Insgesamt widmete sich die Forschung im Grenzbereich von Geschichts- und Literaturwissenschaft sowie historischer Soziologie in den letzten Jahren verstärkt den Ehelehren der frühen Neuzeit. Der um 1400 einsetzende, europaweit geführte Diskurs war zunächst ein Reflex auf den allgemeinen Wandel sozialer Organisationsformen vor allem im städtischen Milieu. Die Lockerung der großen Familienbande und die allmähliche Auflösung traditioneller ständischer Strukturen mit der Etablierung bürgerlicher Werte führte zu einem neuen Verständnis der Ehe. Mit der Aufwertung dieser kleinsten sozialen Einheit zum Nukleus gesellschaftlicher Stabilität schlechthin war auch dem Individuum ein neuer Ort im sozialen Gefüge bestimmt. Von hier aus wurden zentrale Fragen des privaten und öffentlichen Lebens, der Religiösität, der Morallehre allgemein neu definiert. Kein Lebensbereich blieb von diesem Wandel unberührt. Nichts Geringeres, als den großen Textkorpus, in dem sich die Debatten jener Zeit spiegeln, bibliographisch zu erschließen und zu systematisieren, hat sich das Repertorium zum Ziel gesetzt. Um Eingrenzungen kommt denn auch dieses auf drei Bände angelegte ambitionierte Projekt nicht umhin. Zeitlich gibt die Periode extensivster Publikation zum Thema, die mit den Eckdaten 1400 und 1620 deutlich markiert ist, den Rahmen. Formal orientiert man sich an den traditionellen literarischen Gattungen, die für den relevanten Zeitraum mit Gespräch (Dialoge, Streitgespräche), Predigt (entsprechend den texteigenen Angaben oder aufgrund stilistischer Zuordnung), Satiren (sofern das "positive Belehrungsmuster deutlich" durchscheint [Einleitung, S. X]) und Traktat (hier werden alle stilistisch nicht anders zuzuordnenden Texte subsumiert) überschrieben sind.
Nach ersten Recherchen stehen 800 Titel zur Aufnahme in das
Verzeichnis an, wovon sich 70 % in vier großen deutschen Bibliotheken
befinden. In drei Bänden soll der Bestand dieser vier Bibliotheken
ausgewertet werden: Der erste, nun vorliegende Teilband des ersten
Bandes beschreibt die Handschriften und Drucke von Haus 2 der
Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, der zweite
Teilband wird die Bestände von Haus 1 beschreiben, der zweite Band die
Bestände der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel, der dritte die der
Bayerischen Staatsbibliothek und der Universitätsbibliothek München.
Für den dritten Band wird eine Liste derjenigen Titel angekündigt, die
zwar ermittelt, aber nicht bearbeitet wurden. Dieses
Gliederungsprinzip ist weniger der adäquaten Darstellung der Materie
- hier hätte sich sicher die alphabetische Reihenfolge nach
Verfasser/Titel eher angeboten - , denn vielmehr der Tatsache
geschuldet, daß eine große, verstreute Titelmenge mit geringen
finanziellen Mitteln der Freien Universität Berlin ausgewertet werden
muß,[2] was auch die zehn Jahre von der Idee bis zum Erscheinen des
ersten Bandes erklärt. Fraglich ist auch, ob sich die Bedeutung und
Wertigkeit eines Textes daran messen läßt, ob sich ein Exemplar heute
in einer der vier Bibliotheken befindet - dem Anspruch, einen
fundierten Überblick zu geben, wird ein Verzeichnis, das 240 Texte
ausschließt, weil sie sich zufällig nicht in einer der vier
Bibliotheken befinden, auch dann nicht gerecht, wenn in der Einleitung
ausdrücklich darauf verwiesen wird, daß Vollständigkeit nicht
angestrebt, weil nicht erreichbar ist (S. X).
Der erste Band enthält 104 Nummern, also circa ein Achtel der bisher
gefundenen Gesamttitelmenge, wovon zwei Handschriften und sechs
Drucke, die bisher noch nicht bibliographisch nachgewiesen waren. Die
Ordnung der Texte erfolgt alphabetisch nach Verfasser, Bearbeiter oder
Übersetzer bzw. nach dem Kurztitel von anonymen Schriften. Jeder Text
wird zunächst bibliographisch beschrieben, wobei die Druckerfassung
nach dem von Christoph Weismann entworfenen Schema vorgenommen wird.[3]
Es folgt eine umfassende inhaltliche Beschreibung der Vorlage: 1.
Leben und Werk des Verfassers; 2. Einteilung nach Gespräch, Predigt
oder Traktat; 3. Vorlagen der beschriebenen Texte; 4. Beiträger; 5.
Widmungsträger; 6. Vorrede; 7. Angaben zum Aufbau des Textes; 8.
ausführliche Nacherzählung; 9. Registereinträge der Autoritäten und
Beispielfiguren. Abweichend vom Schema behandelt werden diejenigen
Drucke, von denen keine Erstauflage vorhanden war, immerhin 24. Hier
werden nur Titel, Erscheinungsdatum sowie weitere Auflagen und deren
Standorte angegeben. Die Kommentierung soll dann in den folgenden
Bänden nachgeholt werden, falls sich in den anderen drei Bibliotheken
die Erstauflage findet. Zu hoffen ist, daß eine Beschreibung dieser
einmal genannten Drucke auch dann erfolgt, wenn die Erstauflage nur in
anderen als den vier ausgewählten Bibliotheken vorliegt.[4]
Zahlreiche, umfangreiche Register erschließen das Repertorium: 1.
Verfasser; 2. Widmungsträger; 3. Drucker, Verleger; 4. Themen; 5.
Autoritäten; 6. Bibelzitate; 7. Exempelfiguren; 8. Chronologie des
Erscheinens, die sich in den folgenden Bänden verändern wird und die
im letzten Band für sämtliche ermittelte Texte, nicht nur für die
ausführlich beschriebenen, erstellt werden sollte; 9. Verzeichnis der
Illustrationen, wobei Schmuckelemente wie Randleisten, Zierstücke,
Vignetten und Druckermarken ausgeschlossen wurden. Damit zur
Ermittlung eines Druckes nicht alle Bände einzeln durchgesehen werden
müssen, ist für den abschließenden Band auf ein zusammenführendes
alphabetisches Verzeichnis zumindest der besprochenen Ehelehren zu
hoffen.
Kathrin Paasch
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