Diese Materialien zu nutzen, zusammenzufassen und zu ergänzen war die
Aufgabe einer Personalbibliographie Gutzkows, die dessen Bild in Folge
der Verlagerung des Schwerpunktes von den Buchveröffentlichungen, die
den literarischen Autor in den Vordergrund stellen, hin zum
Journalisten, der über zweieinhalbtausend Beiträge geliefert hat,
korrigiert und bestätigt, was schon Fontane festgestellt hatte: "Er
hätte Leitartikelschreiber werden müssen, ... aber vom Dichter, der er
sein ganzes Leben lang hat sein wollen, hatte er gar nichts",[4] und
auch Houben konstatiert, es gäbe 'kaum eine Frage, der er nicht nahe
getreten ist', 'das ganze Leben Gutzkows ist ein Gewirr von Kampf und
Polemik'.[5]
Das Ergebnis einer 'über viele Jahre'[6] beharrlich und mit Erfolg
durchgeführten Sammlung und Durchforstung der periodischen Literatur
liegt hier vor und erreicht diesen Umfang, obwohl bei einer
Beschränkung des Berichts auf Veröffentlichungen bis 1880 ganze
Bereiche ausgespart bleiben (abgesehen von Erinnerungsschriften und
beim bis in die jüngste Zeit geführten Verzeichnis der Briefdrucke).
Auch die von Gutzkow nicht zum Druck gegebenen Schaffenszeugnisse
werden nicht verbucht, wie die Preisschrift De diis fatalibus und die
daraus abgeleitete Dissertation, das für das Verständnis von Gutzkows
Mentalität und zumal der späteren Rückblicke so aufschlußreiche
Dokument An die Deutschen, die zahlreichen posthum mitgeteilten
Entwürfe und Bruchstücke. Der Umfang der Bibliographie resultiert zum
Teil aus einer fast verschwenderisch gehandhabten Zitierweise, die
nicht nur den Gebrauch von Siglen verschmäht, sondern auch eine
Zählung aller Einzelpositionen durchhält, in die jeweils, wo immer es
geht, Jahres-, Monats- und Tagesangabe einer Veröffentlichung
integriert ist und dadurch dem Satzspiegel des bibliographischen
Textes nur einen eingeschränkten Raum läßt, in dem jedes Element einer
Titelaufnahme eine eigene Zeile erhält, sogar jede Zeitungsnummer bei
Fortsetzungsabdrucken. Auch die sich anschließenden Verweisungen
beginnen jeweils mit einer neuen Zeile. Das Verfahren ist, wie gesagt,
aufwendig, weil damit keine wesentlichen Informationen vermittelt
werden. Das fällt besonders auf bei der Anführung von Zeitschriften,
wenn immer wieder versichert wird, daß das Morgenblatt für gebildete
Leser in Stuttgart u. Tübingen, die Abend-Zeitung in Dresden u.
Leipzig, der Telegraph für Deutschland in Hamburg, ja sogar
tautologisch, die Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten
Sachen in Berlin, die Königlich privilegirte Berlinische Zeitung von
Staats- und gelehrten Sachen auch in Berlin, die Staats- und Gelehrte
Zeitung des hamburgischen unpartheiischen Correspondenten eben in
Hamburg erschienen sind; dagegen kam Der Freischütz nicht in Berlin,[7]
sondern in Hamburg heraus! Bei den Unterhaltungen am häuslichen Herd.
