So muß nun der Interessierte mit zwei Bibliographien arbeiten - ein Umstand, der - an sich schon unerfreulich - noch ärgerlicher wird, weil man tatsächlich mit beiden arbeiten muß - mit der Bellmannschen von 1995 wegen ihrer Korrektheit, mit der von Viktor Böll und Markus Schäfer bearbeiteten, weil sie - nicht verwunderlich angesichts der Verfügung über die Archivalien, darunter die Böllschen Arbeitskladden mit (nicht immer zuverlässigen) Datierungen - auch den einen oder anderen Titel bietet, der bei Bellmann noch nicht erfaßt ist.
Bölls Hausverlag Kiepenheuer & Witsch und die Böll-Erben tragen mit
der neuen Bibliographie zur Pflege des Schriftsteller-Erbes soviel bei
wie zu seiner Verschleuderung. Daß die Kölner Bibliographie -
ursprünglich für das Frühjahr 1996 angekündigt - erst jetzt erscheint,
hätte ihr eigentlich zugutekommen müssen. War infolge des Verzugs doch
Zeit genug, das Kölner Material noch einmal an der Bellmannschen
Arbeit abzugleichen. Macht man das nun als Benutzer nachträglich,
reibt man sich alsbald die Augen: Warum z.B. bietet Bellmann (59.5) zu
Bölls Essener Rede Der Preis der Versöhnung zwei unmittelbar mit dem
Anlaß - der Woche der Brüderlichkeit - verbundene Essener Drucke,
während Böll/Schäfer (59.05) nur einen anführen? Für andere Belege
dieser Art sei auf die so gründliche wie berechtigte Kritik der neuen
Bibliographie durch Andreas Rossmann[2] verwiesen; dort findet sich auch
ein Hinweis auf einen Böll irrtümlich zugeschriebenen Text .
Der Eindruck größerer Ausführlichkeit bei Böll/Schäfer rührt aus
zahlreichen Annotationen zu den Titelaufnahmen. Sie sind nicht immer
nötig, aber doch des öfteren hilfreich. Aber wie die Autoren der neuen
Bibliographie die Chance zusätzlicher Informationen gleich wieder
vertun, verrät ein Blick in das Register. Da wird (59.15) zu dem
Abdruck eines Gesprächs Magie des Worts, das Böll mit Rolf Gerlach
geführt hat, die willkommene Annotation hinzugefügt, der
Schriftsteller habe sich dort über seine Hörspiele Bilanz und Eine
Stunde Aufenthalt geäußert. Dabei wird auch mitgeteilt, daß beide
Hörspiele unter den Nummern 58.04 und 57.17 verzeichnet sind. Im
Register der Werke aber finden sich beide Werke nur mit diesen beiden
Nummern, nicht jedoch mit dem Hinweis auf 59.15.
Auf den Punkt gebracht: Es mangelt den Bearbeitern an der Beherrschung
der bibliographischen Technik. Das zeigt sich gleich mehrfach. Das
Vorwort ergeht sich des längeren über Bölls Technik der
"Fortschreibung" - es handelt sich dabei ganz einfach um die
ökonomische Mehrfachverwertung, der er seine Texte zugeführt hat -,
aber ein Hinweis darauf, daß es sich bei den grau unterlegten
Titelaufnahmen, die zuweilen auf den Seiten hervorspringen, um solche
handelt, die unter ihrem Entstehungsjahr eingereiht sind, obgleich sie
erst wesentlich später in Sammlungen bzw. Ausgaben publiziert worden
sind - ein solcher Hinweis fehlt, und der Benutzer muß sich den Grund
für selbst erschließen.
Auch die ärgerliche Überfrachtung der neuen Bibliographie mit
nicht-bibliographischen Daten belegt den methodischen Mangel. Die
jedem Jahr vorangestellten biographischen Daten haben im Kontext einer
subjektiven Personalbibliographie nichts verloren, die sich auf ihren
Zweck des Nachweises von Drucken konzentrieren sollte.
Hans-Albrecht Koch
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