sind 1987 bis 1996 fünf
erschienen, darunter (1992) der über den Anfang bis ins 18.
Jahrhundert und der vorletzte (1990), der von den dreißiger Jahren bis
kurz vor das Ende der Sowjetära reicht. Als erstes hatte man 1987 den
Band über das "Silberne Zeitalter" fertiggestellt. Die Konzeption
sieht in sechs chronologisch gegliederten Bänden jeweils größere
Abschnitte vor, in denen sich zeitliche Perioden mit gattungsmäßigen
oder thematischen Fragestellungen verbinden, wie "Moskau, das Dritte
Rom", "Die Revolution und die Literatur", "Der russische Formalismus",
"Die dreißiger Jahre" (des 20. Jahrhunderts), "Vom 'Tauwetter' zur
'Dissidenz': Die neue Emigration". Solchen Überblicken sind Kapitel
von 10 bis 20 Seiten untergeordnet, in denen meist einzelne Autoren
vorgestellt werden. Achmatowa, Blok, Majakowski und Pasternak werden
durch ein weiteres Kapitel mit einer Analyse ihrer Dichtkunst
herausgehoben. Jeder Autor erhält sein Kapitel nur innerhalb des
Zeitraums eines Bandes. Das kann gut sein, aber bei Soschtschenko, der
im Band über die zwanziger Jahre plaziert ist, wird nicht auf sein
weiteres Schicksal verwiesen. Bei Anna Achmatowa aber, die in den
Band, der mit den dreißiger Jahren beginnt, aufgenommen wurde (als sie
kaum publizieren durfte), ist die analoge Verfolgung von 1946
einbezogen. Für die Bearbeitung wurden Wissenschaftler - im einzelnen
Band bis über dreißig - international ausgewählt, meist ausgewiesene
Gelehrte. Auch D. Owsjaniko-Kulikowski hatte für die von ihm 1910
herausgegebene fünfbändige Geschichte der russischen Literatur des 19.
Jahrhunderts viele hervorragende russische Gelehrte herangezogen, auch
er hatte - wie die neue in französischer Sprache - Kapitel über
Literaturkritik und das Umfeld der Gesellschaft aufgenommen. Etkind
aber und seine Mitherausgeber beziehen ergänzend Philosophie, Musik
und Kunst, sogar Film ein. Das ist verdienstvoll, aber wer wird in
einer "Literatur"-Geschichte eine Geschichte der russischen Musik
suchen? Geschrieben hat sie Felix Rosiner - ein sehr guter Fachmann,
der zugleich Schriftsteller ist. Schmalere Ergänzungsbände zu solchen
Themen würden mehr Benutzer erreichen. Das Werk ist eigentlich als
Kulturgeschichte Rußlands angelegt. Jedes Kapitel ist eine
geschlossene Abhandlung, die - vor allem wenn es sich nicht um
Schriftstellerporträts handelt - auch in einer Zeitschrift stehen
könnte. Typisch ist hierfür das Kapitel "Das Jahr 1913", dessen Titel
auf Anna Achmatowas Poem ohne Held zurückgeht. Niemand würde einen
solchen - von Boris Chasanow (München) sehr gut gelösten -
spezifischen Blick auf das "Silberne Zeitalter" in einer
Literaturgeschichte erwarten. Die Vielfalt der Mitarbeiter bringt eine
sehr unterschiedliche Art der Darstellung mit sich. Nicht alle
verbinden den in einer Literaturgeschichte notwendigen Faktenreichtum
mit flüssigem Stil, manche, wie der von Ruf Sernowa über Alexander
Kuprin sind eher essayistisch als dicht. - Im ersten Teilband für das
19. Jahrhundert wurden Puschkin 125 Seiten - eine Monographie
- gewidmet, Lermontow 75, Gogol 65.
Trotz des großen Umfangs und der von sowjetischen Darstellungen
deutlich abweichenden Bewertung vermißt man Kapitel über wichtige
Autoren, die in kleineren Literaturgeschichten durchaus eigene
Berücksichtigung erhalten haben, z.B. über Juri Nagibin, Konstantin
Paustowski, Wladimir Tendrjakow - auch über Boris Chasanow, den man
- wie oben erwähnt - um einen Artikel gebeten hatte. Chasanow, ein
viel
ins Deutsche übersetzter Schriftsteller, ist als solcher nicht einmal
erwähnt, während dem höchstens als Zeiterscheinung kurz zu nennenden
Proletkultlyriker Alexej Gastjew ein eigenes Kapitel zugebilligt
wurde. Etkind läßt ihn aus seiner Geschichte der russischen Lyrik der
Sowjetzeit zu Recht heraus.[2] Alle Dramatiker und die Lyriker bis auf
wenige Ausnahmen sind nur in Übersichtskapiteln enthalten. Viele
bedeutende Dichter wie D. Klenowski stehen nur in Listen. Das verzerrt
die Relationen zu Autoren mit eigenen Kapiteln. Wahrscheinlich ist die
Geschlossenheit, die von Guenther, Luther, Lettenbauer, Setschkareff
oder Waegemans bieten, von solchem Unternehmen nicht zu erwarten.
An deutschen Slawisten wurden Rainer Grübel für den Abschnitt über den
Konstruktivismus und Selwinski, Johannes Holthusen für das Kapitel
über Sologub, Hans Rothe für das über "Die Dichtung von 1770 bis 1800"
eingeladen, also jeweils Fachleute für die betreffenden Gebiete. Im
ersten Band hat von 39 Kapiteln allein zehn der 1976 nach Israel
ausgewanderte Ilja Serman geschrieben, der sich schon in der
Sowjetzeit durch Monographien und Beiträge zu den Literaturgeschichten
ausgewiesen hatte. Mit Dmitri Lichatschow, über den Serman im letzten
Band ein eigenes Kapitel schrieb, wurde auch einer der berühmtesten
russischen Gelehrten zur Mitarbeit gewonnen.
Anmerkungen, Bibliographie, Namen- und Werkregister umfassen 15 bis 25
Prozent, aber ein detaillierteres Inhaltsverzeichnis und Seitenangaben
im Apparat hätten die Orientierung erleichtert. Zur Zeit vermißt man
das Gesamtregister. Aufbau und Inhalt, vor allem aber Umfang und Preis
des Ganzen verweisen dieses Werk in Bibliotheken. Inzwischen ist der
ersterschienene Band in Rußland verlegt worden, allerdings ohne
Absprache mit dem Verleger oder den Herausgebern, so daß ursprünglich
russische Texte aus dem Französischen ins Russische rückübersetzt
wurden.
- [1]
- Geplant sind: Le XIXe siècle. 2. Le temps du roman sowie Problèmes
généraux de la littérature russe.
(zurück)
- [2]
- Russische Lyrik von der Oktoberrevolution bis zur Gegenwart :
Versuch einer Darstellung / Efim Etkind. - München : Beck, 1984. - 369
S. - (Beck'sche schwarze Reihe ; 283). - ISBN 3-406-09283-7 : (vergr.)
- Dieses Werk wertet die Sowjetlyrik neu, bezieht Unterdrückte und
Verfolgte ein, schließt aber die Emigranten aus.
(zurück)
Zurück an den Bildanfang