Die Veröffentlichung macht auf den ersten Blick einen sehr nüchternen, streng wissenschaftlichen Eindruck. Auf jeder Seite des Lexikons befinden sich jeweils zwei Spalten mit Lemmata und zugehörigen Erklärungen. Die Lemmata sind fett gedruckt, alle englischen Begriffe stehen in kursiver Schrift und Verweisungen werden durch Verweisungspfeile kenntlich gemacht. Mehrere Bedeutungen eines Begriffs sind durch Rauten voneinander getrennt. Graphische Darstellungen, Bilder oder Tabellen fehlen.
4400 Begriffe zum Thema Internet mag selbst dem Fachmann etwas viel
erscheinen. Allerdings wird relativ schnell klar wie diese Fülle von
Begriffen zustandekommt, wenn man sich das Buch genauer betrachtet.
Die Autoren haben neben den ganz spezifischen Internetbegriffen
zusätzlich eine ganze Anzahl von Fachausdrücken aus dem Onlinebereich
und der allgemeinen Informationstechnik einbezogen.[1] Dies könnte
natürlich eine Bereicherung sein, ist tatsächlich aber unbefriedigend,
da die Auswahl der Lemmata eher zufällig zustande kommt und eine
Vollständigkeit aus allen Bereichen im Rahmen solch einer Publikation
auch nicht erreicht werden kann. Wenn bei den 4400 Begriffen sämtliche
Verweisungen (und das sind nicht wenige) auf deutsche Übersetzungen,
aufgelöste Wortformen und Akronyme mitgerechnet werden, muß es
zwangsläufig zu einer so hohen Anzahl kommen. Quantität statt Qualität
scheint im übrigen die heimliche Philosophie dieser Veröffentlichung
zu sein. So wird das Buch dem Anspruch, den man an ein Lexikon stellt,
in keinster Weise gerecht. Die Artikel sind in Länge und
Ausführlichkeit absolut unausgewogen. Der Großteil der Einträge wird
mit ein bis zwei kurzen Sätzen abgehandelt und nur wenige Begriffe wie
z.B. E-Mail-Adressierungs-Formate, Interpreter-Sprache, IP address,
relevance ranking, Suchdienst, Web-Browser oder data-packet erhalten
einen ausführlicheren Erläuterungstext. Angaben zu Sekundärliteratur
gibt es praktisch überhaupt keine und die Anzahl der angegebenen
WWW-Adressen ist stark begrenzt bzw. konzentriert sich vorwiegend auf
Firmen, Institutionen und Online-Dienste. Das Verständnis einzelner
Sachverhalte wird zudem durch die übertrieben häufigen Verweisungen
innerhalb der Lexikonartikel stark beeinträchtigt. Die Erklärungen der
einzelnen Begriffe sind weniger allgemeinverständlich und richten sich
vorwiegend an ein Fachpublikum. Internet-Neulinge dürften schon bei
Erläuterungstexten zu relativ alltäglichem Vokabular wie z.B.
Hyperlink, Web-Site oder CGI-Script[2] das Buch verwirrt zur Seite
legen. Trotz des sehr dynamischen Fachgebiets Internet überrascht es,
daß Begriffe wie hosting, Extranet, Ad-Click, Relaunch, Real-Audio,
Push-Channel oder Apache fehlen. Zudem verwundern kleinere inhaltliche
Uneinheitlichkeiten. So befindet sich z.B. unter dem Eintrag wired
zwar eine Wortübersetzung, jedoch keinerlei Hinweis auf die wohl
bekannteste amerikanische Internetzeitschrift. Die Erklärung "Punk im
Internet" zum Begriff cyberpunk ist indiskutabel.
Ein großer Schwachpunkt des Lexikons sind die Verweisungen, deren Zahl
ungewöhnlich hoch ist. Hierdurch wird der Nutzer unnötig verwirrt,
verliert den inhaltlichen Zusammenhang und benötigt viel zu viel Zeit,
um zu einer Beantwortung seiner Anfrage zu gelangen. Offenbar waren
auch die Autoren mit dem inhaltlichen Konzept ihrer eigenen
Verweisungen etwas überfordert, was am Beispiel des Begriffs Access
Provider[3] demonstriert werden kann. Durch die fehlende Verweisung von
IAP auf provider und die dadurch entstandene unterschiedliche
Erläuterung erhält der Nutzer eine Fehlinformation.
Insgesamt gesehen wird das Internet-Lexikon von Oldenbourg seinen
Ansprüchen nicht gerecht. Die Zielgruppe der Internet-Neulinge wird
durch zuviel "Fachchinesisch" nicht erreicht und die Internet-Profis
werden mit dem Inhalt nur sehr unzureichend befriedigt. Formalen und
inhaltlichen Mängeln, sowie großen Defiziten in der Benutzerführung
steht ein zu hoher Preis entgegen.
Roland Herrmann
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