßgebliches fachliches Nachschlagewerk für die Namensansetzung von Musikern im Südwestverbund und für die RSWK heranzuziehen ist, obwohl die von ihm verwendeten Namensformen häufig von denen der anderen Lexika abweichen, ist ein weiteres Beispiel dafür, mit wie wenig Sachverstand die Festlegung der für die Ansetzung in unseren Katalogen heranzuziehenden Nachschlagewerke teilweise erfolgt ist.
An den Schluß sei ein übersichtlicher Vergleich der Lexika in
tabellarischer Form gestellt, der außer den hier besprochenen bzw.
erwähnten zwei weitere, bereits früher rezensierte kleinere
Musiklexika einbezieht, nämlich den Brockhaus-Riemann und dessen
Taschenbuchausgabe.[4] Dazu einige Vorbemerkungen: die Trennung in einen
Sach- und einen Personenteil hat Vorteile redaktioneller Art, da sie
die Überarbeitung des Personenteils - welche häufiger notwendig sein
dürfte als die des Sachteils - einfacher macht; auch kann der Verkauf
des einen oder anderen Teils besser am Bedarf orientiert werden. Die
Benutzung wäre dagegen bei nur einem gemeinsamen Alphabet bequemer.
Ohne Register geht ein Großteil an Information verloren, zumal das
Netz der Verweisungen meist nicht feinmaschig genug ist. Von den
besprochenen und erwähnten Lexika hat leider nur die MGG ein -
unentbehrliches - Register, der New Grove wenigstens ein Register der
ca. 9000 Fachtermini aus Artikeln über nichtabendländische und
Volksmusik. Obwohl die Lexika mehr oder weniger auch Jazz, Rock, Pop
und andere Arten der Unterhaltungsmusik berücksichtigen, ist es doch
empfehlenswert, für diese Bereiche auch auf die zahlreichen
Speziallexika zurückzugreifen. Zumindest für die in keinem Lexikon
auch nur einigermaßen adäquat berücksichtigte deutsche Volksmusik sei
deshalb wenigstens auf das Lexikon des Blasmusikwesens[5] hingewiesen.
Zurück an den Bildanfang