als vielmehr in dessen Maßlosigkeit
begründet ist. Daß auch dem Originalverlag eines Tages der Atem
ausgehen würde, war vorauszusehen, weniger allerdings die
Wahrscheinlichkeit, daß sich ein anderer Verlag diese Bürde aufhalsen
würde. Als man dann allerdings Anfang 1996 erfuhr, daß der Stuttgarter
(Bad Cannstatter) Verlag Frommann-Holzboog die Fortführung übernommen
habe, wunderte man sich nicht mehr ganz so sehr, hat dieser doch
einige Groß- und Einzelwerke in Verlegung, deren Erscheinungstermine
gleichfalls von Jahr zu Jahr procrastiniert werden. Und so kam es denn
auch prompt: im Börsenblatt ... vom 22.02.1996, S. 208 kündigte er
Reihe 2,A, Bd. 2 und Reihe 4, Die deutsche Literatur zwischen 1720 und
1830, Bd. 1 für Mai 1996 an; in der Sondernummer desselben
Börsenblatts ... zur Frankfurter Buchmesse vom September 1996 (Teil
IV, S. 71) wurden das Frühjahr 1997 bzw. Ende 1996 genannt, und auf
Grund einer telephonischen Auskunft des Verlages vom 24.03.97 wurden
dann März 1998 und Dezember 1997 als mögliche Erscheinungstermine
angegeben; diese Termine bestätigt der Katalog der Neuerscheinungen
1997 (Stand: 1. April 1997), der zudem das Erscheinen von R. 6,A, Lfg.
6 ff. für 1998 verheißt. Gleichzeitig erfährt man hier vom
Verlagswechsel und von der Tatsache, daß "die bisher beim Verlag Peter
Lang, Bern, erschienenen Bände und Lieferungen ... nun bei
frommann-holzboog zu beziehen (sind)" (S. 9). Immerhin konnte der neue
Verlag inzwischen tatsächlich mit einer Anfang 1998 erschienenen
Dreifachlieferung aufwarten, die allerdings nicht einen der bereits
angefangenen Bände weiterführt oder gar abschließt, sondern mit Reihe
4 eine neue, bisher nicht in Angriff genommene beginnt. Damit man sich
ein Bild vom Stand des Unternehmens machen kann, wurden oben auch die
ursprünglich beim Verlag Lang erschienenen Lieferungen aufgeführt. Im
folgenden wird einem anderen Rezensenten das Wort erteilt, der sich
kritisch mit der zeitlich neuesten Reihe dieses Unternehmens
auseinandersetzt.
Klaus Schreiber
Auf 400 Seiten gelangt die erste Fünffachlieferung der Reihe 6, Die
deutsche Literatur von 1890 bis 1990, des auf den Buchstaben A
spezialisierten Lexikons genau zum Anschnitt des 179. Artikels:
Ahlers, Thomas. Man kann das im Ansatz Schiefe, Undurchdachte und
Elephantiastische dieses bio-bibliographischen Unternehmens am besten
durch ein Zitat charakterisieren. Also: Nr. 168 - aus der Feder von
Lisa Lechtenbörger - ganz:
- [1]
- Agner, Lisel, Geb. 21.6.1913 in Esslingen; gest.: 1.8.1983. - 1.
Lisel Agner war Chefsekretärin des Bechtle-Verlages und Autorin von
Artikeln für Feuilleton und Lokalteil der Eßlinger Zeitung, für die
sie Bücher des Verlags besprach und Heimatgeschichten schrieb. 2.
A.s einziges Buch, Geschichten aus Alt-Esslingen, wurde vom
örtlichen Verkehrsverein angeregt und hat seit dem Erscheinungsjahr
1981 bereits zwei weitere Auflagen erlebt. A. erzählt darin
Begebenheiten von regionalem Interesse, mit der erklärten Absicht,
tradiertes Erzählgut mitsamt der dazugehörigen Erzählsituation
('Geschichten [...], die Großmütter ihren Enkeln erzählten')
festzuhalten. Stilistisch an der realistischen Heimatliteratur
orientiert, neigt A. zur Idyllisierung. 3. Schriften. 1.
Einzelschriften 1.00.01. Geschichten aus Alt-Esslingen. Ein Brevier
der Liebe zu Esslingen. ... 2. Aufl. 4.-5. Tsd. Esslingen/N. Bechtle
1982. 205 S. [Erstauflage nicht nachweisbar.]
- Dergleichen also erfüllt die Kriterien des Editorial, wo es zur
Auswahl (!) der Autoren heißt: "Kerngruppe sind die in engerem Sinne
belletristischen Autoren, unabhängig von der Qualität ihrer Arbeiten.
