So heterogen die Herausgeberschaft, so gleichbleibend der Umkreis, aus dem die Bände stammen (University of Chicago und British Film Institute), und so gleichbleibend auch das Konzept, dem die Bände folgen: Ein prominent besetztes, internationales Gremium (je Band variierend, mit bis zu 24 Mitgliedern) berät die Herausgeber in der Auswahl der Filme und Personen, ein ebenfalls international besetzter, umfangreicher Stab von namhaften und weniger bekannten Autoren (jetzt weit über 200) teilt - in sehr unterschiedlichen Anteilen - die Artikel unter sich auf. Die Gliederung der Artikel folgt einem einheitlichen Schema: Die Filmartikel nennen zunächst die Produktionsdaten und den Mitarbeiterstab (incl. Rollenbesetzung), geben danach ausführlich Hinweise auf Textveröffentlichungen und Sekundärliteratur (getrennt nach Büchern und Aufsätzen in nur knapper bibliographischer Beschreibung) und schließen mit einem Essay im Umfang von etwa einer Spalte im zweispaltigen Satz. Fast jeder dritte Artikel ist mit einem großformatigen, schwarzweißen Standphoto illustriert. Die Personen-Artikel, die die Bd. 2 - 4 füllen, führen zunächst Lebens- und Karrieredaten auf, informieren danach in zeitlicher Folge über die Filme, an denen die Personen in unterschiedlichen Funktionen mitgewirkt haben, verzeichnen Bücher und Aufsätze jeweils von und über sie und schließen mit einem ähnlich umfangreichen Essay wie im Filmband. Auch die Illustrierung bleibt konsistent und wählt zwischen Porträt-, Produktions- und Standphotos aus. Die Bände schließen mit biographischen und bibliographischen Informationen über die jeweils beteiligten Autoren und nennen die von ihnen verfaßten und im Hauptteil auch mit ihren Namen gezeichneten Artikel.
Die beiden ersten Auflagen besaßen einen Registerband, der alle in den verschiedenen Bänden erwähnten Filmtitel in der Originalsprache und im amerikanischen Verleihtitel (resp. in freier Übersetzung) aufführte. Auf diesen Band wurde jetzt zugunsten integrierter Indizes verzichtet: Der Filmband enthält einen (erstmalig erstellten) geographischen Index und ein Register aller erwähnten Personen des Bandes (mit Verweisung auf den betreffenden Filmtitel); von abweichenden Titelfassungen und US-amerikanischen Verleihtiteln wird innerhalb des Hauptteils verwiesen. Die Personenbände besitzen je einen Nationalitäten-Index und ein Register aller im jeweiligen Band genannten Filme (mit Verweisung auf die Personartikel) unter Hervorhebung der im Filmband ausführlich behandelten Filme. Von abweichenden Namen, Pseudonymen etc. wird innerhalb des Textteils verwiesen. Der Verzicht auf einen besonderen Registerband gerät bei dem nicht unerheblichen Umfang der Registereintragungen zu einem bedauerlichen Manko, wenn man bei der Suche nach Personalinformationen über die Filme, die nicht einen eigenen Artikel im Band 1 erhalten haben, nun tatsächlich alle drei weiteren Bände in ihren Registern durchprüfen muß. Bei dem Umfang der Register (ca. 34.000 Filmtitel im Schauspieler-Band, 26.000 im Regisseur-Band und 32.000 im Assistenten-Band) und dem Gewicht der Einzelbände im Wortsinn kein leichtes und ein nicht nur die Bände strapazierendes Unterfangen. Leider werden auch die im Film-Band im Text erwähnten weiteren Filmtitel nicht durch ein Register erschlossen, ein gleichfalls bedauerliches Manko, da die Autoren der Filmartikel durchaus mit Vergleichen und Hinweisen arbeiten, denen aber leider nicht weiter nachgegangen werden kann. Desgleichen gibt es keine Querverweisungen zwischen den drei biographischen Bänden, so daß in den nicht seltenen Fällen von Doppelbegabungen und vor allem für die in den biographischen Essays zahlreich erwähnten anderen Personen "auf Verdacht" in den jeweils anderen resp. allen biographischen Bänden und auch im Filmband gesucht werden muß (unter ca. 500 Regisseuren, 650 Schauspielern, 520 Assistenten und fast 14.000 Namen im Filmband), um alle Informationen zusammenzutragen. Die im Filmband in eigenen Artikeln vorgestellten Filme sind allerdings in den Filmlisten der Personenbände typographisch hervorgehoben.
