Die Kunstgeschichte benötigt als Geisteswissenschaft in besonderem
Maße die Bibliotheken. Sie sind es, die den Kunsthistoriker durch den
Einsatz von EDV bei seiner Arbeit bereits heute maßgeblich
unterstützen (Rüdiger Hoyer). Als ein wichtiges bibliographisches
Hilfsmittel wird die neue Fachverbunddatenbank für Kunstgeschichte
vorgestellt, die vom KHI (Florenz), vom Zentralinstitut für
Kunstgeschichte (München) sowie von der Bibliotheca Hertziana (Rom)
gespeist und bald über das Internet zugänglich sein wird.[1] Alle drei
Institute erschließen ihren jeweiligen Sammelschwerpunkten gemäß auch
unselbständige Literatur, was für die Wissenschaft von größter
Bedeutung ist, spiegelt sich die aktuelle kunsthistorische Forschung
heutzutage doch vornehmlich in Aufsätzen wieder.
Da diese Einrichtungen gemeinsam mit den drei großen
Museumsbibliotheken in Nürnberg, Köln und Berlin ein
Schwerpunktprogramm der DFG bilden, ist es zu bedauern, daß sich keine
"große Lösung" in Form einer von allen Projektteilnehmern gemeinsam
aufgebauten Datenbank zur Zeit durchsetzen ließ, zumal auch die
gleichfalls von der DFG finanzierten Sondersammelgebietsbibliotheken
für Kunstgeschichte in Dresden und Heidelberg nicht am Fachverbund
partizipieren. Zu unterschiedlich sind offenbar die Interessen. Eine
kleine Lösung und ein Anfang sind aber allemal besser als keine
Lösung.
In welchen Bereichen die EDV in den drei klassischen Arbeitsfeldern
unseres Fachs Lehre und Forschung, Denkmalpflege, Museen Einzug hielt,
veranschaulichen zahlreiche Beiträge.
Katharina und Robert Erber berichten über Einsatzmöglichkeiten
multimedialer Präsentation, die zur Veranschaulichung von Kunstwerken
im Hörsaal hilfreich sein kann. Allen 3-D-Modellen zum Trotz wird der
Lokaltermin für den Kunsthistoriker weiterhin unverzichtbar sein. Die
ganz besondere Aura eines Kunstwerkes läßt sich nicht auf eine
Aluminiumschicht bannen. Ob sich der hier ausgesprochene Vorschlag
eines freien Datentauschs digitalisierten Bildmaterials zwischen
kunstwissenschaftlichen Instituten umsetzen läßt, erscheint ob der
mangelnden technischen Ausstattung zahlreicher Einrichtungen und der
rechtlichen Beschränkungen, die das Urheberrecht vorsieht,
zweifelhaft.
Harald Krämer beschäftigt sich mit dem Einsatz von Text- und
Bilddatenbanken und unterstreicht die Wichtigkeit der Strukturanalyse.
Sie sollte dem Einkauf von Hard- und Software vorausgehen, um einen
verantwortungsbewußten Umgang mit öffentlichen Mitteln zu
gewährleisten. Einzelne Positionen eines Pflichtenhefts wie
Istanalyse, Sollkonzept, Datenfeldkatalog, Leistungsverzeichnis und
Bewertungskontrolle werden vorgestellt. Auch wird auf die finanziell
angespannte Situation der kunsthistorischen Institute und Seminare
verwiesen, die im Universitätsensemble nur eine Nebenrolle spielen.
Gerade unter diesem Gesichtspunkt wäre eine modellhafte Kostenrechnung
hilfreich gewesen, die jedoch ausbleibt.
Einsatzmöglichkeiten von Computern in der Bauforschung sprechen
Reinhard Senff und Wolfgang Wiemer an. Das weite Anwendungsspektrum
reicht von Hilfestellungen bei der Bauaufnahme bis zur
Proportionsanalyse.
Allen Beiträgen ist gemeinsam, daß sie die Frage der
Langzeitarchivierung digitaler Daten ausklammern. Allerdings ist
zugegebenermaßen für dieses grundsätzliche Problem noch keine allseits
praktikable Lösung gefunden, will man den gleichzeitigen Aufbau eines
Computermuseums ausschließen.
Einen fünften und letzten Themenschwerpunkt stellt das Internet dar,
in dessen Dienste Arndt Röttgers, in dessen Struktur Ludwig Tobisch
einführt, deren Beiträge hilfreich und interessant für all jene sind,
die sich erstmals mit dem Internet beschäftigen. Die Publikation in
elektronischer Form erörtert der Aufsatz von Martin Warnke, der HTML
als lingua franca deklariert und den Autoren als Publikationsform
empfiehlt. Allerdings bringt die Möglichkeit der freien Publikation
auch zwangsläufig die Gefahr des Qualitätsverlusts mit sich. Viele der
von anonymen Servern abrufbaren Volltexte wünscht man sich zurück in
die Obhut von Redaktion, Lektor und Verlag.
Um Qualität und Anzahl von Volltexten zu steigern, erscheint es dem
Rezensenten z. B. sinnvoll, beachtenswerte Magisterarbeiten zunehmend
als HTML-Dokumente anzubieten und im Internet zu veröffentlichen. Die
mangelnde Zugänglichkeit dieser Arbeiten steht oft in krassem
Gegensatz zu ihrer wissenschaftlichen Relevanz. Sie über die Homepage
des jeweiligen Seminars bzw. Instituts, deren Präsenz im Internet
ständig wächst,[2] zugänglich zu machen, bietet sich als praktikable
Lösung an. Einen Schritt in diese Richtung tat bereits das
Kunsthistorische Institut in Heidelberg, das einzelne Magisterarbeiten
und Dissertationen als Abstracts vorstellte,[3] ein angebot, dessen
Fortführung allerdings seit Monaten stagniert.
Eine kleine Auswahl der für Kunsthistoriker relevanten
Internet-Adressen stellt Hubertus Kohle vor; es gibt sie darüber
hinaus im Netz der Netze zu Tausenden. Einen raschen Einblick in das
kunsthistorische Informationsangebot verschafft man sich am
leichtesten mittels der verschiedensten Link-Sammlungen.[4] So
begrüßenswert die vielen Einzelinitiativen auch sind, das Angebot ist
ob mangelnder Koordination der Anbieter sehr speziell.
Die aus bibliographischer Sicht derzeit wichtigste Adresse[5] führt zum
Getty Art History Information Programm, das die innovativsten Projekte
in bezug auf den Einsatz von EDV in der Kunstgeschichte betreibt.[6]
Einzelne Schritte, die Kunstgeschichte und EDV bislang gemeinsam
gemacht haben, werden in Kunstgeschichte digital exemplarisch
dokumentiert. Man darf gespannt darauf sein, wo der gemeinsame Weg
hinführen wird.
Johannes W. Pommeranz
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