Die Bände "sind als Lesebücher und Nachschlagewerke gleichzeitig
konzipiert: Die Texte, allesamt verfasst[1] von Experten des jeweiligen
Faches, bieten ... fundierte Sachinformationen in anschaulicher und
verständlicher Form." An anderer Stelle der Werbung heißt es
vollmundig: "Sämtliche Texte sind von namhaften Autoren verfasst, die
durch ihre fachliche Kompetenz und die plastische Sprache ihrer
Beiträge überzeugen." Die Autorinnen und Autoren dieses Bandes,
darunter einige wirklich bekannte Namen,[2] sind jeweils im Vorspann
genannt, ohne daß ihre Anteile am Werk aus dem Inhaltsverzeichnis
hervorgingen. Man muß vielmehr in den Bänden bis ans Ende der Kapitel
und Abschnitte blättern, um den Verfasser feststellen zu können: dabei
sind deren Namen in Bd. 2 der Weltgeschichte in voller Form jeweils am
Ende eines Kapitels aufgeführt, während in Bd. 2 von Kunst und Kultur
jeder Abschnitt gezeichnet ist, dafür nur mit Initialen, selbst dann,
wenn das ganze Kapitel von einem Autor stammt.[3] Was die "plastische
Sprache" angeht, so muß man das nicht so ernst nehmen, es sei denn,
man bescheinige eine solche
Abschnittsüberschriften wie Skandal in Rom: Octavian
... spannt Tiberius Claudius Nero die Frau aus! oder, im selben
Abschnitt, "Am 31. Dezember 38 v. Christi lief das ... Triumvirat ab,
und man wüsste gerne ..., was denn jetzt passieren würde."
(Weltgeschichte, Bd. 2, S. 420 - 421). Inwieweit dergleichen die
"namhaften Autoren" zu verantworten haben, oder die auf dem Titelblatt
genannte Brockhaus-Redaktion, bleibe dahingestellt. Mehr Mühe hat sich
diese mit der insgesamt guten, fast ausschließlich farbigen
Bebilderung gemacht, desgleichen mit thematischen Karten, Plänen und
(farbig hinterlegten) Tabellen.
Uneinheitlich verfahren beide Bände bei dem jeweils sachlich
gegliederten Literaturverzeichnis am Schluß: bei der Weltgeschichte
ist es Literaturhinweise überschrieben und erstreckt sich über nicht
weniger als 13,5 Spalten: aufgeführt sind deutsch- und
englischsprachige (ganz wenige französischsprachige) Monographien und
ganz vereinzelt auch Aufsätze, darunter höchst spezielle Titel, die
jenseits des Interessenhorizonts der Zielgruppe liegen dürften.[4] Bei
Bd. 2 von Kunst und Kultur heißt der entsprechende Abschnitt
Weiterführende Literatur und begnügt sich mit 6 Spalten ausschließlich
deutschsprachiger Monographien (darunter zahlreiche
Ausstellungskataloge), die überwiegend auch bei der Zielgruppe
Akzeptanz finden werden.[5] Dazu kommen knapp zwei Spalten mit Zitierten
Werken.
Uneinheitlich verfahren beide Abteilungen auch mit den Registern: Bd.
2 der Weltgeschichte hat gar kein Register (was im Widerspruch zur
Behauptung der Werbung steht, wonach "sämtliche Reihen ... Register
zur schnellen Orientierung" bieten) und Bd. 2 der Reihe Kunst und
Kultur verfügt lediglich über ein Namenregister für historische
Personen und mythologische Figuren. Fehlende bzw. unzureichende
Register entlarven den Anspruch des Verlages, mit Brockhaus. Die
Bibliothek sowohl "Lesebücher und Nachschlagewerke gleichzeitig"
anzubieten, als Werbespruch.
In einem Interview, das zwei Vorstandsmitglieder, der stellvertretende
Redaktionsleiter und Koordinator für Brockhaus. Die Bibliothek sowie
die Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit dem Börsenblatt
...[6] anläßlich der Markteinführung gegeben haben, erfährt man weitere
interessante Details, insbesondere über die Absatzchancen, zu deren
Ermittlung sich der Verlag sogar der Hilfe eines
Marktforschungsinstituts versichert hatte. Die Zielgruppe ließ sich
dabei aber offensichtlich auch nicht präziser als mit den berühmten
"interessierten Laien" bestimmen. Daß Käufer offensichtlich die
Meinung des Vorstandsmitglieds teilen, nämlich "daß man einen
köstlichen Inhalt anständig präsentieren muß" und deshalb bereit sind,
sich Inhalt und Verpackung etwas mehr kosten zu lassen, läßt sich am
"sehr positiv" eingeschätzten Absatz ablesen: "Im Durchschnitt
verkaufen wir mehr als drei Reihen, und eine überraschend hohe Zahl
unserer Kunden kauft sowohl die komplette 'Bibliothek' als auch die
komplette 'Enzyklopädie'." Wünschen wir dem Verlag, daß er wesentlich
mehr als die für die Erstauflage gedruckten 10.000 Exemplare pro Reihe
verkauft, da sich erst dann die Investitionen auszahlen werden. Aber
da ist der Verlag sehr zuversichtlich: "Die Auflage muß wesentlich
höher sein, und sie wird auch wesentlich höher sein." Hoffentlich muß
man das nicht als Pfeifen im dunklen Wald verstehen; aber nötigenfalls
kann der Verlag ja nach Marcel Reich-Ranicki ("Wer viel weiß, will
noch mehr wissen") und Heiner Geißler ("Wissen ist Macht. Unwissen ist
Ohnmacht") auch noch Nina Ruge und Ulrich Kienzle mit Bodo Hauser an
die Werbefront schicken, deren Sprüche bereits in einem Prospekt zu
Brockhaus. Die Enzyklopädie unter dem Motto "An dieser Werbung kommt
keiner vorbei" nachzulesen waren.
Die Feststellung des Verlages "daß es derzeit keine neuere
deutschsprachige große Weltgeschichte, keine moderne Kulturgeschichte
und kein Werk über den Menschen zwischen Natur und Technik gibt",
stimmt natürlich nur bedingt; es sei denn, man lege an den Begriff
"modern" den Maßstab des gerade frisch Erscheinenden oder den der
modernen "grafischen Gestaltungselemente" (s.o.) an. Bibliotheken
besitzen solche Werke bereits,und auch Privatleute als primäre
Zielgruppe von Brockhaus. Die Bibliothek konnten in den letzten Jahren
manches ursprünglich teure Großwerk (und nicht nur den Grzimek) als
preiswerte Paperbackausgabe oder - zum Schluß - die Originalausgabe im
modernen Antiquariat erwerben. - Für wissenschaftliche Bibliotheken
ist Brockhaus. Die Bibliothek verzichtbar, für öffentliche
Bibliotheken ist der Kauf für den Informationsapparat aber wohl
erwägenswert.
Klaus Schreiber
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