Nicht aufgenommen werden Sach- und Fachbuchautoren, die über ihren
eigentlichen fachlichen Kreis hinaus keine Wirkung hatten. Sach- und
Fachbuchautoren, die eine besondere Bedeutung für den kulturellen
Betrieb hatten, insbesondere aus den der Belletristik angrenzenden
Gebieten (so z.B. die wichtigsten Psychoanalytiker, Kulturhistoriker,
Politologen), werden jedoch ebenso berücksichtigt wie Autobiographen,
Reportage- und Reiseschriftsteller. Hinzu kommen Feuilletonisten,
Essayisten, Übersetzer, Film- und Fernsehautoren von angemessener
Bedeutung sowie Hörspiel- und Theaterautoren."
- Gerade entgegengesetzt verfährt das Ende 1997 herausgekommene Lexikon
der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur seit 1945, das seinen
Abschluß in zwei Bänden u.a. auch der klugen Beschränkung auf 750
Autoren verdankt, und zwar in strikter Konzentration auf Autoren
fiktionaler Texte.
- Die Verantwortlichen für das biographische und bibliographisches
Lexikon Die deutsche Literatur werden indes nicht müde, jede ihnen
gebotene Gelegenheit zur Propaganda für ihr hypertrophes Unternehmen
zu nutzen. So findet sich eine wiederholte Präsentation des Projekts
auch in dem Sammelwerk Geschichte der österreichischen Literatur (IFB
97-1/2-130). Freilich liest man dort nichts prinzipiell Neues. Um so
überraschter nimmt man aber Roloffs jüngsten Vorschlag zu einer
europäischen Übersetzungsbibliographie zur Kenntnis, wieder ein
gigantomanisches Konzept, das da vorgestellt wird.
- Zur praktischen Umsetzung wird folgendes Verfahren empfohlen:
"Nach Absprache mit den nationalbibliographischen Zentren sollten
diese jeweils einen Referenten beauftragen. Die Versammlung der
Referenten erarbeitet dann eine Logistik und entscheidet endgültig
über die Berücksichtigung der Literaturbereiche, über die
einheitlichen bibliographischen Formen und über die Arbeitsabläufe der
Kooperation. Für den Stand der Zentralredaktion wäre eine der größeren
europäischen Bibliotheken vorzusehen. Die Kosten für die Ermittlung
und Einbringung der nationalsprachlichen Übersetzung [Singular, sic!]
müßten jeweils die Länder tragen; die Finanzierung der
Zentralredaktion sollte aus einem Fonds der [sc. Europäischen]
Gemeinschaft erfolgen" (S. 926 - 927). So einfach geht das also, wenn
man nur ein paarmal "wäre ... vorzusehen, sollte ... usw." sagt. Warum
aber kommt dann bloß Die deutsche Literatur nicht voran? Ein Grund ist
sicher, daß immer neue Projekte - nach Art der
Übersetzungsbibliographie - dazwischenkommen, ein anderer liegt in den
"weichen" Kriterien einer weit überzogenen Auswahl.
- Alle, die sich im Literatur-Kürschner finden, weil sie dorthin
irgendein Gedicht, das sie in einer Zeitung veröffentlicht haben, wie
einen Buchtitel gemeldet haben, werden hier ebenso behandelt wie der
Jagd- und Hochgebirgsschriftsteller Arthur Achleitner, die Autorin
trivialer Erbauungsbücher für die Jugend Olga von Adelung, Konrad
Adenauer, Theodor Adorno. Der Text der biographischen Artikel ist bald
lang, wenn viel Vorarbeit geleistet ist oder noch lebende Autoren
ganze Bananenkisten von Material zur Redaktion anschleppen. Alles
hübsch durchsetzt mit Paßbildchen oder Titelblattreproduktionen.
- Problematisch sind nicht die einzelnen Artikel - darunter sind
vorzügliche kleine Studien, wie etwa die zu Arthur Achleitner oder zu
Bruno Adler u.a.m. Streiten könnte man noch darüber, ob nicht sogar
der eine oder andere ganz triviale Autor infolge einer gewissen
Rezeption einmal beispielshalber das Interesse irgendeines Forschers
auf sich ziehen könnte. Anstößig ist vielmehr die zur Schau getragene
Prätention, man könne in der hier eingeschlagenen Weise je zu einem
Ende kommen. Würde sich die halbe Germanisten-Zunft auf dies
Unternehmen dienstverpflichten lassen, gelänge das nicht. Und wem
hülfe am Ende ein solches Werk, das einzig mechanisch von dem Prinzip
zusammengehalten würde, alles zu vereinigen, was je zu Papier gebracht
worden ist. Wer weiß, wieviele Auflagen Agners Großmutter-Geschichten
- bibliographisch ganz verloren in einem Ziffernschema, das die
Vielschreiber einfangen soll - erlebt haben werden, wenn sich die
redaktionelle Arbeit je dem Ende des Buchstaben A zuneigen sollte?
