Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus: Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 4(1996) 4
[ Bestand in K10plus ]
Geschichte der russischen Literatur
- 96-4-552
-
Geschichte der russischen Literatur / Dmitrij S. Mirskij.
[Aus dem Englischen von Georg Mayer]. - München : Piper,
1964. - 542 S. ; 23 cm. - EST: History of Russian
literature <dt.>
- [3705]
Fürst Dmitri Petrowitsch Swjatopolk-Mirski (1890 - 1946? oder 1952?)
brachte 1926 und 1927 in zwei gesonderten Bänden in englischer Sprache
eine Geschichte der russischen Literatur von den Anfängen bis in seine
unmittelbare Gegenwart 1925 heraus, die F. J. Whitfield, Berkeley,
1949 mit wenigen Kürzungen und Ergänzungen zu dem Buch vereinte, das
in mehrere Sprachen übersetzt wurde. Mirskis Lebenslauf ist innerhalb
der Autoren von Handbüchern zur russischen Literatur höchst
ungewöhnlich. Er hatte vor der Emigration 1920 - als Offizier der
Denikin-Armee - Sinologie und Klassische Philologie studiert, aktiv
beim Militär gedient und als Lyriker die Anerkennung Gumiljows
gefunden. Seine Literaturgeschichte geht auf eine Lehrtätigkeit an der
Londoner Universität 1920 - 1932 zurück. Dann kehrte er, seit 1931
Mitglied der KP Großbritanniens, in die Sowjetunion zurück, um am
"Aufbau einer neuen Zivilisation" mitzuwirken. Dort war er kurzfristig
im sowjetischen Literaturleben aktiv, bis er 1937 verhaftet wurde und
im GULag umkam. Seine Literaturgeschichte ist klar aufgebaut, der für
die einzelnen Autoren gewählte Umfang ausgewogen, es sind auch einige
weniger bekannte einbezogen. Sowjetliteratur und Emigrationsliteratur
sind integriert, wobei Georg Mayer im Nachwort von 1964 das
zuverlässige Urteil über Schriftsteller in der UdSSR wie Babel und
Pasternak lobt. Die 15 Kapitel erfassen Perioden und Phasen unter
einordnenden Begriffen. Bei den Symbolisten werden Bely und Blok auf
6 - 8 Seiten vorgestellt. Im Kapitel "Die Dichtung nach 1910" hat er
Anna Achmatowa 2,5 Seiten zugemessen, Mandelstam und Gumiljow je eine,
ebenso M. Zwetajewa, die er aus Paris kannte und deren Lyrik er als
"völlig frei von den zweifelhaften Vorzügen der sogenannten
Frauendichtung" (S. 445) lobt. Mirski findet oft treffende
Abstraktionen und Kurzdefinitionen - teils für den jeweiligen, in der
Regel geschlossen beschriebenen Dichter, teils für größere
Zusammenhänge. Z.B.: "Rosanow entdeckte als erster, was heute als
Binsenwahrheit erscheint, daß Gogol nämlich kein Realist war und daß
die russische Literatur in ihrer Gesamtheit nicht eine Fortsetzung
Gogols, sondern eine Reaktion auf ihn ist" (S. 387). Die Einbeziehung
von Autoren wie Dostojewski oder L. Tolstoi in mehrere Kapitel ist
eine Ausnahme. Der Zugang Mirskijs zum Metaphysischen ist gering, was
sich z.B. an der Beschränkung der Interpretation von Lermontows Dämon
auf Naturbilder und "Wortmusik" zeigt. Das detaillierte
Inhaltsverzeichnis und die Kennzeichnung der ausführlicheren Teile
über einen Autor im Register ermöglichen eine rasche Orientierung. Die
drei Auflagen in den USA (1955, 1958 und 1960) und eine Ausgabe in
italienischer Sprache von 1995 bestätigen die bleibende Gültigkeit.
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