Bei den Nachschlagewerken im Bereich der Altertumswissenschaft hat sich in letzter Zeit einiges getan. Seit 1996 erscheint der Neue Pauly und 1997 kam der erste Teil des Gesamtregisters zur Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE) heraus. Beide Neuerscheinungen sollen hier in einem größeren Rahmen besprochen werden. Eine Rezension des Neuen Pauly kommt nicht ohne Rückgriffe auf die Vorgänger - die RE und den Kleinen Pauly - aus, mit denen das neue Lexikon schließlich verglichen wird. So wird denn auch auf diese beiden Nachschlagewerke kurz eingegangen. Das letzte Kapitel wird sich mit dem Gesamtregister befassen. 2. Die Vorgänger
2.1 Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
Eine detaillierte Abhandlung über die Publikationsgeschichte der RE
ist 1985 in der Zeitschrift Philologus erschienen.[1] Im folgenden soll
daher die Geschichte nur kurz skizziert werden.
Der Initiator der RE war der Gymnasial-Professor August Friedrich von
Pauly (1796 - 1845). Bei der Konzeption der ersten Auflage seines
Nachschlagewerkes ging Pauly von den Anforderungen des
Gymnasialunterrichts aus. Dabei konnte er bereits auf einige Vorbilder
zurückgreifen.[2] Das Lexikon sollte vor allem Schülern und Lehrern als
Hilfsmittel dienen. Es berücksichtigte den weiten Bereich der
griechisch-römischen Antike bis 476 und die orientalischen
Randkulturen, soweit sie in den griechischen und lateinischen Quellen
ihren Niederschlag fanden. Obwohl Pauly einen Mitarbeiterstab von 17
Gelehrten hatte, zog sich das Erscheinen der Bände sehr lange hin.[3]
Bei den Vorbereitungen zum 4. Bd. starb Pauly. Seine Nachfolger Ernst
Christian Walz (1802 - 1857) und Wilhelm Siegmund Teuffel (1820 -
1878) konnten eine größere Anzahl von Mitarbeitern gewinnen, so daß
einerseits die nachfolgenden Bände schneller erschienen und
andererseits auch die wissenschaftliche Qualität der Artikel zunahm.[4]
Die Betreuung des Unternehmens erfolgt bis heute durch die Metzlersche
Verlagsbuchhandlung in Stuttgart. Der Verlag war es auch, der sich für
eine zweite Auflage des ersten Bandes einsetzte, der in zwei
Teilbänden 1864 und 1866 erschien. Die Neubearbeitung war wesentlich
umfangreicher, weil Geographica systematischer aufgenommen und die
Inschriften sowie die Byzantinistik viel stärker berücksichtigt
wurden. Eine Neuauflage der übrigen Bände war nicht geplant. Die
Zunahme wissenschaftlicher Erkenntnisse und der Zerfall der
Altertumswissenschaft in mehrere Spezialdisziplinen führten am Ende
des 19. Jh. dazu, daß ein einzelner kaum noch in Lage war, das gesamte
Gebiet der Altertumswissenschaften zu überblicken. Bezeichnenderweise
erschienen gerade zu jener Zeit zwei Monumentalwerke, die vom Titel
her noch eine Einheit des Faches suggerierten: das Handbuch der
Altertumswissenschaft und die völlige Neuauflage des alten Pauly als
Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft.[5]
Diese Neubearbeitung konzipierte der Verlag in Zusammenarbeit mit dem
Marburger Professor Georg Wissowa. Die zeitliche Abgrenzung wurde von
der 1. Aufl. übernommen, wohingegen die antiken Nachbarkulturen und
die Byzantina stärker berücksichtigt werden sollten. Ziel der
Herausgeber war es, den damaligen Kenntnisstand über die Antike
festzuhalten. Dazu sollten die Artikel von berufenen Experten verfaßt
werden. Im Gegensatz zur 1. Aufl. war die Herausgabe von
Supplementbänden von vornherein beabsichtigt, um somit ein Veralten
der Artikel zu verhindern. Der erste Supplementband erschien 1903.
