Der Band behandelt hauptsächlich die Musikdrucke und die audiovisuellen Medien - weniger die keine speziellen musikbibliothekarischen Kenntnisse voraussetzende Sekundärliteratur - und gliedert sich in fünf Kapitel, davon drei große: 1. Das Sammelgut (S. 1 - 95): die Abschnitte Materialarten, Historische Entwicklung, Wirtschaftliche Aspekte geben einen Überblick über Geschichte und Beschaffenheit von Musikhandschriften und -drucken, Tonträgern und audiovisuellen Medien; dazu kommen 20 schwarzweiße Abbildungen (Noten- und Titelblattbeispiele); 2. Musiksammlungen (S. 96 - 139) stellt die verschiedenen Typen von historischen und gegenwärtigen Sammlungen mit Musikmaterialien vor; 3. Die musikbibliothekarische Praxis (S. 140 - 240) beginnt mit einem kurzen Überblick über Sammelgut und Organisation und erläutert die Erwerbung, Erschließung, Benutzung von Musikmaterialien und die Auskunft in Musikbibliotheken; der Abschnitt Bestandspräsentation, Benutzung beschränkt sich auf Notendrucke und Tonträger und läßt Handschriften, die insgesamt - unabhängig davon, ob es sich um allgemeine oder Musikhandschriften handelt - besondere Behandlung erfordern, außer acht (vgl. S. 196). 4. Ausbildung und Beruf (S. 241 - 251); 5. Fachverbände, Zusammenarbeit (S. 252 - 256). Die Urheberschaft der einzelnen Kapitel und Unterkapitel - Dorfmüller, u.a. ehemaliger Vorsitzender der Arbeitsgruppe Deutschland des RISM und des RIdIM oder Müller-Benedict, Leiter der Musikbibliothek der Hamburger Öffentlichen Bücherhallen - ist im Vorwort belegt.
Leider hat das Werk seine Mängel. Hier nur einige Beispiele.
Generell erfolgen Verweisungen auf Kapitel, nicht auf die Seiten. Die unnötige Beschwernis, die Stelle zu finden, trägt der Benutzer: "Sammlung deutscher Drucke 1450 - 1912 (s. 3.2.)" - das Kapitel 3.2. umfaßt immerhin 20 Seiten, die exakte Fundstelle ist S. 120.
Als der Band anläßlich der Rezension der CD-ROM des DMA[1] im Hinblick
auf die nationale Sammlung und Verzeichnung von Musica practica und
audiovisuellen Medien konsultiert wurde, ließ er viele Fragen offen
und manche Daten wollten nicht so recht zusammenpassen.[2]
Immer wieder begegnet man Oberflächlichkeiten, so z.B. zum Musician's
guide[3] mit ca. 25.000 Musikverlegern: "In der Zahl dürften außerdem
Vertretungen ausländischer Verlage enthalten sein ..." (S. 57); man
würde erwarten, daß dergleichen verifiziert wird.
Die auf S. 141 als Sammelgut aufgeführten Musikinstrumente dürften in
Bibliotheken wohl nur ganz vereinzelt vorkommen; sie fallen ganz
eindeutig in den Zuständigkeitsbereich der Museen.
Das Internet und seine zunehmende Bedeutung als bibliographische
Quelle und Auskunftsmittel findet nirgends Erwähnung. Möglichkeiten,
darauf einzugehen, wären genügend gegeben: z.B. auf S. 143 in
Zusammenhang mit der dort beschriebenen Vernetzung von Bibliotheken in
"Katalogverbünden" bzw. mit Anschlüssen "an Datenbanken und durch
CD-ROM" oder auf S. 204 bei den Auskunftsmitteln. Man merkt, daß die
Autoren in der neuen digitalen Informations-Welt anscheinend nicht zu
Hause sind.
Könnte all dies bei einem ersten groben Überblick über die
musikbibliothekarische Praxis in Kauf genommen werden, so sind einige
Unstimmigkeiten doch gravierender. Hier wieder einige Beispiele:
Abschnitt 3.5.1 Musiklexika, Fachwörterbücher, Adressenverzeichnisse:
"Riemann-Musiklexikon ... Inzwischen gibt es eine verkürzte, aber
aktualisierte Ausgabe, hiervon wiederum eine aktualisierte
Taschenbuchausgabe. Der berühmte und eingebürgerte Name Riemann wurde
bis heute bei allen Ausgaben beibehalten." (vgl. S. 206). Bei der
verkürzten und aktualisierten Ausgabe handelt es sich um den so
zitierten Brockhaus-Riemann[4], der dann wiederum als
Taschenbuchausgabe[5], erschien. An derselben Stelle hätte zur
Aufzählung der großen Musiklexika neben Grove, Riemann und MGG
unbedingt auch das vorzügliche DEUMM[6] gehört.
