Alle Texte, auch die zu den griechischen Parteien und zu den griechisch-türkischen Beziehungen, zeichnet die in einem Nachschlagewerk zu erwartende Sachlichkeit aus. Griechische Begriffe werden in griechischer Sprache, aber mit lateinischen Buchstaben und, wenn nötig, mit englischen Erklärungen angeboten. Von Querverweisungen wird in ausreichendem Maße Gebrauch gemacht.
Wenngleich der Geschichte, der Gesellschaft und Wirtschaft mit zusammen mehr als 60% der Artikel das Hauptinteresse der durch zahlreiche Veröffentlichungen auf diesen Sektoren als kompetent ausgewiesenen Autoren gilt, sind auch die anderen Bereiche im großen und ganzen angemessen berücksichtigt. Es fehlt allerdings ein Beitrag zum griechischen Gesundheitswesen und erstaunlicherweise fehlt auch Mikis Theodorakis. Am Ende des Bandes hätte man sich ein Register wenigstens der Personennamen gewünscht, die im Lexikon kein Lemma erhalten haben.
Der Titel des Werkes ist irreführend. Trotz gelegentlicher, nicht
immer glücklich gewählter, Rückgriffe auf die große Vergangenheit,
geht es den Autoren primär um Neugriechenland. Wohin das ungenügend
durchdachte Konzept führen kann, läßt sich am Beispiel Byzanz
demonstrieren. Während mit Hesychasmus und Ikonoklasmus zwei Begriffe,
die nur noch für Spezialisten von historischem Interesse sind, auf
zusammen nicht weniger als 4 Seiten erklärt werden, fällt die auch
heute noch omnipräsente byzantinische Kunst durch das Netz, das mit
dem im 19. Jahrhundert beginnenden Artikel Art und einem Beitrag zu
Byzanz, der sich auf die politische Geschichte beschränkt, weit um sie
herumgelegt ist. Auch Schwächen in der Gewichtung (Maria Callas mit
fast 2 Seiten, E. Venizelos mit weniger als 1 Seite) sowie die schier
überwältigende Zahl von Versehen und Fehlinformationen erwecken den
Eindruck, daß ungute Hast ein besseres Ergebnis verhindert hat.[1]
Trotz ihres Umfangs ist die angeblich Monographien der Jahre 1821 (das
älteste angeführte Werk stammt von 1881) bis 1993 und zwischen 1978
und 1993 erschienene Zeitschriftenaufsätze auswählende, nach
Sachgruppen geordnete, Bibliographie der schwächste Teil des Werkes.
Platzmangel, wie die Autoren behaupten, war jedenfalls nicht
entscheidend für die fast ausschließliche Beschränkung auf
englischsprachige Literatur. Die bibliographische Beschreibung der
17bändigen Werkausgabe von K. Palamas z.B. hätte weit weniger Raum
erfordert als die drei englischen Übersetzungen seines Dodekalogos tu
Jiftu. Geistige Inzucht also. Und Fehler zum Sattsehen!
In Griechenland, wo in fast allen Wissenschaftsdisziplinen neben
Fachbibliographien Handbücher und Lexika dringend erwartet werden,
schließt dieses Lexikon keine Lücke. Aber wo sonst, solange die
vornehmste Tugend von Nachschlagewerken ihre Zuverlässigkeit ist?
Winfried Uellner
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