Wissowa übergab 1906 die Leitung an Wilhelm Kroll (1869 - 1939), der
das Unternehmen die nächsten 29 Jahre leitete, währenddessen er die RE
konsequent zu einer Sammlung von kürzeren Orientierungsartikeln
einerseits und qualifizierten Monographien andererseits[6] umwandelte.
Um das Gesamtwerk schneller abschließen zu können, richtete Kroll auch
eine zweite Reihe ein, die mit dem Buchstaben R beginnt. Der erste
Halbband dieser Reihe erschien 1914. Mitherausgeber für die zweite
Reihe wurde der Erlanger Professor Kurt Witte bis zum vierten Halbband
1923. Nachfolger Wittes wurde der Breslauer Studienrat Karl Mittelhaus
(1877 - 1946). Durch die Zerstörung des Verlagshauses im Oktober 1943
mußte die weitere Herausgabe der RE vorerst eingestellt werden. Nach
1945 wurde die Arbeit an der RE von Konrat Ziegler (1884 - 1974)
weitergeführt.[7] Mit dem 19. Halbband der zweiten Reihe war 1972 der
Abschluß erreicht. Hans Gärtner, ein Schüler von Ziegler, legte 1974
bzw. 1978 die Supplementbände 14 und 15 vor.
Die RE[8] ist zweifelsohne eines der umfangreichsten Lexika im
wissenschaftlichen Bereich und ein unentbehrliches Standardwerk für
alle, die sich mit der Antike befassen. Der Umfang der Artikel reicht
von wenigen Zeilen bis zu mehreren hundert Spalten, wobei solche
umfangreichen Artikel schon fast zu Klassikern geworden sind.[9] In
einigen Fällen sind die RE-Artikel sogar die bislang umfangreichsten
Arbeiten zu einem bestimmten Sachverhalt.[10] Die Unausgewogenheit
hinsichtlich der verschiedenen Umfänge der Artikel resultierte aus der
bereits oben angedeuteten Haltung der jeweiligen Herausgeber: Wissowa
tendierte zu straffen Überblicksartikeln, während Kroll, Witte und
Mittelhaus auch sehr viele umfangreiche Beiträge akzeptierten. Aus
pragmatischen Gründen verzichtete auch Ziegler oft auf eine Kürzung
der Artikel, die die Herausgabe eines Halbbandes wieder verzögert
hätte.
Es ist nicht einfach, sich mit diesem umfangreichen Lexikon
auseinanderzusetzen, da es für Fachleute geschrieben ist und
Latein- und Griechischkenntnisse voraussetzt, ohne die viele Artikel
nicht
zu verstehen sind. Ebenso werden die im Fach üblichen Abkürzungen von
antiken Autoren, ihren Werken, von Fachzeitschriften und
Standardwerken sowie großen Quelleneditionen vorausgesetzt. Wer sich
hier nicht auskennt, muß auf andere Nachschlagewerke zurückgreifen.
Wenig benutzerfreundlich ist auch die Ansetzung von Personennamen
- nach dem nomen gentile. Hinweise auf Quellen oder Fachliteratur
befinden sich im laufenden Text, in der Regel von runden Klammern
eingeschlossen. Das erschwert zwar die Lektüre, bietet aber dem
Suchenden in der Regel das wichtigste bisweilen auch das vollständige
Quellenmaterial (die Sekundär-Literatur ist natürlich veraltet). Die
Supplementbände erschweren zudem die Handhabung. Sie enthalten
Nachträge von Artikeln, die nicht in das Hauptalphabet eingeflossen
sind, ergänzten oder korrigierten Artikel aus den Hauptbänden sowie
teilweise Artikel, die ältere völlig ersetzen (dazu unten).