Leipzig wird diese Formel stereotyp auf fast 140 Seiten hintereinander
wiederholt![8]
Das Verzeichnis der Primärliteratur ist nach Publikationsformen
gegliedert:[9] Werksammlungen, Einzelausgaben, Pressebeiträgen,
Beiträgen in anderen Veröffentlichungen, Zeitschriften, die Gutzkow
leitete, Manuskriptdrucke, Privatdrucke, Flugblätter, denen die
Briefdrucke sich anschließen. Dieser Gliederung, die es nicht
erleichtert, das einzelne Werk in den zeitlichen und sachlichen
Zusammenhang von Gutzkows Schaffen insgesamt einzuordnen, entspricht
diejenige der Sekundärliteratur nicht ganz, und so findet man eine
Besprechung der Dramatischen Werke durch Taillandier nicht unter denen
der Werkausgaben, sondern unter Gutzkow als Dramatiker,[10] die
ausführlichste Rezension über Wullenweber nicht unter den Würdigungen
des Stückes,[11] sondern man hätte sie unter den Dramensammlungen zu
suchen, bis man bemerkt, daß sie auch hier fehlt und in einer Notiz
über nicht autopsierte Rezensionen versteckt ist, aber hier gleich
gedoppelt: Allgemeine Literatur-Zeitung mit Jahr und Seite, und als
Hall. Lit. Ztg mit Jahr und Nummernzählung ohne Hinweis auf das Stück
selbst.[12] Die Anhäufung von aus zweiter Hand übernommenen Rezensionen
entstellt unnötig den sonst vorherrschenden Eindruck sorgfältiger
Recherchierungen und es bleibt unerklärbar, warum dieselben
Zeitschriften nebeneinander mit geprüften wie mit ungeprüften
Zitierungen vorkommen (Jenaische allgemeine Literatur-Zeitung,
Literarische und kritische Blätter der Börsenhalle,
Mitternachtzeitung, Magazin für die Literatur des Auslandes,
Berlinische Nachrichten usw.) und man rät fälschlich auf
Wertungskriterien. Andererseits fehlen solche supplementären Hinweise,
die z.B. bei Ein weißes Blatt auf Berliner Moden-Spiegel, Hannoversche
Morgenzeitung, Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und
Mode, Unser Planet, Mittheilungen aus Oldenburg (alle 1843) angebracht
gewesen wären. Bei Ein Hollandgang nützt die Notiz Schlesische Zeitung
1873 [oder 1874], Nr. 530[13] nicht viel; es muß heißen 14. Dez. 1873,
Nr. 530, S. 3. Es fehlt eben ein Verzeichnis der systematisch
ausgewerteten Publikationen (oder eine Rechenschaft). Hier kann es
angesichts so vieler von Rasch beigebrachter Nachweise nicht um
beckmesserische Nachträge - zu einigen hat der Autor aufgerufen
- gehen,[14] sondern vielmehr um ein Erkennen des Prinzips, weil man
immer
wieder nicht einsehen mag, warum etwas 'nicht vorlag', was doch nicht
unerreichbar war.
Wenn Fontane seine kritische Einschätzung Gutzkows fortführt "Er hat
die deutsche Nation düpiert. In anderen Ländern, die mehr natürlichen
Sinn für die Künste haben ..., hätte er 40 Jahre lang eine solche
Rolle gar nicht spielen können",[15] erklärt das wohl auch die im
Vergleich zum Umfang seines Werkes geringe Zahl von Übersetzungen in
andere Sprachen. Auf sie wird anmerkungsweise hingewiesen, wobei das
meiste ungeprüft aus Pressemeldungen genommen ist. Eine Annäherung an
die Form der Preußischen Instruktionen[16] hat hier - wie in anderen
Fällen - nicht stattgefunden. So sind die niederländischen
Städtenamen[17] Deventer, Arnheem, Amsterdam nur in abgekürzter Form
wiedergegeben, wie auch die Anführungen rezensierter Bücher bei den
Besprechungen nicht normiert, sondern nach dem Wortlaut der
wechselnden Vorlage oder unter der Überschrift der betr. Rubrik[18]
zitiert oder die Verfasserangaben in buntem Wechsel[19] gebucht.
Angeführt seien auch Beispiele für Übersetzungen ins Russische.[20]
Schließlich mache ich noch auf einige Titelaufnahmen selbständiger
Drucke aufmerksam: eine genaue und bessere Wiedergabe des Festspiels
zur Jubelfeier Friedrich Ludwig Schmidt's[21] ist im Lexikon der
hamburgischen Schriftsteller, Bd 3, S. 38, zu finden. Beim nicht
beigebrachten Manuskriptdruck der Diakonissin[22] handelt es sich um Die
Diakonissin oder Beruf und Liebe : dramatisches Seelengemälde in 5
Aufzügen. - Als Ms. gedr. - Dresden, 1852 : Teubner. - 78 S.
Von solchen Retuschierungen abgesehen, hat der Verfasser sein Ziel,
die Daten eines rastlosen Schaffens einzusammeln, erreicht. Gutzkow
wird als derjenige bestätigt, als den F. Engels ihn sah: 'ein
geborener Journalist'.[23] Er schrieb daher pour le jour,[24] und jeder
Historiker, der daran interessiert ist, wird hier ein reiches Material
vorfinden.
Herbert Jacob
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