Das Handbuch literarisch-kultureller Vereine, entstanden aus einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt, nennt im Titel den Berichtszeitraum 1825 bis 1933. Dabei ist zu beachten, daß erst nach 1918 gegründete Vereinigungen unberücksichtigt bleiben. Präsentiert werden - in alphabetischer Reihenfolge - 132 Zusammenschlüsse vornehmlich "literarisch produzierender" Künstler. Vertreten sind sowohl lose Gruppierungen (z.B. Stammtische, Debattierclubs) als auch Vereine im juristisch-formalen Sinn; die meisten der beschriebenen Vereinigungen haben zumindest formale Klammern wie Vereinsnamen, Vereinssitz, ein formuliertes Programm und - seltener - gemeinsame Veröffentlichungen (etwa Zeitschriften und Almanache). Ganz ausgenommen bleiben berufsständische Verbände (Kartell lyrischer Autoren; Schutzverband deutscher Schriftsteller), Dichterstiftungen und -Preise, Bühnenvereine, bibliophile Gesellschaften und Lesezirkel. Die - meist namentlich gezeichneten - Beiträge sind von unterschiedlicher Ausführlichkeit und Gehalt. Während einige, basierend auf Archiv- und Bibliotheksstudien, bislang unbekanntes Quellenmaterial dokumentieren (Mittwochsgesellschaft; Die Kommenden; Werdandi-Bund), beschreiben andere - bei Gruppen, Bünden und Vereinen, über die schon fundierte Arbeiten vorliegen (Tunnel über der Spree; Friedrichshagener Dichterkreis; George-Kreis) - den aktuellen Forschungsstand (mit Bibliographie). - Darüber hinaus werden in Kurzartikeln (von der Redaktion gezeichnet) solche Gruppen umrissen, über die bislang nur spärliche Nachrichten vorliegen. - Die opulenteren Artikel zeichnen die Vereinsgeschichte möglichst detailliert nach: sie bringen Gründungsdaten und Programmzitate, schildern Rituale, führen Veranstaltungen und Aktivitäten auf, nennen die Mitglieder (mit vereinsinternen "Übernamen"), beschreiben Querverbindungen zwischen den Vereinen. Lange, überaus genaue Verzeichnisse von Quellen und Forschungsliteratur beschließen jede Beschreibung. Durch verschiedene Register (Personen/Vereinsinterne Übernamen/Vereine, Gruppen und Bünde/Orte/Periodika) bietet das Handbuch zusätzliche Einstiege in seine Materialfülle. Eine chronologische Übersicht fehlt leider.
Jost Hermands Band Die deutschen Dichterbünde wird im Klappentext als "die erste zusammenfassende Darstellung der wichtigsten 100 deutschen Dichterbünde von den Singschulen der spätmittelalterlichen Meistersinger bis zu den letzten Streitigkeiten des PEN-Clubs" beschrieben. Der Verfasser definiert in seinem Vorwort den "Dichterbund" "vor allem als sozio-literarische Engagementsform oder zumindest als gemeinschaftsstiftendes Ordnungsprinzip ... Nur da, wo solche Vereinigungen klare ideologische Leitziele entwickelten und zugleich einen ausgeprägten Sinn für Solidarität oder zumindest innere Konsistenz bewiesen, soll von tatsächlichen Dichterbünden gesprochen werden." Tatsächlich wird der Begriff des "Dichterbundes" hier außerordentlich weit gefaßt; die Palette reicht von Zusammenschlüssen rein ideellen Charakters (ohne jedes äußere Anzeichen einer Institutionalisierung, wie beim "klassischen" Dichterbund zwischen Schiller und Goethe oder dem naturalistischen Programm von Arno Holz und Johannes Schlaf) bis hin zu berufsständischen Verbänden.
Das Band ist in 14 Zeitabschnitte gegliedert: Vom Spätmittelalter bis zum Ende des 17. Jahrhunderts; Im Zeitalter der Frühaufklärung und Empfindsamkeit; Der gescheiterte Epochenumbruch; Rückzüge ins Biedermeierliche; Glanz und Elend des Liberalismus; Um die Jahrhundertwende; Die Ära der expressionistischen Revolte; Während der Weimarer Republik; Unterm Faschismus und im Exil; Die unmittelbare Nachkriegszeit; In den fünfziger Jahren; Gesellschaftskritische Schriftstellerorganisationen in der BRD nach 1961; Die Zeit von 1975 bis 1989; Die heutige Situation. Unter diesen Überschriften sind deutlich wertende Abhandlungen ganz unterschiedlichen Charakters versammelt. Es gibt Einführungen in die kulturpolitischen Voraussetzungen eines Zeitabschnitts (z.B. über die nationalsozialistische Gleichschaltung), zusammenfassende Kapitel über mehrere kleine Gruppen, die derselben oder einer verwandten geistigen Richtung verpflichtet sind (z.B. Romantische Dichtergruppen; Neukatholische, neuklassische und völkische Dichterbünde; Ostdeutsche Oppositionsgruppen der achtziger Jahre) sowie eine stattliche Anzahl ausführlicher und unterhaltsamer - auch hübsch bebilderter - Abhandlungen über einzelne Bünde. Nur hier treffen wir auf eine - allerdings geringe - "Schnittmenge" beider hier vorgestellten Werke. Die bei Hermand kumuliert abgehandelten Gruppen kann man ihr nur bedingt hinzurechnen, da dem Band ein Register der Bünde fehlt, und so nur der mit Vorkenntnissen und besonderem Spürsinn ausgestattete Leser fündig wird. Ein (relativ schmales) Verzeichnis weiterführender Literatur und ein Personenregister bieten zwar keinen Ersatz dafür, erleichtern aber dennoch die Benutzung.
Eva Dambacher