2.2 Der kleine Pauly[11]
Noch während die RE erschien, entschlossen sich die Bearbeiter dazu,
auf der Basis der RE ein neues Lexikon herauszubringen, das das
Wichtigste der Vorlage komprimieren sowie neuere Forschungsergebnisse
und neue Artikel einbringen sollte. In Erinnerung an den ersten
Herausgeber erschien dieses Lexikon u.d.T. Der kleine Pauly innerhalb
von nur zehn Jahren. Wer sich schnell über einen antiken Sachverhalt
infomieren möchte, findet hier fundierte Artikel mit den wichtigsten
Quellen- und Literaturangaben. Der kleine Pauly ist vor allem für die
private Anschaffung hinsichtlich des Preises und des benötigten
Platzes zu empfehlen.[12] Seit der letzte Band des Kleinen Pauly
erschienen ist, sind 22 Jahre vergangen, in denen für den Bereich der
Antike mehrere kleine Lexika auf den Markt gebracht wurden, die jedoch
nicht den Stellenwert des Kleinen Pauly geschweige denn der RE
erlangen konnten.
3. Der Neue Pauly[13]
Seit 1996 erscheint nun Der Neue Pauly (DNP). Er sieht sich
ausdrücklich in der Tradition der RE bzw. des Kleinen Pauly. In der
Verlagsmitteilung heißt es, daß die zweite Auflage der RE unmöglich
wiederholt werden konnte. Hier stellt sich jedoch die Frage, ob es
nicht möglich gewesen wäre, eine elektronische Version (CD-ROM)
herzustellen, deren Korrektur, Erweiterung und Aktualisierung
wesentlich leichter zu handhaben gewesen wäre.
3.1 Erscheinungsweise
DNP wird 15 Bände umfassen, von denen sich 12 Bände mit dem Altertum
und 3 mit der Rezeptions- und Wissenschaftsgeschichte befassen werden.
Insgesamt soll das neue Lexikon 24.000 Artikel enthalten. Zum Abschluß
wird ein Registerband erscheinen, der den Inhalt systematisch
erschließen und der weiteres Karten- und Informationsmaterial
enthalten wird. Bd. 1 erschien im Herbst 1996 und das Werk wird mit
zwei Bänden jährlich fortgesetzt. Der erste Band des rezeptions- und
wissenschaftsgeschichtlichen Teils soll 1998 herauskommen, die beiden
anderen sollen im Jahresabstand folgen, so daß der Abschluß in sechs
Jahren erreicht sein wird. Den beiden Hauptherausgebern - Hubert
Cancik und Helmuth Schneider - stehen 23 Fachherausgeber zur Seite,
die 700 Mitarbeiter koordinieren. Sitz der Redaktion ist Tübingen.
3.2 Inhalt
Der Schwerpunkt liegt auf dem Gebiet der griechisch-römischen Antike
in allen ihren Bereichen und von der Bronze- und Eisenzeit (1200 - 800
v. Chr.) bis zum frühmittelalterlichen Europa (600 - 800 n. Chr.). Die
Beziehungen zwischen der griechisch-römischen Welt, ihren Vorläufern
und den Nachbarkulturen sollen angemessenen Raum erhalten.
Wirtschafts-, Sozial- und Alltagsgeschichte werden ebenso wie die
Archäologie sehr viel stärker berücksichtigt als bei den Vorgängern.[14]
Einen großen Umfang wird die Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte der
Antike einnehmen, der der zweiten Teil vorbehalten ist. Als Vorschau
darauf können einige in einer Verlagsmitteilung genannte Artikel
dienen: Architekturtheorie aus Bd. 1 soll im zweiten Teil fortgesetzt
werden und die Architekturtheorie des Mittelalters behandeln. Es fehlt
jedoch eine Verweisung auf den zweiten Teil, die es nach den
Benutzungshinweisen eigentlich geben müßte. Weitere Artikel sind:
Bildungsreise, Bürger, Gymnasium, Hippokratischer Eid, Infrastruktur
(Überleben und Weiterverwendung antiker Infrastrukturen im
städtischen, ländlichen und sozialen Bereich), Komparativismus
(Verständnis der antiken Kultur - insbesondere ihrer Religion - aus
dem Vergleich mit ethnologischen Kulturen; setzt im 16. Jahrhundert
ein), Matriarchatstheorien (Bachofen und seine Rezeption im Marxismus,
bei den Kosmikern und im rechten und linken Feminismus), Reiseführer
(Geschichte des Genres vom 17./18. Jh. bis heute, Darstellung der
normierenden Wirkung für moderne Vorstellungen von der Antike, z.B.
