In der dänischen Originalausgabe war das Lexikon als Erläuterungsband zu einer umfangreichen Darstellung der Philosophie im 20. Jahrhundert gedacht; es sollte Hintergrundinformationen zu Begriffen und Personen liefern, die dort erwähnt, aber nicht näher beschrieben sind. In der deutschen Bearbeitung hat es sich zu einem selbständigen Nachschlagewerk - sicherlich zu keinem "Handbuch" (S. 5) - entwickelt. Diese Entstehungsgeschichte erklärt den hohen Anteil gegenwartsbezogener Fragestellungen und den auffallend geringen Umfang von Artikeln zu Antike, Mittelalter und früher Neuzeit. Welche Konsequenzen die Anpassung an den deutschen Markt mit der Neudefinition des Lexikons genauer hat, wäre einer eingehenderen Untersuchung wert. Die Herausgeber sprechen hierbei zwar von "einschneidenden Veränderungen", lassen den Leser jedoch über Art und Zielrichtung dieser redaktionellen Überarbeitung im unklaren. Soviel wird deutlich, daß für die deutschsprachige Ausgabe 1991 eine Reihe von Artikeln ersetzt oder ergänzt, für die aktuelle Neuauflage ca. 30 Stichwörter hinzugekommen sind. Die einzelnen Einträge wurden von einem Autorenteam erarbeitet.
Richtet sich das Lexikon zwar an die "fachphilosophisch nicht vorgebildeten Leserinnen und Leser" (S. 8 - 9), so kommt es seinem Auftrag als Aufklärungs- und Informationsinstrument dadurch nach, daß es dem Laien nun gerade den Anschluß an die Fachdiskussion erleichtern will - und kommt selbstredend ohne Fachphilosophie nicht aus. Das Vorwort der Herausgeber versucht redlich Rechenschaft zu geben über Unser Philosophieverständnis, Die heutige Situation der Philosophie, Philosophieren im Alltag und Philosophie als Schuldisziplin sowie Leitideen des "Philosophielexikons" (S. 5 - 12). Kurzgefaßt, wird Philosophie begriffen als "argumentative Tätigkeit, die darauf abzielt, mit Gründen und Gegengründen sich selbst und anderen Rechenschaft zu geben über die fundamentalen Voraussetzungen unseres Denkens, unseres Seins und unseres Tuns" (S. 10). Mit dieser Haltung nehmen es die Herausgeber so ernst, daß sie - glaubt man dem im Vorwort formulierten Anspruch - über das Ziel hinauszuschießen drohen: "Denker, die zur Verwirklichung dieses Programms beigetragen haben oder es skeptisch von innen her in Frage zu stellen versuchten, haben mehr Gewicht bekommen als Autoren, die ihre Philosophie in der Form von literarischen oder mythischen Visionen, fachwissenschaftlichen Systemen, geschlossenen Weltanschauungen oder Heilslehren zum Ausdruck gebracht haben" (S. 10).
Im Hinblick auf die Profilierung des Lexikons entscheidend und attraktiver ist das Kriterium des strikten Gegenwartsbezugs vieler Artikel und damit ein Ansatz, der noch dem ursprünglichen Ziel der dänischen Vorlage verpflichtet ist. So lassen sich neben den obligatorischen Grundbegriffen philosophischer Terminologie auch zentrale Fachtermini aus dem Werk einzelner Philosophen nachschlagen, z.B. Abschattung (Husserl), corroboration (Popper) und covering-law model (Dray). Ebenso stößt man auf kurze Charakterisierungen von hierzulande eher unbekannten Zeitgenossen, z.B. Ferdinand Aliquié, Nikolai Berdjajew, Arne Naess. In dem Gegenwartsbezug liegt die Stärke des Lexikons, das sich so als eine erste Informationsquelle gerade auch für den Fachphilosophen empfiehlt. Die Artikel kommen mit wenigen Verweisungen im Text aus und schließen in der Regel mit bibliographischen Hinweisen, die auch neueste Literatur bis Erscheinungsjahr 1996 aufnehmen. Konzeptionelle Mängel verrät das Lexikon da, wo es zwar Einträge zu Wissenschaftstheorie oder Wissenssoziologie anbietet, auf Einträge zu Wissenschaft oder Wissen aber verzichtet. Und warum, zumal bei der Provenienz des Unternehmens, zwar Henrik Steffens, nicht jedoch Hans Christian Orsted oder Grundtvig berücksichtigt werden, bleibt unerfindlich.
Eine thematisch geordnete Auswahlbibliographie (S. 697 - 703),
zahlreiche Porträts und einige sparsame graphische Übersichten zu
Sachverhalten, wie z.B. den Interpretationen des a priori/a
posteriori-Ausdrucks bei Kant, dem logischen Positivismus und Kripke,
machen das Lexikon zu einem ansprechenden Informationsmittel, das als
Korrektiv und Ergänzung zu anderen Standardwerken herangezogen werden
sollte. Die schlechte Papierqualität läßt dieses erschwingliche
Taschenbuch freilich eher für den heimischen Schreibtisch als für den
Freihandbestand in Bibliotheken geeignet erscheinen. Hingewiesen sei
daher auch auf die aktuelle CD-ROM-Edition.[3]
Jürgen Weber
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