Ein dem Praxisbereich zuzuordnendes Movens liegt nun sicher auch der
zweiteiligen Zusammenstellung der Historischen Theater in Deutschland
zugrunde. Wie der Reihentitel Berichte zu Forschung und Praxis der
Denkmalpflege in Deutschland andeutet und wie die Vorworte zu den
beiden Heften verdeutlichen, war die Anregung zu dieser
Übersichtserfassung durchaus von den Bedürfnissen der Praxis nach
erster Bestandsaufnahme geleitet; umfassendere architekturhistorische
Publikationen ersetzen diese beiden Hefte in vielen Teilen jedenfalls
nicht. Zu den wenigen Arbeiten, die sich überhaupt über Einzelbauten
hinaus umfassender mit dem Theaterbau in Deutschland befassen, gehört
die Monographie von Harald Zielske von 1971,[2] die nach wie vor mit
Nutzen zu konsultieren ist, ebenso wie ein von Urs Boeck konzipiertes
Themenheft im Jg. 46 (1988) der Zeitschrift Deutsche Kunst und
Denkmalpflege, das sich ganz der Denkmalpflege an Theaterbauten in der
Bundesrepublik Deutschland widmet.[3] Diesen Arbeiten stellen die beiden
vorliegenden Publikationen nun ein knappes Übersichtsinstrument - im
Untertitel als Katalog bezeichnet - zur Seite.
Teil 1 von 1991 erfaßt die historischen Theater der westlichen
Bundesländer, wobei die zeitliche Grenzziehung, ohne daß dies
allerdings direkt formuliert wird, bei 1945 liegt. Die Anordnung der
Einträge ist gegliedert nach Bundesländern und danach im Ortsalphabet;
eine differenziertere bautypologische Einordnung - wie etwa bei
Zielske oder auch einführend im genannten Heft der Zeitschrift
Deutsche Kunst und Denkmalpflege - wird nicht versucht. Grundlage für
die jeweils strikt auf eine Seite begrenzten Einträge waren
Fragebögen, deren Erfassungskriterien sich im Beschreibungsraster der
Publikation spiegeln: Standort, Nutzer, Bauzeit, Eröffnung, Bauherr,
Architekt, Baugeschichte, Städtebauliche Einbindung, Äußeres,
Zuschauerraum, Bühneneinrichtung, Nebenräume, Fundus, Würdigung,
Zustand/Planungen, Literaturhinweise und Grundriß und eine Abbildung
(mit Datierung) nach Belieben. Es liegt auf der Hand, daß diese
Angaben, fast stichwortartig zusammengedrängt auf einer Seite, nicht
viel anderes leisten können als Kurzinventare. Während diese sich aber
meist gattungsübergreifend unter vorrangig topographischen
Gesichtspunkten organisieren, somit auch praktische Funktion "vor Ort"
übernehmen, tritt im vorliegenden Fall der topographische
Gesichtspunkt zugunsten des bauaufgabenspezifischen zurück, ohne hier
jedoch merkmalbildend zu verfahren. Dies könnte zwar auch ohne eine
solche weitergehende bautypologische Differenzierung grundsätzlich
wertvoll im Sinne eines Spezial(kurz)inventars sein, setzte dann aber
wenigstens Vollständigkeit voraus. Diese fehlt jedoch: der Anspruch
auf Vollständigkeit wurde gar nicht erst gestellt, von der
grundsätzlichen Begrenzung auf historische Theaterbauten sowieso schon
abgesehen. So lebt diese Zusammenstellung mit den Unzulänglichkeiten
und mancher Zufälligkeit in der Auswahl, wie sie viele
Kurznachschlagewerke kennzeichnet; dennoch bietet sie den Wert eines
ersten Einblicks in das Vorhandene, ohne aber über das Datengerüst
hinaus für den Einzelfall allzu hilfreich zu sein - selbst im
Einzelfall werden verschiedene historische Bauzustände nur schwer
nachvollziehbar, der aktuelle Zustand nicht für jeden Teil erkennbar
usw. - und ohne eine weitergehende Bezugsetzung dieser Einzeleinträge
zueinander - etwa im Sinne einer speziellen Architekturgeschichte - zu
bieten.
Das 1994 als Teil 2 der Darstellung Historischer Theater in
Deutschland erschienene Heft für die historischen Theaterbauten der
östlichen Bundesländer weist inhaltlich erheblich zu Teil 1
divergierende Auswahlkriterien auf. Entscheidend ist die Aufgabe der
Beschränkung auf historische Theaterbauten vor 1945. Vielmehr wird
hier - wohl auch unter dem Druck der Praxis und der Frage nach der
Fortexistenz so mancher Spielorte nach 1990 - die Erfassung ausgedehnt
auf Theaterneubauten der Nachkriegszeit, auf Konzerthäuser (wie etwa
die Berliner Philharmonie von Scharoun) und auf die DDR-spezifischen
Kulturhäuser (Bitterfeld, Chemnitz-Siegmar, Espenhain, Harbke, Schwedt
usw.). Dies macht beide Teilpublikationen (westliche und östliche
Bundesländer) in der Zusammenschau, an die allerdings ursprünglich gar
nicht gedacht werden konnte, einfach zu divergierend, um von einer
einheitlichen Gesamtpublikation zum historischen Theaterbau in
Deutschland sprechen zu können. Auch im Einzelnen wurden im Heft für
die östlichen Bundesländer die Erfassungsmodalitäten verändert. Zwar
blieb das Beschreibungsraster bestehen, erweitert wurde aber - zum
Teil erheblich - der Abbildungsteil, so daß Bauzustände und
Baugeschichte im Einzelfall besser nachzuvollziehen sind. Insgesamt
gewinnt so dieser Teil der Publikation trotz aller informatorischen
Kargheit durch die Grundkonzeption nun an Wert: Eine reiche
historische Theaterlandschaft dokumentiert sich etwas augenfälliger
und läßt sogar Sonderformen wie die historischen Gartentheater
(Dresden, Weimar) wiederentdecken.
Angela Karasch
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