durch Auswahl der Sehenswürdigkeiten), Religionsgeschichtliche Schule
(Usener, Dietrich und das Archiv für Religionswissenschaft),
Religionssoziologie (Emile Durkheim, Jane Ellen Harrison und Marcel
Mauss). Die Abgrenzung zwischen den beiden Teilen ist leider wenig
präzise. Der Artikel Caesar hat einen umfangreichen Abschnitt zur
Wirkungsgeschichte, an dessen Ende auf den Artikel Caesarismus im
zweiten Teil verwiesen wird. Bei Aischylos findet sich ebenfalls ein
Abschnitt zur Rezeptionsgeschichte, jedoch ohne Verweisung auf den
zweiten Teil.
Es ist sicherlich lobenswert, den frühen Islam in einem Lexikon über
die Antike zu berücksichtigen. Einerseits mußte sich Byzanz mit den
Arabern auseinandersetzen, andererseits wurde antikes Gedankengut im
großen Maß von islamischen Gelehrten rezipiert und damit tradiert
- letzteres ist ein Bereich, der an deutschen Universitäten kaum
behandelt wird. Doch sollte man auch den Bezug zwischen der
islamischen bzw. arabischen-persischen und der antiken Welt
verbalisieren. Der Artikel Abbasiden umfaßt 15 Zeilen. Der einzige
Bezug zur Antike wird in dem Satz hergestellt: "Hell.-iran. geprägte
wiss., kulturelle und lit. Blüte unter dem Kalifen Harun ar-Raschid
(786 - 809)."[15] Ähnlich verhält es sich bei anderen Artikeln aus dem
islamischen Bereich z.B. Ali, Al-Mansur. Hingegen sucht man vergeblich
nach Avicenna oder Averro‰s; hier hätten zumindest Verweisungen auf
die arabischen Ansetzungen in späteren Alphabetteilen erscheinen
müssen, falls unter diesen Artikel vorhanden sein sollten, was aber
nicht wahrscheinlich ist, da man sonst in Bd. 1 einen Artikel
al-Farabi finden würde, setzen die Herausgeber doch etwa Al-Mansur
unter dem arabischen Artikel an. Alle drei hier (noch) fehlenden
Philosophen haben sich intensiv mit antikem Gedankengut
auseinandergesetzt, insbesondere mit dem Werk des Aristoteles. Es
bleibt zu hoffen, daß dieser Bereich im zweiten Teil stärker
berücksichtigt wird. Dagegen ist der Artikel über den Alexanderroman
im orientalischen Bereich sehr gut gelungen (vgl. auch Aphrahat,
Ephraem, Bardasanes).
3.3 Aufbau der Bände
Am Beginn von Bd. 1 und 3 befinden sich Benutzungshinweise,
verschiedene Transkriptionstabellen, ein dreiteiliges
Abkürzungsverzeichnis, ein Kartenverzeichnis mit Kartenliteratur, ein
Abbildungsverzeichnis und eine Liste der Autoren und Übersetzer. Bei
Bd. 2 wurde auf die Transliterationstabellen und das komplette
Abkürzungsverzeichnis verzichtet, was sich als sehr unpraktisch
erweist.
Die Anordnung der Stichwörter erfolgt auf der Grundlage des deutschen
Alphabets, wobei I und J gleich behandelt werden. Auf alternative
Schreibweisen wird verwiesen. Bei zweigliedrigen Stichwörtern muß
unter beiden Bestandteilen gesucht werden.