Auf S. 168 wird das Erscheinungsjahr der neuen RAK-Musik mit 1996
angegeben; tatsächlich erschien das Regelwerk aber erst 1997. Darüber
hinaus sind die im Text folgenden Ausführungen zu den RAK-Musik nicht
korrekt. Die bei Bearbeitung (Haupteintragung: Komponist,
Nebeneintragung: Bearbeiter) und wesentlicher Umgestaltung (der
Bearbeiter gilt als Komponist und erhält die Haupteintragung)
aufgeführten "Zweifelsfälle" (S. 169) sind im Regelwerk ausdrücklich
geregelt. Beim Fall, a) "wenn aus Teilen verschiedener Werke eines
Autors ein neues Werk nach Pasticcio-Art montiert wird" (S. 169) gilt
gemäß M 511,3 der Bearbeiter als Komponist: "Diese Bestimmung gilt
auch für Werke, denen Motive, Themen und Melodien anderer Werke
zugrunde liegen (Variationen, Fantasien, Potpourris, neugeschaffene
Vokal- oder Instrumentalsätze über vorhandene Melodien)" (RAK-Musik
1997, S. 69). Fall b) "wenn Melodien mit neuen Begleitsätzen versehen
... werden" (S. 169) ist in M 617,3 geregelt (vgl. dortiges
Beispiel): "Vorlage: Wohlauf, die Luft geht frisch und rein. Viktor
von Scheffel. Weise: Val. Ed. Becker. Satz: Hans Lang. - HE: Lang,
Hans: Wohlauf, die Luft geht frisch und rein. NE: Becker, Valentin
Eduard" (RAK-Musik 1997, S. 84).
Unpräzises und z.T. Falsches erfährt man auf S. 215 zum Katalog der
Library of Congress Music, books on music, and sound recordings:
"Papierausgabe bis 1989. 1981 - 1990: The music catalog, Mikrofiche.
Jetzt als CD-ROM." Vielmehr erscheint die Mikrofiche-Ausgabe weiterhin
parallel zur CD-ROM[7].
Auf S. 91 heißt es: "Eine wichtige Serie ... trug den Namen Music
Minus One-(MMO-)Schallplatten ...". Die gleichnamige Firma existiert
noch, also wohl auch die Reihe.[8]
Das Literaturverzeichnis, dessen Gliederung nicht exakt der des Textes
entspricht, stellt eine Auswahl der zitierten bzw. weiterführenden
Literatur dar. Weiterführende Literatur, die sich nicht direkt auf das
Thema des entsprechenden Kapitels bezieht, ist jeweils nur im Text,
nicht im Literaturverzeichnis, angeführt. Die Titelaufnahmen sind
nicht RAK-gerecht.
Die Gestaltung des Registers ist uneinheitlich. Institutionen sind
teilweise unter ihrem Namen, z.B. Fachhochschule für Bibliothekswesen
(FHB) / Hochschule für Bibliotheks- und Informationswesen (HBI),
Stuttgart, teilweise unter dem Ort, z.B. München - Staatsbibliothek zu
finden. Manche Begriffe fehlen ganz, z.B. Regeln für den
Schlagwortkatalog (RSWK), wohingegen der Eintrag Regeln für die
alphabetische Katalogisierung (RAK) vorhanden ist.
Musik in Bibliotheken - vergleichbar dem Hacker[9] - ist dazu angetan,
Musikbibliothekaren nützliche Dienste zu leisten, zumal kein
entsprechendes geeigneteres Werk vorliegt. Umso mehr stören die
zahlreichen oberflächlichen, ungenauen oder gar falschen Angaben. Sie
müßten bei einer wünschenswerten Neuauflage behoben werden, die auch
den Blick entschlossener auf die (digitale) Zukunft richten sollte; so
wie es jetzt vorliegt, hat man den Eindruck, daß das Werk am Ende
einer Epoche steht, auch wenn deren Verfahren uns noch eine lange
Wegstrecke begleiten werden.
Martina Rommel
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