Wenn am Beginn des Handbuchs deutscher historischer Buchbestände in Europa drei Bände für die Tschechische Republik stehen - Bd. 1 wird die Bibliotheken in Prag behandeln, der vorliegende Bd. 2 gilt der Gruppe der Schloßbibliotheken und Bd. 3 wird die anderen Bibliotheken in Böhmen und Mähren verzeichnen - und nicht etwa die Bestände der British Library, so deswegen, weil es sich aus den vorstehend genannten Gründen um gewachsene Bestände und nicht - wie bei letzterer - um gezielte Erwerbungen handelt, so daß die Wahrscheinlichkeit groß ist, hier besonders viele seltene Publikationen - und seien es Kleinschriften und Akzidenzdrucksachen - vorzufinden.
Der unter vorläufiger Überspringung von Bd. 1 als erster der drei
Bände für die Tschechische Republik erschienene Bd. 2 beschreibt die
einschlägigen Bestände von 177 der insgesamt 341[2] in der Obhut des
Prager Nationalmuseums stehenden Schloßbibliotheken, also
Adelsbibliotheken, die bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen und die
trotz immer wieder eingetretener Verluste - etwa im Dreißigjährigen
Krieg[3] - eine gewaltige Büchermenge repräsentieren - ca. 1.672.000
Bände in allen 341 Bibliotheken (S. 24). Glücklicherweise wurden diese
Bestände bei der Verstaatlichung der Bibliotheken 1945 und 1948 nicht
verstreut, sondern "intakt aufbewahrt und unter die Verwaltung des
Nationalmuseums in Prag gestellt" (S. 11). Die Bibliotheken sind
allerdings nur noch z.T. an ihrem ursprünglichen Ort erhalten, nämlich
dann, wenn die "Schlösser den Status eines Kulturdenkmals erhielten"
(S. 22). Trotzdem erfolgt die Beschreibung der Bestände im Alphabet
der tschechischen Namen ihrer ursprünglichen Standorte, während die
"heutigen Standorte der Bestände ... aus Sicherheitsgründen nicht
bekanntgegeben werden" (S. 24). Die Gliederung der Artikel ist die aus
dem deutschen Handbuch bekannte: 1. Bestandsgeschichte, 2.
Bestandsbeschreibung (nach zeitlichen Schichten und Fächern), 3.
Kataloge, 4. Darstellungen zur Geschichte der Bibliothek, 5.
Veröffentlichungen zu den Beständen. Neben zahlreichen erhaltenen
historischen Katalogen können unter Punkt 5 in den allermeisten Fällen
moderne, nach 1950 erstellte Kataloge genannt werden, die belegen, daß
das Nationalmuseum die übernommenen Schätze nicht nur gehortet,
sondern auch große Anstrengungen zu ihrer Erschließung unternommen
hat. Diese Leistung schlägt sich nicht nur in den Katalogen einzelner
Bibliotheken nieder, sondern auch in Gesamtkatalogen für spezielle
Materialien (wie z.B. Theatralia oder Inkunabeln[4]) sowie in der
Schaffung eines EDV-Gesamtkatalogs der Schloßbibliotheken, "der zur
Zeit etwa 60.000 Bände verzeichnet" (S. 24). Leider steht zu
befürchten, daß die Daten dieses EDV-Katalogs mit den in Deutschland
laufenden oder geplanten Katalogunternehmen (z.B. VD 17) nicht
kompatibel sind.
Von den Beigaben sind zu erwähnen: Ein Verzeichnis der übergreifenden
Literatur (S. 203 - 205), Übersichts- und Detailkarten mit der Lage
der verzeichneten Bibliotheken sowie einleitend nach dem
Inhaltsverzeichnis, das die tschechischen Namen verwendet, ein
alphabetisches Verzeichnis der historischen deutschen Ortsnamen, die
erfreulicherweise auch im Text selbst den tschechischen stets in
eckigen Klammern hinzugefügt sind.
Der Band wird durch ein zweiteiliges Register - der Personen (ganz
überwiegend der adligen Vorbesitzer und ihrer Familien) und der
Sachbegriffe (Fächer und Spezialbestände) - erschlossen. Die bereits
bei der Rezension früherer Bände konstatierte mangelhafte Konsistenz
der verwendeten Registerbegriffe gilt auch für den vorliegenden Band.
Sie resultiert zwar aus der Inhomogenität der in den Beschreibungen
verwendeten Begriffe, da anscheinend versäumt wurde, die Autoren von
Anfang an
auf einen Bergriffsthesaurus zumindest der immer wieder vorkommenden
Fächer, Schriftengattungen usw. zu verpflichten, doch müßte es
durchaus möglich sein, noch im Nachhinein Vereinheitlichungen und
Zusammenführungen vorzunehmen. So ist z.B. nicht einzusehen, warum
Opernlibretti sowohl unter Libretti als auch unter Oper nachgewiesen
werden; auch ist nicht anzunehmen, daß es sich bei den (nicht
gegenseitig verwiesenen und nicht, wie zumeist bei den gerade
genannten Libretti, doppelt verzeichneten) Eintragungen unter
Enzyklopädien und Lexika wirklich um verschiedenes Material handelt;
und ob die lange Liste der Eintragungen unter Wörterbücher wirklich
immer nur Sprachwörterbücher betrifft, bleibe ebenso dahingestellt. Im
Hinblick auf die geplanten Gesamtregister sowohl für die einzelnen
Abteilungen des Handbuchs ... als auch auf das Generalregister kann
man nur dringend dazu raten, bereits im Vorfeld eine nachträgliche
Normierung der Terminologie vorzunehmen, zumindest aber durch
Verweisungen sicher oder möglicherweise Zusammengehöriges auch
zusammenzuführen.
Klaus Schreiber
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