Die Regeln für die Ansetzung der römischen Personennamen wurden
nachträglich geändert: In den Benutzungshinweisen von Bd. 1 heißt es
(S. IX): "Römische Namen werden alphabetisch, zunächst nach dem
Gentilnomen, dann nach dem Cognomen und Pränomen geordnet ... Nur
antike Autoren und römische Kaiser werden in der im deutschen
Sprachgebrauch üblichen Namensform lemmatisiert." Caesar ist also
unter seinem Cognomen aufgeführt. Ab Bd. 3 wird eine Änderung
vorgenommen: "Da die strikte Dreiteilung der Personennamen in der
Kaiserzeit nicht mehr eingehalten wurde, ist eine Anordnung nach oben
genanntem System problematisch. Kaiserzeitliche Personennamen (ab der
Entstehung des Prinzipats unter Augustus) werden deshalb ab dem
dritten Band in der Reihenfolge aufgeführt, die sich auch in der
Prospographia Imperii Romani (PIR) und in der Prosopography of the
Later Roman Empire (PLRE) eingebürgert und allgemein durchgesetzt hat
und die sich an der antik bezeugten Namenfolge orientiert (z.B. L.
Vibullius Hipparchus Ti. C. Atticus Herodes unter dem Lemma Claudius).
Die Methodik - eine zunächst am Gentilnomen orientierte Suche - ändert
sich dabei nicht" (Bd. 3, S. V). Bei dem hier genannten Beispiel
findet man unter Claudius den Namen L. Vibullius Hipparchus Ti. C.
Atticus Herodes, von dem auf Herodes Atticus verwiesen wird. Es ist
verwunderlich, daß man erst ab dem dritten Band gemerkt hat, daß das
urspünglich vorgesehene Konzept nicht eingehalten werden kann.
Geographica erscheinen in ihrer antiken (latinisierten) Schreibweise.
Erst im Registerband soll von den modernen Namensformen verwiesen
werden.
Entsprechend der Intention berücksichtigt DNP auch die orientalische
Welt angemessen. Dies zeigt sich u.a. daran, daß es
Transkriptionstabellen für Hebräisch, Arabisch, Persisch und Osmanisch
gibt. Jedoch sind die Transkriptionstabellen für die genannten
Sprachen nicht vollständig, da die Umschrift der Vokale überhaupt
nicht berücksichtigt wurde.[16] Aus bibliothekarischer Sicht wäre es
sinnvoll gewesen, sich konsequent an bestehende DIN-Normen zu halten.[17]
Orientalische Eigennamen werden in der Regel nach den Vorgaben des
Tübinger Atlas des Vorderen Orients (TAVO) geschrieben. Daneben werden
auch abweichende, aber im deutschen Sprachgebrauch übliche und
bekannte Schreibweisen beibehalten, um das Auffinden zu erleichtern.
Die Transliteration der griechischen Buchstaben entspricht weitgehend
der Anlage 5.2 den RAK-WB.
Das umfangreiche Abkürzungsverzeichnis ist dreigegliedert: Allgemeine
Abkürzungen, bibliographische Abkürzungen (Abkürzungen von
Zeitschriften und häufig zitierten monographischen Werken) und
Abkürzungen von antiken Autoren und Werktiteln. In Bd. 3 ist noch ein
vierter Teil hinzugekommen: Zeichen mit besonderer Bedeutung. Das
Fehlen eines solchen Abkürzungsverzeichnisses war ein großes Manko bei
der RE.
An das Abkürzungsverzeichnis schließen sich noch ein Karten- und
Abbildungsverzeichnis sowie ein Mitarbeiterverzeichnis an. Positiv am
Karten- und Abbildungsverzeichnis ist die Aufführung weiterer
Literatur, die unterhalb der entsprechenden Artikel nicht immer
wiederholt wird. Das Mitarbeiterverzeichnis ist alphabetisch nach den
Nachnamen der Artikelverfasser angelegt; neben den ausgeschriebenen
Namen stehen die im Lexikon verwendeten Abkürzungen.
