Der Autor stellt seine Interpretationen zu Grundsatzfragen im Vorwort zur Diskussion und nennt explizit die vorgenommene Periodisierung. Nach einem einleitenden Kapitel zum geschriebenen Buch folgen die Kapitel 2 bis 7, denen eine zeitliche Abfolge zugrunde liegt. Diese Periodisierung bietet allerdings kaum Stoff für die geforderten Diskussionen, da es sich um keine neue, sondern um eine in der Forschung weitgehend etablierte Einteilung handelt. Kapitel 2 bespricht die Phase von 1465 - 1500, die Zeit der Wiegendrucke in Italien. Kapitel 3 stellt das folgende Jahrhundert vor, die Zeit der Renaissance, der in Kapitel 4 der Abschnitt von 1600 - 1750 folgt, eine Periode des Niedergangs, berücksichtigt man die Höchstleistungen der vorangegangenen Epoche. Den von einer langen Friedensphase (1748 - 1792) und den Eroberungen Bonapartes geprägten Zeitraum von 1750 - 1815 behandelt Kapitel 5. Der Beginn des Risorgimento nach dem Wiener Kongreß (1814/15) und der Anfang des Faschismus in Italien, Mussolini wurde 1922 Ministerpräsident, bilden die Ausgangspunkte für die beiden abschließenden Phasen.
Die Struktur der Kapitel folgt einem weitgehend eingehaltenen Schema. Zunächst werden für den jeweiligen Zeitraum die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erläutert, denen stets Überlegungen zum kulturellen Klima folgen. Da derartige Ausführungen auch andernorts nachzulesen sind, braucht hier nicht näher darauf eingegangen werden. Die eigentliche Essenz des Werkes stellt der jeweils dritte Abschnitt der Kapitel vor. Dort wird versucht, das für die Buchgeschichte Wesentliche einer Epoche festzuhalten. Eine skizzenhafte Darstellung der für die jeweilige Periode maßgeblichen Druckzentren schließt die Kapitel in der Regel ab.
Im zweiten Kapitel ist der gewichtige dritte Abschnitt der ars
artificialiter scribendi gewidmet. Es wird versucht, die Frage zu
beantworten, welchen Weg die Verbreitung der Schwarzen Kunst in
Italien nahm, die ihren Siegeszug vom Benediktinerkloster Subiaco aus
antrat. Dorthin lud bekanntlich der spanische Kardinal Juan de
Torquemada die deutschen Kleriker Sweynheym und Pannartz ein, um im
Tal des Anio die erste Offizin Italiens einzurichten.
Überraschenderweise versieht Santoro die Erfindung des Buchdrucks
durch Gutenberg mit einem Zweifel "incerta, come si è detto,
l'attribuzione dell'invenzione della stampa" (S. 46), ohne jedoch neue
Argumente für diesen Zweifel in die Diskussion einzubringen. Es ist
aber der Forschung bereits im 18. Jahrhundert gelungen, namentlich
durch die Untersuchungen von Johann David Köhler und Johann Daniel
Schöpflin, den Mainzer mittels Indizienbeweisen als Begründer des
gedruckten Buches auszumachen.[1] Von Subiaco aus zogen Sweynheym und
Pannartz nach Rom, wo sich Ende der sechziger Jahre verschiedene
deutsche Frühdrucker etabliert hatten.[2] In Venedig erreichte dann der
frühe italienische Buchdruck seinen ersten Höhepunkt, den der Autor
auch treffend als solchen herausstellt.
Die folgenden Seiten enthalten zu den verschiedenen Druckzentren
zahlreiche Druckernamen und Zahlen, denen zu entnehmen ist, was und in
welchen Mengen gedruckt wurde. Die Freude an der Statistik nimmt
jedoch bisweilen übertriebene Züge an. So werden auf der Basis des
Indice generale degli incunabuli delle biblioteche d'Italia (IGI), dem
italienischen Gesamtkatalog der Wiegendrucke, prozentgenau
proportionale Anteile einzelner Städte am Gesamtaufkommen der Drucke
errechnet, obwohl der IGI lediglich drei Viertel der Druckwerke in
Italien im Quattrocento verzeichnet.
