Nach diesem mehr bibliothekarischen Vorspann nun zu Zweck und Inhalt
von Brockhaus. Die Bibliothek. Der Grund für die durch die Zweiteilung
des Brockhaus bedingte Titeländerung liegt in Vermarktungsstrategien,
die keineswegs neu sind, wurde doch auch bereits bei früheren Auflagen
der Brockhaus-Enzyklopädie versucht, durch die Dreingabe von
Publikationen, die nicht notwendig zu einem Lexikon gehören,
zusätzliche Umsätze zu erzielen: dabei handelte es sich allerdings um
Produkte aus demselben Verlag, die zunächst selbständig erschienen und
die als Beigabe zur BE (z.T. mit beträchtlich höheren Preisen) erneut
vermarktet wurden.[4]
Diese früheren Produkte aus demselben Verlagshaus nehmen sich jedoch
bescheiden aus im Vergleich mit dem, was den Käufern der 20. Aufl. von
Brockhaus. Die Enzyklopädie jetzt als Brockhaus. Die Bibliothek an
Zusatzangeboten angedient wurde, waren doch im Rahmen der letzteren
ursprünglich nicht weniger als 6 Reihen vorgesehen, und zwar, zitiert
nach der Herbstvorschau 1996 des Verlages (S. 8 - 9) in jeweils 6 Bd.:
1. Lebensläufe; 2. Weltgeschichte; 3. Kunst und Kultur; 4. Mensch,
Natur, Technik; 5. Grzimeks Enzyklopädie Säugetiere und schließlich in
nicht weniger als 24 Bd. 6. Länder und Städte. An derselben Stelle
hieß es werbend: "Brockhaus. Die Bibliothek., das neue ergänzende
Reihenwerk zu Brockhaus. Die Enzyklopädie., erschließt ausgewählte
Wissensgebiete im Zusammenhang. Die Bände wurden von namhaften Kennern
verfaßt und sind spannend zu lesen und hervorragend bebildert." Bei
der diesen Bänden zugrundeliegenden "Methode erschließen wir uns über
die Beschäftigung mit übergreifenden Themen eine allgemeine
Weltkenntnis mit ihrem wechselseitigen Bedingungsgefüge und ihren
Zusammenhängen." Für die in den Bänden von Brockhaus, Die Bibliothek
gewählte Darstellungsweise ist "ein eher erzählender Tonfall
charakteristisch. Nicht zuletzt durch den höheren Bildanteil eignet
sich die 'Brockhaus Bibliothek' daher besonders für die
Wissensvermittlung in der Familie. ... Die Seitengestaltung ... ist
nach den Kriterien moderner Wahrnehmung und mit den höchsten
Ansprüchen an eine gleichzeitig seriöse und dennoch
lebendig-vielfältige Darstellung von führenden Buchgestaltern
entworfen worden. Grafische Gestaltungselemente wie Formsatz,
Informationskästen, Quellenzitate, Kommentare und Tabellen lockern die
Seitengestaltung auf." Ein bißchen viel "Gestaltung", die hoffentlich
nicht auf Kosten des Inhalts geht.
Es handelt sich also um den Versuch, das "in alphabetischer
Reihenfolge ... (in) rund 260.000 Stichwörtern" fragmentierte Wissen,
wie es Brockhaus. Die Enzyklopädie (die ja trotz des Namens den Typ
"Lexikon" repräsentiert) bietet, wieder in einen lesbaren Zusammenhang
zu bringen, und zwar unter Beschränkung auf ursprünglich sechs,
inzwischen nur noch fünf "große Themenkomplexe". Dieses "in
inhaltlicher und gestalterischer Hinsicht völlig neue Konzept" ist
nun, zumindest was ersteres angeht, freilich nicht so neu, wie der
Verlag es uns weismachen möchte, denn an Versuchen, Lexika durch
Themenbände zu ergänzen, hat es auch bisher nicht gefehlt. Erinnert
sei nur an Den neuen Herder, dessen Lexikonbände 1 - 6 als "Wissen im
Alphabet" eine Ergänzung durch die Bände 7 - 14 "Wissen im Überblick"
erfuhren, die allerdings völlig unverbunden neben den eigentlichen
Lexikonbänden standen. Letzteres gilt in gleichem Maße auch für den
Brockhaus, zwischen dessen beiden Teilen - sieht man von den zitierten
programmatischen Äußerungen ab - keine Verbindung hergestellt wird.
Hatte Herder noch - ohne sich freilich auf eine Wissenschaftssytematik
zu beziehen - das Wissen nach praktischen Gesichtspunkten in immerhin
8 Themenbände verpackt, stellt sich das thematische Programm bei
Brockhaus. Die Bibliothek wesentlich enger dar.
Durch Erfahrung gewitzigt, pflegt der Rezensent programmatische
Prospekte und sonstige habhafte Verlagswerbung[5] eine zeitlang
aufzuheben, was sich nicht nur in diesem Fall als nützlich erwies, da
das ursprüngliche Programm für Brockhaus. Die Bibliothek bereits kurz
nach der ersten Ankündigung "redimensioniert" werden mußte und
gleichzeitig die Erscheinungstermine drastisch gestreckt wurden. Hier
der Stand Ende März 1998:
1. Lebensläufe erscheint nicht. Die geplanten 6 Bd. sollten statt der
"mehr als 30.000 Biographien" im Brockhaus. Die Enzyklopädie nur "rund
400 Persönlichkeiten" behandeln, soz. die crème der crème, von
Adenauer und Churchill über Van Gogh und Kant bis Shakespeare und
Zwingli (um die Ecknamen der Bd. 1, 3 und 6 zu nennen).
2. Weltgeschichte. - Bd. 1 (1997, März). - Bd. 2 (1997, November).
- Zum Inhalt der Bände s.u. - Bd. 3 soll im April 1998 erscheinen, Bd.
6 ist für Februar 1999 vorgesehen.
3. Kunst und Kultur. - Bd. 1 (1997, März). - Bd. 2 (1997, Juli). - Bd.
3 (1997, Dezember). - Zum Inhalt der Bände s.u. - Bd. 4 soll im Juni
1998 erscheinen, Bd. 6 ist für Februar 1999 vorgesehen.
4. Mensch, Natur, Technik. - Bd. 1 soll im Herbst 1998 erscheinen, Bd.
6 im Frühjahr 2000.
5. Grzimeks Enzyklopädie Säugetiere. - Die Lizenzausgabe in 6 Bd.
erschien im März 1997.
6. Länder und Städte. - Bd. 1 (1997, März). - Bd. 2 (1997, März).
- Bd. 3 (1997, Mai). - Bd. 4 (1997, November). - Zum Inhalt der Bände
s.u. IFB 98-1/2-145. - Die Bd. 5 und 6 sollen im Mai bzw. im Oktober
1998 erscheinen.
Zunächst aber zu Brockhaus. Die Enzyklopädie und ihrem derzeitigen
Stand.
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