Notwendigerweise mußte der Verfasser Annahmen über das treffen, was Touristen in Japan üblicherweise tun. Zu allererst essen und trinken sie. In der Tat bietet das Lexikon einige Hinweise zum Kulinarischen, hier in der Form eines Wörterbuchs, das in einschlägige Exotika wie Sake und Sushi einführt. Zweitens, die Touristen kaufen ein. Hier bietet das Lexikon als Reiseführer praktische Ratschläge, zum Beispiel Preise zu vergleichen. Drittens, die Touristen schlafen. Auch hier versagt das Lexikon als Reiseführer nicht, sondern beschreibt die verschiedenen Hotelkategorien, und eine Warnung vor hohen Preisen fehlt auch hier nicht. Viertens, die Touristen werden eingeladen. Hier breitet das Lexikon, gewissermaßen als Einführung in die Zeremonialwissenschaft, rührend ein Kaleidoskop an Benimmregeln aus. Die Touristen, die diese Regeln nicht nur beherzigen, sondern auch beherrschen, können wahrlich in kein Fettnäpfchen mehr treten. Fünftens, die Touristen lassen sich auf small talk ein. Auch hier gießt das Lexikon ein wahres Füllhorn aus an Benimmregeln sowie kleinen Wissenshäppchen zu allerlei Themen, die die Achtung vor dem Gastland bezeugen, beispielsweise über Commodore Perry und Pearl Harbor, Manyoshu und Genji monogatari, Hokusai und Hiroshige oder Parlament und Regierung, wobei auch das Wirtschaftliche nicht zu kurz kommt.
Der Verfasser hat gleichwohl auch Vermutungen darüber angestellt, was Touristen in Japan für gewöhnlich nicht tun. Erstens, Touristen bewegen sich mit dem Flugzeug, Eisenbahnen und anderen öffentlichen Verkehrsmitteln, dem Taxi und zu Fuß, jedoch nicht mit dem Automobil. So fehlen Angaben über Straßen und japanische Kraftfahrzeuge und überhaupt jegliche Straßenpläne oder sonst irgendwie detaillierte Karten. Zweitens, Touristen besuchen keine Museen oder andere Sehenswürdigkeiten. Informationen dazu werden ebenso vorenthalten wie Konkretes über Städte und andere landesweit bekannte Ortschaften. Drittens, Touristen betreten üblicherweise keine "heidnischen" Tempel oder Schreine. Kein einziger der Tempel und Schreine in Kyoto wird einer Erwähnung für würdig befunden. Viertens, Touristen lesen kaum. Zwar bietet das Lexikon eine mit Literatur überschriebene, 13 Titel umfassende Bücherliste, die aber wesentlich mit Ladenhütern und Eigenwerken des Verfassers bestückt ist. Zu hoffen ist indes, daß sich die Touristen den Gebrauch der im Lexikon oft verwendeten Abkürzung Jap. nicht zu eigen machen, denn dieser Ausdruck entstammt dem Vokabular des amerikanischen Rassismus. Obwohl er dort außer Gebrauch geraten ist, ist er in Japan allerorten in unguter Erinnerung, und seine Verwendung ruft nach wie vor Unmutsäußerungen hervor.
Kurzum, das Kleine Japan-Lexikon[1] ist leicht, handlich und wohlfeil; man kann es in die Tasche stecken; dort sollte es dann aber auch bleiben.
Harald Kleinschmidt