- Wie bescheiden und maßvoll nimmt sich gegen alles hier Proklamierte
und Versuchte die Neubearbeitung des Deutschen Literaturlexikons aus,
die dritte Auflage des sog. Kosch. Davon unterscheidet sich Die
Deutsche Literatur freilich, indem letztere allenthalben nach Autopsie
strebt, damit aber sich ans Ridiküle vergeudet.
- Genügt es nicht, wenn man den an Agner interessierten Heimatkundler
auf eigene Faust recherchieren läßt? Was sich als deutsches
Literaturlexikon äußerstenfalls verwirklichen läßt, wenn man nicht
alle Maßstäbe und den Blick für die Realität verliert, auch für die
des Marktes, zeigen die Unternehmungen Killy und Kosch. Neben den
beiden besteht kein Bedarf an einem unrealistisch überdimensionierten
Werk wie dem hier angezeigten, das nicht anders denn als Torso enden
kann.
- Der ursprüngliche Verlag hat sich von Der Deutschen Literatur
inzwischen verabschiedet. Daß auch der neue Verlag an dem
Saurier-Wechselbalg auf die Dauer keine Freude haben wird, läßt sich
leicht prognostizieren, taugt dieser doch allenfalls zur
Arbeitsbeschaffung, ohne daß ihm eine "besondere Bedeutung für den
kulturellen Betrieb" zukommt.
- Immerhin hat der mutige neue Verlag - nachdem er die angekündigten
Erscheinungstermine mehrfach nicht einhalten konnte und um fast zwei
Jahre überzogen hat - im März 1998 die erste in seinem Verlag
erschienene Lieferung vorgelegt und mit dieser sogar eine neue Reihe
für die Zeit 1720 bis 1830 begonnen. Die Lfg. 1/3 dringt auf 250
Seiten bis zum Alphabetstück Ad vor. Die Crux wird auch hier der
vorprogrammierte Fragmentarismus bleiben, was um so mehr zu bedauern
ist, als sich unter den Artikeln eine größere Zahl vorzüglicher
kleiner Autorenmonographien findet, wie man sie anderswo in unseren
Nachschlagewerken nicht antrifft (gemäß dem Konzept des Werks bietet
die Abteilung A jeweils nur die Vita und die subjektive
Personalbibliographie, letztere in einer höchst komplizierten und
unübersichtlichen Dezimalrasterung angeordnet), z.B. zu Sophie
Charlotte Ackermann, den beiden Karl Benjamin Acoluth u.v.a.m. Es ist
völlig unverständlich, daß die Herausgeber - wenn sie es denn mit
diesem Unternehmen ernst meinen - nicht längst zur Publikationsform
der Loseblattausgabe übergegangen sind, um wenigstens das
herauszubringen, was fertig ist. Der Verlagswechsel wäre für eine
solche Entscheidung der geeignete Anlaß gewesen.
- Hans-Albrecht Koch
- Überschrift Stiftung soll mit zehn Millionen Mark Lexikonprojekt
retten : eine weitere Förderung ist fraglich. Und das, obwohl lt.
derselben Meldung "in das Projekt von verschiedenen Seiten ... Gelder
in Millionenhöhe (investiert)" wurden.
- von Hermann Kunisch. Fortgef. von Herbert Wiesner. Neu hrsg. in Zsarb.
mit Marion Büchl ... von Dietz-Rüdiger Moser. - Vollst. überarb. und
aktualisierte Neuausg. des Neuen Handbuches der deutschsprachigen
Gegenwartsliteratur seit 1945. - München : Nymphenburger, 1997. - Bd.
1 - 2. - 1322 S. ; 25 cm. - ISBN 3-485-00756-0 : 198.00 [4487]. - Eine
Rez. in IFB ist vorgesehen.
- Hans-Gert Roloff. // In: Beiträge zu Komparatistik und
Sozialgeschichte der Literatur : Festschrift für Alberto Martino /
hrsg. von Norbert Bachleitner ... - Amsterdam [u.a.] : Benjamins,
1997. - (Chloe ; 26), S. 901 - 927.
- für Mai 1996, dann für Herbst 1996, später für das Frühjahr 1997
angekündigte Fortsetzung von Reihe II, Abt. A mit den Lfg. 6 ff. lag
bis Ende März 1998 noch nicht vor.
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