Mit einem Rückgriff auf das 17. Jahrhundert beginnt im fünften Kapitel
der Abschnitt drei, in dem das Panorama der Zeitungsentwicklung
aufgezeigt wird. Hier weist sich Santoro als versiert und
kenntnisreich aus und stellt eindrucksvoll die bunte Palette
italienischer Zeitungen vor, deren Aufkommen in den 40er Jahren des
Seicento eng mit dem Namen Luca Assarino verbunden ist. Das 1668 in
Rom erschienene Giornale de' letterati ist die erste
literaturkritische Zeitung in Italien. Auch bei den Ausführungen zum
19. Jahrhundert gehört der Beginn des dritten Teiles, betitelt
Territorio di conquista, den Zeitungen. Mit der Situation in
Deutschland im 19. Jahrhundert vergleichbar, werden sie von Zensur
bzw. Pressefreiheit geprägt. Tageszeitungen wie Il Messaggero (Rom
1878), La Nazione (Florenz 1859) oder La Stampa (Turin), die noch
heute die Auslagen der Kioske bestimmen, wurden in der zweiten Hälfte
des Ottocento erstmals herausgegeben. Ihre Geschichte dokumentiert die
zunehmende Bedeutung der Zeitung als Organ der öffentlichen Meinung.
Für den Buchhandel in Italien waren die 60er Jahre bedeutsam. 1867
wurde die Bibliografia d'Italia veröffentlicht, 1869 schlossen sich
Buchhändler und Verleger erstmals zu einem Verband zusammen. Santoro
versäumt es, an dieser Stelle zu differenzieren, daß der Verband
zunächst unter dem Namen Associazione Editoriale Libraria Italiana
gegründet, aber erst zwei Jahre später, nach Integration der Drucker,
in Associazione Tipografico Libraria Italiana umbenannt wurde. In
diesem Kapitel wird die Buchproduktion erneut anhand von Zahlen und
Tabellen ausgedrückt, diesmal stehen sie aber auf sichererem Grund.
Der Catalogo dei libri italiani dell'Ottocento (CLIO)[3] verkörpert die
umfangreichste bibliographische Quelle für den entsprechenden
Zeitraum.
Das Abschlußkapitel über Bücher und Leser heutzutage erinnert an eine
Ausgabe von Buch und Buchhandel in Zahlen. Aktuelle Themen wie die
Auswirkungen des Internets auf Verleger, Buchhändler und Leser bleiben
ausgeklammert. Statt dessen zeichnet Santoro die Verlagslandschaft
nach, in der sich eine zunehmende Konzentration feststellen läßt:
einige wenige Verlagshäuser veröffentlichen überproportional viele
Bücher, das Gros der Verlage aber bringt nur verhältnismäßig wenig
Neuerscheinungen heraus. Durchaus interessante Betrachtungen zum
Leseverhalten der Bevölkerung schließen das Kapitel ab.
Bedauerlich ist, daß das als Paperback erschienene Buch keine
Abbildungen enthält, denn die 415 eng bedruckten Seiten hätten
durchaus der Auflockerung und Veranschaulichung bedurft. Die
stilistische Entwicklung von Buch und Einband, integraler Bestandteil
der Buchgeschichte, wird leider nicht erörtert. Zweifellos bietet
Santoro in seinem Parforceritt durch sechs Jahrhunderte des
italienischen Drucks dem Leser zahlreiche Einblicke in die
traditionsreiche Buchgeschichte seines Landes. Der ausgewiesene
Buchwissenschaftler freilich wird in manchen Fällen die
Berücksichtigung relevanter gesamteuropäischer Forschungsergebnisse
vermissen.
Johannes W. Pommeranz
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