Die französische Reihe konzentriert sich - zu ihrem Vorteil - auf öffentliche Bibliotheken. Nun wird niemand die Bedeutung von Privatsammlungen ableugnen, und die Besitzer haben ein gutes Recht, daß sie mit ihrem Eigentum in die Bibliographiegeschichte eingehen. Der Katalog der Sammlung Viktor von Klemperer ist ein solches Dokument, die Inkunabelbibliothekare sollten gern daran mittun wie einst Konrad Haebler: um oft seltene und kostbare Bücher in ihrer Geschichte dingfest zu machen. Aber jeder weiß, daß die Existenz einer Privatsammlung an den Besitzer gebunden ist, ob Jean/Hans Fürstenberg oder Detlef Mauss, und wenn keine (funktionierende) Stiftung oder Schenkung die Bestände zusammenhält, werden die katalogisierten Drucke wieder zerstreut, und die Kataloge stimmen nicht mehr.
Inhaltlich kann man über Inkunabelsammlungen kaum rechten, über private noch weniger als über öffentliche - letztere sollten (wegen der Steuergelder) ein Programm verfolgen: Dokumentation des Buchdrucks in Stadt und Region, fachbezogen oder künstlerisch, sie sind aber dennoch vom Zufall des Angebots und augenblicklicher Schwankungen der Finanzlage abhängig. Privatsammler können sich dem widmen, was sie bevorzugen. Ärgerlich wird die Sache nur, wenn bei einer gemeinsamen Erfassung die Materialien allzu heterogen sind.
So hat Pascher eine Klagenfurter Privatsammlung einbezogen, die bis in die letzte Zeit (Donaueschingen, Nr. 1559) erweitert wurde, in der Hauptsache aber offensichtlich aus Inkunabel-Einzelblättern besteht. S. 6 in der Einleitung ist dies diskret angedeutet. Die Sammlung umfaßt 395 Nummern des Katalogs, rein rechnerisch somit über ein Zehntel. Wenn man den Abbildungsteil durchblättert, findet man bei den meisten seltenen Drucken, Druckorten und -ländern (England, B 36 Pergamentfragment) als Herkunftsbeleg jenen Sammler. Ehrlicher und wohl auch nützlicher wäre es gewesen, diese Einzelblätter gesondert zu katalogisieren und vielleicht als Anhang zu veröffentlichen, auch damit der Leser nicht über den Umfang dieser mit einem Asteriskus gekennzeichneten edlen Fragmente sinnieren muß.
Der reiche Abbildungsteil ist ein Verdienst des Buches. 110 Drucke werden optisch vorgestellt, und man erfreut sich der Vorteile moderner Kopiertechnik. Denn nicht aufwendige Reproduktionen wurden gewählt, sondern einfache Xerokopien, z.T. in Farbe. Das genügt vollkommen. Das durchweg gewählte Originalformat spiegelt die Inkunabel exakt. Da stört es wenig, wenn die Kopien einzelner Blätter auf das Buchformat beschnitten werden mußten: Es bedarf keiner Umrechnungen, und auch die Komposition der Holzschnitte läßt sich direkt nachempfinden.
Unerklärlich ist es freilich, warum Pascher den Abbildungsteil nicht
für seine Neuentdeckungen, Korrektur- und Makulaturblätter genutzt
hat. So sind die Eintragungen Nr. 83, 362, 654, 1154, 1513 und 1961
einigermaßen sinnlos, denn der Leser vermag sich kein Bild zu machen,
und die offenbar unbekannten Grammatiken 911 und 1764 sowie der
deutsche Kalender 1272 werden nicht (nach den Regeln des
Gesamtkatalogs der Wiegendrucke oder einfacheren wenigstens
andeutungsweise) beschrieben.[1] Der Forscher muß sich zur Klärung an
die besitzende Bibliothek wenden.
So legt der Rezensent den Katalog mit zwiespältigen Gefühlen aus der
Hand. Er weiß, daß es sich um ein nützliches Arbeitsinstrument
handelt, das Bestände sichert und Forschern Zugang zu benötigten
Quellen gewährt. Geschichtlich gewachsene Bibliotheken werden
präsentiert, und man ist neugierig, über die spezielle Ausstattung der
oft klösterlichen Vergangenheit und Gegenwart mehr zu erfahren.
Handwerklich sind die Qualitäten unbestritten, auch die Beschränkung
auf zwei bibliographische Nachweise (Hain und Goff) ist ausdrücklich
zu loben. Man hat durchweg das Gefühl sicheren Terrains.
So haben wir angesichts unserer Monita den Verfasser am ehesten zu
bedauern, denn er hat sich um eine freundlicher gestimmte und für
manche technische Frage der Druckproduktion intensivere Nutzung seines
Buches gebracht. Danken wir ihm aber für die nützlichen Informationen
und nehmen den Band als Hilfe bei der Suche nach Büchern und
Standorten an.
Holger Nickel
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