3.4 Aufbau der Artikel
Das Lemma ist fett gedruckt, bei längeren Artikeln erfolgt eine
Gliederung durch römische Zahlen und Großbuchstaben. Besonders im
Vergleich mit dem Kleinen Pauly fällt diese Gliederung sehr positiv
auf (vgl. z.B. die Artikel Athena, Augustus, Biographie). Hilfreich
sind auch die Genealogien und Karten, die vielen Artikeln beigegeben
sind. Innerhalb des Textes befinden sich in eckigen Klammern die
Fußnotennummer (gelegentlich mit Seitennummern). Verweisungen auf
andere Artikel erfolgen durch einen waagerechten Pfeil. Am Ende des
Textes werden in alphabetischer Reihenfolge weitere relevante Lemmata
aufgezählt. Verweisungen auf die Bände 13 - 15 sind in Kapitälchen
angegeben. Unterhalb des Textes befinden sich die Anmerkungen und
darunter, etwas abgesetzt, die durchnumerierten Literaturhinweise. Sie
sind sehr stark abgekürzt und nennen bei Aufsätzen und Beiträgen
uneinheitlich teils die genaue Seitenangabe, teils leider nur
ff.-Angaben. Alle Artikel sind mit den Initialen ihrer Verfasser und
gegebenenfalls Übersetzer gezeichnet, die anhand des
Abkürzungsvereichnisses aufzulösen sind.
3.5 Charakteristik der Artikel
Im Vorwort von Bd. 1 (S. V) heißt es: "Der Neue Pauly ... soll dem
alltäglichen Gebrauch dienen, auch denen, die wie einst unsere
Klassiker Herder, Goethe und Schiller 'nur sehr mäßig Griechisch
wissen' (...) Um lesbar und anschaulich zu sein bietet es einfache
Umschriften, Zitate in Übersetzungen ...". Wenn man sich schon an eine
breitere Leserschaft wendet, wäre es wesentlich sinnvoller gewesen,
eindeutig zu sagen, daß auch diejenigen das Lexikon benutzen können,
die kein Griechisch gelernt haben. Daß deren Zahl steigt, ist nun
einmal ein Umstand, dem man sich anpassen sollte. Auch der
Geschichtsstudent, der einen Seminarschein in der Alten Geschichte
nachweisen muß und kein Graecum hat, sollte das Lexikon ohne fremde
Hilfe benutzen können. Dies ist leider nicht möglich: Mal gibt es nur
den griechischen Text, mal mit Transliteration, mal ohne Umschrift,
mal mit und mal ohne Übersetzung.
DNP versteht sich ausdrücklich als Lexikon und nicht als
Enzyklopädie,[18] was leider auch dazu führt, daß Zusammenhänge zu sehr
zerrissen werden, wie z.B. Abortio, Abortiva, Amblosis und Abtreibung
oder Adel und Aristokratia. Der Artikel Ehebruch beschäftigt sich im
ersten Abschnitt mit Griechenland, beim zweiten Abschnitt über Rom,
findet der Leser nur eine Verweisung auf Adulterium. Im Artikel
Adulterium wird auf Ehebruch (a.) verwiesen, das es nicht gibt,
sondern nur Ehebruch I. Griechenland. Unerklärlich ist auch, warum es
nur einen isolierten Artikel Ausbildung (medizinische) gibt. Hier wäre
es doch sinnvoller gewesen, die medizinische Ausbildung im Artikel
Arzt oder Medizin abzuhandeln. Konsequenterweise hätte man nun auch
die Ausbildung anderer Berufsgruppen in diesem Teil des Alphabets
unterbringen müssen.
3.5.1 Verweisungsstruktur
Die Absicht, durch Verweisungen größere sachliche Zusammenhänge
herzustellen, wird leider durch Mängel der Verweisungstruktur unnötig
erschwert oder gar verhindert. Hier nur einige Beispiele: Bei
Anatolius [2] findet sich die Verweisung auf Chalkedon; sucht man nach
diesem Lemma wird man auf Kalchedon verwiesen. Das sind unnötige
Umwege. Im Artikel Diadema heißt es: "Als Symbol der Königswürde
übernahm es -> Alexander [4] d. Gr. von den Perserkönigen ..."