Die Herausgeber der verschiedenen Auflagen haben nicht nur zuätzlich neue Filme und Personen aufgenommen, sondern die übernommenen Artikel auch überarbeiten lassen und nicht wenige gelöscht. Sie haben sich dabei durch ein fachlich ausgewiesenes, beratendes Gremium leiten lassen, das sich künstlerischen Gesichtspunkten in seiner Auswahl verpflichtet hat und in etwa dem gegenwärtigen filmkünstlerischen Diskussionsstand in Nordamerika und Westeuropa folgt. Für die übrigen Filmregionen haben sich die Herausgeber durch einzelne Fachleute beraten lassen, so daß insgesamt eine Auswahl entstanden ist, die einem US-amerikanisch/europäischem Filmkunst-Kanon folgt, angereichert durch weitere außereuropäische/nicht-US-amerikanische Filme und Personen. Für die Auswahl gilt wohl sinngemäß und unter US-amerikanisch/englischer Prämisse die Feststellung, die Thomas Koebner in der Vorbemerkung zu Filmklassiker[1] getroffen hat, daß "man sich über die eine Hälfte der 'klassischen' Filme schnell einig (wird), über die andere gehen die Meinungen auseinander. Was dem einen sein Lieblingsfilm, ist der anderen ein mißglücktes Experiment oder banale Modeerscheinung - und umgekehrt. Mit redlichem Bemühen und gleichgewichtigen Skrupeln haben wir versucht, einen Weg aus dem Dilemma zu finden." Die Herausgeber selber haben ihre Auswahlkriterien nur in der ersten Ausgabe explizit formuliert, jetzt verweisen sie pauschal auf die Kompetenz ihrer beratenden Gremien.
Die besondere Qualität der Bände liegt nicht nur in Auswahl und Präsentation, sondern mehr noch in den Eintragungen selber begründet, und hier nicht allein in den umfangreichen biographischen und bibliographischen Angaben zu Filmen und Personen, sondern vor allem in den Texten. Häufig gehen die Artikel über bloße Zusammenstellungen von Fakten und Daten hinaus, sprechen akzentuiert Vergleiche, Beziehungen und Bewertungen aus und erreichen dank flüssiger Formulierungen und gelungener Darstellung den Rang von kleinen Essays. Auffällig ist, daß die biographischen Artikel im Fall der Doppel- und Mehrfachbegabungen nicht aufeinander abgestimmt sind, sondern verschiedenen Autoren zugewiesen wurden, die durchaus unterschiedliche Akzente setzen und auch in den Faktenzusammenstellungen voneinander abweichen. Das mag in den Fakten irritierend wirken, für die biographischen Essays ist es aber zweifellos eine Bereicherung, dieselbe Person in ihren verschiedenen Leistungen auch unterschiedlichen Beurteilungen ausgesetzt zu sehen. Für ein amerikanisch-englisches Publikum, an das sich das Lexikon primär wendet, ist die besondere Betonung US-amerikanischer Filme und Personen selbstverständlich. So werden in etwas mehr als der Hälfte aller Darstellerbiographien US-Amerikaner vorgestellt (d.i. mehr als 500, dazu 88 englische, neben 9 deutschen, 8 österreichischen und 5 schweizerischen Darstellern; die konkreten Zahlen seien nur erwähnt, um die Gewichte zu verdeutlichen, denn über die Zuordnung und gelegentliche Doppelzuordnung zu den Nationalitäten ließe sich nicht nur in manchen Fällen trefflich streiten). Für ein Lexikon, das im Titel ausdrücklich die Internationalität seines Berichtsumfangs angibt, fällt diese Bevorzugung trotz der bekannten faktischen Dominanz, die auch wiedergegeben werden muß, etwas zu deutlich aus.
Trotz solcher Einwände gegen die Auswahl der Filme und Personen bleibt
aber festzuhalten, daß ein vergleichbar umfangreiches und
ausführliches Nachschlagewerk zum Film in Aufmachung und Inhalt
derzeit nicht existiert. Andere auf dem Buchmarkt angebotene
internationale Lexika sind weit weniger umfangreich in Breite und
Tiefe und auch ältere, vielleicht noch am ehesten vergleichbare
allgemeine Lexika haben nicht die Ausführlichkeit und Opulenz der
Darstellung angestrebt oder erreicht, die dieses Lexikon auszeichnet.[2]
So bleibt nur die mangelnde übergreifende Erschließung der Bände
negativ anzumerken, ein Manko, das zu beheben, den Herausgebern und
dem Verleger aber ans Herz zu legen ist. In den Zeiten bekannt
komfortabler Linkings in CD-ROM-Publikationen sollte eine
entsprechende Erschließung auch in herkömmlichen Nachschlagewerken
selbstverständlich sein, wenn die Verleger nicht Gefahr laufen wollen,
daß verwöhnte Nutzer vollends in die elektronische Informationswelt
abdriften und solch opulente Nachschlagewerke als Dinosaurier ihrer
Gattung abtun.
Wilbert Ubbens
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