Alexander der Große wurde jedoch unter Alexandros [4] angesetzt. Am
Ende von Acta Maximiliana wird auf Diokletian verwiesen, der unter
Diocletianus angesetzt wird. Der Artikel Alamanni verweist auf einen
Aetius [3], den es jedoch nicht gibt. Am Ende des Artikels Abschrift
wird auf Buch, Buchhandel und Schreiber verwiesen. Von Buchhandel wird
der Benutzer wieder zum Artikel Buch verwiesen. Auffallend ist ferner,
daß innerhalb eines Artikels nicht auf alle Begriffe verwiesen wird,
die mit eigenem Artikel vertreten sind: Im Artikel Bukolik wird nicht
auf Eidyllion verwiesen, und unter Eidyllion findet sich keine
Verweisung auf Theokrit oder auf Bukolik, obwohl hier zweifellos ein
sachlicher Zusammenhang besteht. Bei Ares wird nicht auf Eileithyia
verwiesen. Im Artikel Diodoros Siculus wird zwar Ephoros von Kyme
erwähnt, doch nicht auf ihn verwiesen, obwohl er einen eigenen
Arktikel erhalten hat. Verweisungen auf (allgemein) bekannte antike
Personen (Platon, Homer, Aristoteles, etc.) kommen so gut wie nicht
vor. So sehr Querverweise innerhalb eines Lexikon-Artikels auch beim
Lesen stören können, so führen sie doch zu weiteren Informationen. Für
viele Leser ist es eben nicht selbstverständlich, ein unbekanntes Wort
in demselben Lexikon nachzuschlagen, wenn ein Verweisungspfeil fehlt.
3.5.2 Inhomogenität der Artikel
Nachteilig ist die Inhomogenität der Artikel hinsichtlich ihres
Informationsgehaltes - besonders was Quellen- und Literaturangaben
angeht. Der Umfang reicht von einer Zeile bis zu mehreren Spalten.
Vielleicht hätte man auf Personen-Artikel mit äußerst geringem
Informationsgehalt[19] ganz verzichten sollen, um dafür anderen Artikeln
mehr Platz einzuräumen, zumal dann, wenn solche Personen auch schon in
Speziallexika vorkommen. Der Artikel Afrika reicht z.b. bis in das 8.
Jh., wobei die vandalisch-byzantinisch-islamische Zeit in zwei Spalten
abgehandelt wird, während der Artikel Ägypten die Zeit von 30 v. Chr.
bis 642/43 in 25 Zeilen abhandelt.[20]
Die Unausgewogenheit der Artikel fällt besonders bei der Betrachtung
der bibliographischen Angaben auf. Es kann bei kleineren Artikeln
durchaus vorkommen, daß die Literaturangaben umfangreicher als der
Artikel selbst sind, während bei größeren Themenkomplexen recht
sparsam mit Literaturhinweisen umgegangen wird. Hier hätte die
Redaktion mehr auf die Relationen zwischen Text und Bibliographie
achten können.
3.5.3 Literaturangaben
Bei Auswahl und Aktualität der Literaturangaben liegt nach Meinung des
Rezensenten auch das größte Manko des Lexikons. DNP enthält subjektive
und objektive Bibliographien, wobei letztere selbständig und
unselbständig erscheinende Literatur aus dem internationalen Bereich
berücksichtigen. Insbesondere vor dem Hintergrund der vollmundigen
Verlagsankündigung sind die Mängel um so gravierender: "Mit dem Neuen
Pauly wird in einer umfassenden Enzyklopädie der Antike der neueste
Forschungsstand dokumentiert - ein wissenschaftlich fundiertes Werk,
das gleichzeitig unser aller Interesse an der Antike neu akzentuiert."
Bei zahlreichen Artikeln wurde die Literaturliste allerdings nicht auf
den aktuellen Stand gebracht, obwohl ein Benutzer bei einem neuen
Lexikon auch aktuelle Literaturhinweise erwarten kann, die ihn zu
weiteren Informationen führen. Besonders bei kürzeren Artikeln springt
die unzureichende Aktualität der Literaturangaben ins Auge.[21] Daneben
gibt es auch einige unnötig verwirrende Formalfehler: Einmal sind die
Literaturhinweise durchnumeriert, ein anderes Mal nicht. Wenn sie
durchnumeriert sind, ist es nicht immer klar, ob es sich um
Anmerkungen handelt, deren Fußnotenzeichen innerhalb des Textes
vergessen wurde, oder ob es einfach eine Zählung der Titel ist. Am
Ende des Artikels Arbeit [2, Griechenland und Rom] beispielsweise
finden sich zwar 16 Fußnoten, doch fehlt die Verbindung zum Text. Im
Text tauchen keine Fußnotenzahlen auf. Da die Schriften alphabetisch
geordnet sind, beabsichtigte der Verfasser des Artikels wohl eine
Numerierung seiner Literaturhinweise. Da dies jedoch der in den
Benutzungshinweisen dargelegten Konzeption widerspricht, hätte die
Redaktion es ändern müssen. Am Ende von Bukolik, I. Griechisch wurde
zweimal derselbe Anmerkungs-Apparat abgedruckt. Dem letzten
bibliographischen Hinweis auf D. M. Halperin fehlt übrigens das
Erscheinungsjahr. Im Artikel Caecilius [I 21] C. Metellus Caprarius
befindet sich eine Anmerkung [I 30], in der Fußnote steht lediglich
"Gruen" - d.h. im Werk von Gruen findet man also weitere
Informationen. Da Bd. 2 kein Abkürzungsverzeichnis hat, schaut man in
Band 1 nach und findet zwei Werke von Gruen angegeben. Am Leser bleibt
also die weitere Recherche hängen. Am Ende des Artikels Absentia
findet man den Literaturhinweis "Kaser, ZPR, 162 ff., 371 ff."; es
fehlen Band und Jahrgangszählung. Zu den Alanen gibt es von zwei
Verfassern zwei völlig verschiedene Artikel: Alani und Alanoi -
gemeint ist jedoch ein und derselbe Stamm. Hier konnte sich die
Redaktion wohl nicht entscheiden, welcher Artikel gedruckt werden
sollte.
3.6 Verhältnis von DNP zum Kleinen Pauly
DNP enthält viele Artikel, die so nicht im Kleinen Pauly vorkommen.[22]
Andere Artikel sind gegenüber den entsprechenden im Kleinen Pauly
überarbeitet und erweitert worden.[23] Sehr umfangreich und informativ
sind auch die Artikel aus dem religionswissenschaftlichen Bereich[24]
sowie über berühmte Herrscher und Literaten.
3.6 Bewertung
Ein endgültiges Urteil über die Qualität ist erst möglich, wenn DNP
abgeschlossen vorliegt, weil man erst dann beurteilen kann, wie
erschöpfend einzelne Bereiche behandelt wurden und wie die einzelnen
Artikel aufeinander abgestimmt sind.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß DNP eine erweiterte Neuausgabe
des Kleinen Pauly ist - was durchaus sinnvoll ist. Aufgrund seiner
übersichtlichen Anlage, den Karten und graphischen Darstellungen sowie
dem augenfreundlichen Druckbild annimiert das neue Lexikon zum
Blättern und Lesen - und in der Regel wird man auch nicht enttäuscht.
Der Stil ist in den meisten Fällen verständlich und der Leser erhält
die wichtigsten Informationen und differenzierte Bewertungen.
Ersetzt wird der Kleine Pauly durch DNP keineswegs und die RE schon
gar nicht. Wer sich in Zukunft über einen antiken Sachverhalt
informieren möchte, wird wohl alle drei Lexika benutzen müssen.
Dringend
erforderlich wäre eine sorgfältigere Redaktion der Artikel mit dem
Ziel, die aufgezeigten Mängel zu beheben. Vielleicht ist die Redaktion
von dem Druck, jedes Jahr zwei Bände herausbringen zu müssen,
überfordert. Gespannt darf man auf die drei Bände sein, die sich mit
der Rezeption der Antike und der Wissenschaftsgeschichte befassen.
Kai Heßling
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